Defektes in Ordnung und Menschen zusammen bringen

Projekt 43: Filderstadt Kategorie 3

Wenn der Computer streikt, das Ladegerät überhitzt, der Staubsauger nicht anspringt, Hosen gekürzt oder Löcher gestopft werden müssen, sind die Ehrenamtlichen im Repaircafé Filderstadt zur Stelle. Viele Bürger schätzen den kostenlosen Service, den die Stadtverwaltung ins Leben gerufen hat. Filderstadt. „Meine Kaffeemaschine hat den Geist aufgegeben“, erzählt die 77-jährige Renate Reichhardt. „Zum Wegwerfen ist sie mir zu schade und der Fachhändler repariert sie mir nicht mehr, weil der Zeitwert die Kosten für Arbeitsstunden und Ersatzteile unterschreitet.“ Jetzt hofft die Rentnerin, dass ihr im Repaircafé von Filderstadt (Landkreis Esslingen) geholfen wird. Mit beiden Händen hievt Renate Reichhardt das 1996 erworbene Stück auf die hölzerne Werkbank. Heinz Teichmann nimmt die Maschine unter die Lupe. Der Elektrotechniker kennt die Schwächen vieler Geräte und weiß, dass viele, die hierher kommen, auf unentgeltliche Hilfe angewiesen sind. „Nicht jeder kann sich eine teure Reparatur beim Händler oder gar ein neues Gerät leisten“, so Teichmann. „Bei uns fallen lediglich Kosten für Ersatzteile an und die Reparaturarbeiten erledigen wir ehrenamtlich.“ In einer anderen Ecke des Werkraums der Gotthard-Müller-Schule summt die Nähmaschine. Halyna Burt hat Röcke, Westen und Hosen vor sich ausgebreitet. Sie kann sich gut an eine Frau erinnern, die ins Café kam, um zehn Jeans kürzen zu lassen, die sie für zehn Euro günstig im Secondhand-Laden ergattert hatte. „Sie war überglücklich, dass ich ihr die Hosen umsonst gekürzt habe“, erzählt Burt. „Deshalb denke ich, dass unser Angebot für Leute, die mit wenig Geld über die Runden kommen müssen, Gold wert ist.“ Allmählich füllt sich der Raum. Ein Mann zieht eine schwarze Kompaktkamera aus der Jackentasche. „Der Auslöser funktioniert nicht mehr. Lässt sich da was machen?“, fragt er Stefan Haake. Der sieht sich die Sache genauer an, während die ersten Kunden bei Kaffee und Kuchen draußen in der Aula warten, bis sie an der Reihe sind.

Große Hilfe für finanziell schwächere und alleinstehende Menschen

„Das Repaircafé ist auch ein sozialer Treffpunkt“, berichtet Jutta Grillhiesl vom Referat Bürgerbeteiligung und Chancengleichheit der Stadt Filderstadt, die das Projekt als Hauptamtliche betreut. Während der Wartezeit kommen der Verwaltungsmitarbeiterin zufolge Bürger miteinander in Kontakt und tauschen sich aus. Wieder andere würden vorbeikommen, um mit anderen ins Gespräch zu kommen. Das Repaircafé habe damit mehr zu bieten als Reparaturen. Es bringe Menschen zusammen. Während Heinz Teichmann das Gehäuse von Frau Reichhardts Kaffeemaschine abnimmt, hat Albrecht Miehlich das Problem an einem vermeintlich defekten Ladegerät entdeckt. „Sie müssen das Originalkabel verwenden. Das hier passt nicht“, erklärt der Physiker dem Kunden. „Das habe ich nicht mehr und im Handel hat mir der Verkäufer erklärt, dass ich ein neues Ladegerät kaufen muss“, klagt der Besitzer. „Das kostet 150 Euro. Gibt es keine andere Lösung?“ Renate Reichhardt verfolgt die Gespräche und sieht den Ehrenamtlichen bei der Arbeit zu. Sie ist vom Service begeistert: „Das ist gerade für alleinstehende ältere Frauen eine tolle Sache.“

Soziale Kontakte für Ehrenamtliche und Kunden als Nebeneffekt

Zudem müsse nicht alles, was kaputt ist, gleich weggeworfen werden. „Heutzutage landen defekte Gebrauchsgegenstände viel zu schnell im Elektromüll“, meint Renate Reichhardt. „Meine Kaffeemaschine entsorge ich deshalb erst, wenn sie wirklich nicht mehr in Gang zu bringen ist“, sagt sie. Horst Emmer freut sich, wenn er helfen kann. Das Repaircafé bietet ihm auch im Ruhestand die Möglichkeit, weiter aktiv zu bleiben und soziale Kontakte zu knüpfen. „Das Repaircafé ist deshalb auch für mich eine Bereicherung und etwas, das mir Spaß macht“, so Emmer, der sich schon auf den nächsten Café-Nachmittag freut.

MEHR ZUM

Weitere Informationen finden Sie unter: www.filderstadt.de