Die Ganztagsgrundschulen können kommen – Landtag beschließt neues Schulgesetz

16.07.2014 
Redaktion
 
Foto: Landtagspressestelle

Foto: Landtagspressestelle

Stuttgart. Im Vergleich zu anderen Bundesländern hat Baden-Württemberg in Sachen Ganztagsschulangebot  viel nachzuholen.  Der Landtag hat nun den gesetzlichen Weg dazu frei gemacht: Mit der Stimmenmehrheit der grün-roten Regierungsfraktionen hat er ein neues Schulgesetz beschlossen, das den Rechtsrahmen für Betrieb und Ausgestaltung von Ganztags-Grundschulen liefert.

Zugleich wird die Mitbestimmung der Eltern in der Schule durch eine künftig paritätische Besetzung der Schulkonferenz aus Lehrkräften, Eltern und Schülern gestärkt. Neuerungen gibt es auch beim Verfahren für die Besetzung von Schulleiterstellen. Künftig gehören dem Auswahlgremium auch ein Vertreter der Schulkonferenz sowie des Schulträgers an, das gesamte Verfahren soll zudem transparenter werden. CDU und FDP lehnten das Gesetz ab. Sie kritisierten insbesondere zu wenige Wahlmöglichkeiten bei der Ausgestaltung der Ganztagsgrundschule.

Baden-Württemberg auf dem vorletzten Platz

Kultusminister Andreas Stoch (SPD) dagegen warf der Opposition vor, „das Haar in der Suppe“ an diesem Gesetz zu suchen. „Der Ausbau von Ganztagsschulen gehört zu den wichtigsten und drängendsten Aufgabe im Land“, warb  Stoch für das Gesetz. Lediglich 18,9 Prozent der Kinder in Baden-Württemberg besuchten eine Ganztagsschule, der Bundesdurchschnitt dagegen betrage rund 32 Prozent. „Damit steht Baden-Württemberg auf dem vorletzten Platz im Ländervergleich. Danke, CDU, danke, FDP“, sagte Stoch. 70 Prozent der Eltern im Land würden sich aber ein Ganztagsschulangebot für ihre Kinder wünschen, so Stoch weiter. „Heute wird sie zur Realität in baden-württembergischen Schulen.“ Mit dem Start bei den Grundschulen treffe die Landesregierung eine klare Priorisierung. „Die Grundschule wird qualitativ einen großen Schritt nach vorne machen“, sagte Stoch.

Als Kern des Gesetzes bezeichnete er das Konzept des rhythmisierenden Unterrichts, der zwischen Konzentrations- und Entspannungszeiten wechselt. Mit den angebotenen Wahlmöglichkeiten – eine Grundschule kann sich entweder gegen ein Ganztagsangebot entscheiden, für ein verpflichtendes Ganztagsangebot oder für ein Ganztags-Wahlangebot – habe man das Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach Flexibilität und der nötigen Qualitätssicherung gelöst. Zudem könnten sich Schulen entscheiden, ob sie das Ganztagsangebot an drei oder vier Tagen sowie  in sieben oder acht Stunden anbieten wollten. Auch die Möglichkeit für die Schulen, einen Teil der Lehrerwochenstunden in finanzielle Mittel umzuwandeln und damit Angebote außerschulischer Partner im Rahmen der Ganztagsschule zu finanzieren, gebe den Schulen Flexibilität. „Eine gute Ganztagsschule ist nicht die Verdoppelung  der Halbtagsschule“, sagte Stoch. „Sie ist ein gutes pädagogisches Konzept.“

Mehr Qualität und Verlässlichkeit

Auch Sandra Boser (Grüne) und Stefan Fulst-Blei (SPD) nannten die gesetzlichen Neuregelungen einen wichtigen Schritt hin zu mehr Bildungsgerechtigkeit in Baden-Württemberg und zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Der Anspruch sei gewesen, mehr Qualität und Verlässlichkeit in die Schulen zu bringen, sagte Boser. „Studien zeigen, dass sich im gebundenen Ganztagsangebot speziell von Schülern  aus sozial schwachen Familien Leistungsverbesserungen erzielen lassen“, so die Bildungsexpertin der Grünen. Zudem sei es ein großes Anliegen von Grün-Rot gewesen, außerschulische Partner wie Sport- und Musikvereine einzubinden. „Die Rückmeldungen zeigen, dass es eine große Rückendeckung von dieser Seite gibt.“

Auch Stefan Fulst Blei sagte, selten habe ein Gesetz so viel Zustimmung erfahren. „Heute ist Schluss mit dem jahrzehntelangen Provisorium des Ganztags-Schulversuchs“, so Fulst-Blei. Der große Bedarf zeige sich auch darin, dass bereits jetzt 181 Anträge auf Ganztagsgrundschulen gestellt seien worden. Die mögliche teilweise Umwandlung von Lehrerstunden in Mittel schaffe zudem auch für kleinere Schulen den Anreiz, außerschulische Partner einzubinden, sagte Fulst-Blei und nannte diese Regelung ein „innovatives Element“. Der von der Opposition geforderten größeren Flexibilität seine durch die erforderliche Qualität des Angebots Grenzen gesetzt.

Opposition kritisiert mangelnde Flexibilität

CDU-Bildungsexperte Georg Wacker dagegen wiederholte die Kritik seiner Partei, dass die Regelungen zu unflexibel seien und Eltern keine echte Wahlmöglichkeit einräumten, da sich die Grundschulen vor Ort auf ein Modell festlegen müssten und die Schulbezirke einen Wechsel der Kinder an eine Grundschule mit einem anderen Angebot im Regelfall nicht zuließen. Zudem wehrte sich Wacker gegen die Kritik an der schwarz-gelben Bildungspolitik früherer Jahre. „Ohne unser Jugendbegleiter-Programm könnten Sie das gar nicht durchziehen“, sagte Wacker. „Sie bauen auf die Erfahrungen auf, die frühere Landesregierungen mit der Ganztagsschule gemacht haben.“

Als eine Wahl zwischen „Skylla und Charybdis“ bezeichnete FDP-Bildungsexperte Timm Kern dagegen die von Grün-Rot so bezeichnete Wahlfreiheit im Ganztagsangebot. „Das ist schlicht Rosstäuscherei“, sagte er. „Ganz oder gar nicht – das ist das grün-rote Verständnis von Wahlfreiheit.“ Der eigene Ganztagsschulgesetz-Entwurf der Liberalen habe dagegen eine offene Form der Ganztagsschule beinhaltet. „Echte Wahlfreiheit würde bedeuten, die Schulbezirke abzuschaffen“, so Kern. Dann könnten die Eltern ein auf ihre Situation passendes Grundschulangebot wählen.


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Titelbild Staatsanzeiger