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Endlich angekommen: Wie Fußball verbindet

Staatsanzeiger: Ausgabe 43/2016
Von: Dischinger, Marcus 

Projekt 36: Gaggenau Kategorie 3

Es braucht nicht immer eine Gruppe. Manchmal sind es einzelne, die etwas bewegen. Wie Christoph Kist in Gaggenau. Er spielte über mehrere Monate mit Flüchtlingen Fußball, die in einer Notunterkunft in seiner Nachbarschaft wohnten. Gaggenau. Sport bringt Menschen zusammen. Das trifft besonders auf Fußball zu: Denn wenn sich beinahe auf der ganzen Welt Menschen für eine Sache begeistern können, dann ist das das Spiel mit dem runden Leder. Diese Tatsache hat sich Christoph Kist aus dem Gaggenauer Ortsteil Selbach zunutze gemacht. Selbst Fußballer, bietet er jungen männlichen Flüchtlinge, die in der Selbacher Sporthalle in einer Notunterkunft untergebracht waren, Fußballtraining an. „Klar, am Anfang gab es auch hier Skepsis“, beschreibt er die Situation in dem 2000 Einwohner zählenden Ortsteil der Großen Kreisstadt im Herbst 2015. Zumal für die Unterbringung die örtliche Sporthalle belegt wurde. „Die Vereine konnten aber schnell woanders unterkommen“, sagt Kist.
„Ich würde genau das Gleiche tun und mein Heimatland verlassen“
„Ich habe mich einfach mit der Gefühlswelt der Menschen beschäftigt, die da zu uns kommen und was sich darin abspielen muss“, erklärt er seine Motivation, sich für die Menschen zu engagieren. Da gehe es ja nicht nur um schreckliche Kriegserlebnisse, sondern auch um die Perspektivlosigkeit der Menschen. Er habe sich zudem die Frage gestellt, was er selbst in einer Situation tun würde, in der er mit Gewalt und Krieg konfrontiert wäre. „Ich würde genau das Gleiche tun und mein Heimatland verlassen“, vermutet der 25-Jährige. Er habe als junger Mensch ein Zeichen setzen wollen, dass man sich engagieren könne. Und Fußball, das funktioniere eben immer, darüber könnten die Flüchtlinge auch vieles ausblenden, was sie möglicherweise belaste. Als er im Dezember 2015 zur Halle marschierte und zum Mitspielen aufforderte, ließen sich die Flüchtlinge nicht lange bitten. „Wir haben die ersten Male einfach so ein bisschen gekickt“, erzählt Kist. Dann wurden eineinhalb- bis zweistündige Trainingseinheiten abgehalten. Und schnell wurde daraus auch eine besondere Form der Integration. „Wir haben immer ein paar Vokabeln mit reingebracht, so dass während des Trainings auch Sprache transportiert.“
Auf Pünktlichkeit, Respekt, Fairness und Gewaltlosigkeit kommt es an
Zusätzlich konnten über Spenden Trikots, Bälle und Schuhe besorgt werden, unter anderem auch von Kists eigenem Verein, dem FC Gernsbach. Kists Mutter erklärte sich bereit, die Trikots zu waschen. „Wir haben auch darauf geachtet, dass die Leute pünktlich sind, die am Training teilnehmen wollten“, sagt er. Und dass es immer beim Fairplay bleibt. Pünktlichkeit, Respekt, Fairness und Gewaltlosigkeit sind für Kist vier Grundwerte jeder Gesellschaft. Er lebte sie gemeinsam mit den Flüchtlingen bei den Trainingseinheiten. Er erinnert sich an einen Teilnehmer des wöchentlichen Trainings, einen Ägypter, genau so alt wie er selbst. „Ich ziehe meinen Hut vor ihm, denn er war bereits 13 Jahre lang unterwegs und muss also mit zwölf Jahren von zu Hause weg sein.“ Der Ägypter schaffte sogar den Sprung die örtliche Fußballmannschaft. Kist freut sich darüber, dass er mit seinem Engagement bei der Gaggenauer Stadtverwaltung auf offenen Ohren stieß. „Dort gab es gute Unterstützung“, berichtet er. Auch der Landkreis Rastatt, der dafür zuständig ist, die Flüchtlinge in den einzelnen Kommunen unterzubringen, habe immer informiert, wenn es Veränderungen gab. Aufnahme und Integration von Flüchtlingen ist für ihn keine abstrakte Frage, sondern eine konkrete Aufgabe der Bürgergesellschaft. „Wenn wir das in Deutschland nicht schaffen, wer soll das dann in Europa schaffen?“, sagt er.

Übersicht der Leuchttürme der Bürgerbeteiligung

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