Landtag uneinig über staatsanleihebesicherte Wertpapiere

24.10.2018 
Von: Wolf Günthner
 
Redaktion
 

Stuttgart. Der Landtag hat am Mittwoch die Mitteilung des Finanzministeriums zur Verordnung über staatsanleihebesicherte Wertpapiere zur Kenntnis genommen. Ziel des Verordnungsvorschlags der EU-Kommission ist es, staatsanleihebesicherte Wertpapiere (Sovereign Bond-Backed Securities – SBBS) zu ermöglichen. Der Entwurf sieht vor, dass in den SBBS Staatsanleihen aller Euroraum-Staaten je nach deren wirtschaftlichen Gewicht, wie es im Kapitalschlüssel der Europäischen Zentralbank (EZB) festgelegt ist, gebündelt werden müssen. Aus diesem Bündel werden von Privaten neue Papiere geformt. Nach ihrer Emission können diese neuen Papiere an den Märkten gehandelt werden und ebenso von institutionellen Investoren wie Vermögensverwaltern, Pensionsfonds oder Lebensversicherungen erworben werden wie von privaten Anlegern.

Die EU-Kommission verspricht sich von SBBS positive Auswirkungen auf die Stabilität des Finanzsystems insgesamt, weil SBBS geeignet seien, die Verflechtung zwischen Staat und Banken zu durchbrechen. Diese entstehe dadurch, dass sich Banken bei ihren Staatsanleihen-Portfolios auf das eigene Land konzentrieren („Home Bias“). Das dadurch resultierende Potenzial für eine destabilisierende gegenseitige Ansteckung sei während der Staatsschuldenkrise sichtbar geworden. Schieflagen von Banken hätten Druck auf die öffentlichen Haushalte ausgeübt, und zwar direkt wegen notwendiger Hilfen („Bailout“) oder indirekt durch geringere Steuereinnahmen aufgrund schwächerer Kredit- und Wirtschaftsaktivitäten. Dieses gefährliche System gelte es zu durchbrechen – so die Begründung der EU-Kommission.

Deutsche, italienische, französische und 16 weitere Staatsanleihen könnten nach dem vorgegebenen Schlüssel zu SBBS gebündelt und als Einheit vertrieben werden, erklärte Finanz-Staatssekretärin Gisela Splett (Grüne) in der Aussprache. Dies sei wahrscheinlich weder der große Wurf zur Rettung der Euro-Zone noch der Einstieg in eine gefährliche Schuldenunion. Der Entwurf sei „eigentlich jetzt schon geltende Rechtslage“, staatsanleihebesicherte Wertpapiere könnten schon nach jetzigem Recht gebündelt werden. „Der Unterschied ist: Staatsanleihen der Eurostaaten haben in Bankbilanzen bei anderen Investoren derzeit ein Risikogewicht von null, bei SBBS hätte auch das neue, gebündelte Papier das gleiche Risikogewicht“, sagte Splett. Für Banken sei es völlig unattraktiv, Staatsanleihen einzeln zu erwerben, attraktiver seien sie als gebündeltes Papier.

Splett: Keine gemeinsame Haftung vorgesehen

Splett widersprach Bedenken von Abgeordneten. Eine gemeinsame Haftung sei nirgends vorgesehen; jeder Mitgliedsstaat hafte auch bei SBBS nur für seine eigenen Anleihen. SBBS seien keine Eurobonds mit einheitlichem Zinssatz. SBBS seien also eine Chance, den Absatz von Staatsanleihen aller Eurostaaten zu erleichtern. Deshalb habe die Landesregierung im Bundesrat der dort beschlossenen, sehr differenzierten Stellungnahme zugestimmt. Rote Linien dürften nicht überschritten werden – es dürfe weder eine Haftung Deutschlands für Staatsanleihen anderer Eurostaaten geben noch eine Veränderung der Zinssätze durch SBBS. „Wenn man Europa und den Euro will, sollte man bereit sein, einen Beitrag zur Stabilisierung des Euros zu leisten“, forderte die Staatssekretärin.

AfD sowie SPD und FDP hatten Anträge eingebracht, im Bundesrat den Vorschlag der Verordnung abzulehnen. Die Grundannahme der AfD, dass die EZB die Staatsanleihen ausgäbe und dies zur Haftung der Mitgliedsstaaten führe, sei unzutreffend, sagte Barbara Saebel (Grüne). SBBS seien keine Eurobonds, würden nicht von Staaten ausgegeben, sondern von privaten Zweckgesellschaften. Jeder Staat zahle nur den Zins, den er am Markt ohnehin zahlen müsste. Auch die Befürchtung von SPD und FDP teile sie nicht, dass die Reduzierung der gegenseitigen Abhängigkeit von Staaten und Banken absehbar verfehlt werde. „Für uns Grüne sind SBBS eine Möglichkeit, den Absatz von Staatsanleihen aller Eurostaaten zu erleichtern.“

Angesichts der von der EZB in den vergangenen drei Jahren gekauften Staatsanleihen von mehr als zwei Billionen Euro, um die Kurse von Anleihen ökonomisch schwacher Staaten künstlich hoch zu halten, sagte Fabian Gramling (CDU): Dies dürfe kein Dauerzustand sein, diese Praxis müsse zurückgefahren werden und Europa brauche wieder eine vernünftigere Geldpolitik. Um eine Abwärtsspirale mit ungewissem Ende zu verhindern, müsse das europäische Finanzsystem durch eine zwingende Entkoppelung von Staat und einheimischer Bank zukunftsfest gemacht werden. Die EU-Verordnung sei keine Einführung von Eurobonds durch die Hintertür.

Opposition gegen Einführung der SBBS

Aus Sicht von Bernd Grimmer (AfD) schafft die EU-Kommission ein Instrument, um die EZB von den Folgen ihrer Fehlentscheidungen zu befreien und „die Rechnung letztlich beim deutschen Steuerzahlen unterzubringen“. Es sei offensichtlich, dass Risiko und Kosten für das währungspolitische Versagen von EZB, EU und der deutschen Politik sozialisiert werden sollen. Der Bundesrat habe am 21. September erhebliche Bedenken gegen die Einführung der SBBS geäußert.

Peter Hofelich (SPD) warf den Grünen vor, die Behandlung der Verordnung im Landtag verschoben zu haben. Er zitierte Formulieren aus dem Bundesratsbeschluss wie „Wir sehen Schwächen“, „Die Platzierbarkeit ist fraglich“, „Der Bundesrat bezweifelt es“ oder „Wir wollen, dass die Bundesregierung zu einem anderen Ergebnis kommt, als das, was die Kommission bisher vorgelegt hat“.  Auch der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums habe erhebliche Bedanken. Hofelich äußerte Bedenken, ob das Instrument der SBBS richtig ist.

Die FDP fordert von der Landesregierung, dass sie eine ablehnende Stellungnahme formuliert. Erik Schweickert sagte, da die Vergemeinschaft von Schulden mit Deutschland nicht zu machen sei, habe die EU-Kommission nun eben das Modell der SBBS ersonnen. Diese Superanleihen seien aber schon sehr nahe an der staatlich organisierten Neuauflage von Asset Backed Securities, den Instrumenten, die 2008 zur Finanzkrise geführt haben. „Gerade vor dem Hintergrund dessen, was wir bei Lehman erlebt haben, ist zumindest eine gewisse Portion Zurückhaltung sicher nicht der falsche Weg“, warnte der Liberale.


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