Finanzministerin Sitzmann bringt Nachtragsetat ein

21.11.2018 
Von: Wolf Günthner
 
Redaktion
 

Stuttgart. Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) am Mittwoch den ersten Nachtraghaushalt für 2018/2019 im Landtag hat vorgelegt. Dadurch wächst der Haushalt für das laufende Jahr um 2,87 auf 53,42 Milliarden Euro. Für 2019 legt der Etat um 1,74 auf 53,68 Milliarden Euro zu. „Einen solideren, stabileren und nachhaltigeren Haushalt gab es noch nie“, sagte die Ministerin und fügte an: „Wir nutzen die guten Zeiten und machen den Haushalt wetterfest für die Zukunft. Wir tilgen über sechs Milliarden Euro implizite und explizite Schulden und erhöhen die Zukunftsinvestitionen. Die Richtung stimmt, wir halten Kurs, die Zukunft kann kommen.“ Am 12. Dezember soll der Landtag in zweiter und dritter Lesung den Nachtragshaushalt beschließen.

Grün-Schwarz mache Schluss mit der Politik auf Pump. „Wir sanieren, tilgen und sorgen heute für morgen vor“, erklärte Sitzmann. Im Rahmen der Sanierungsoffensive würden zusätzlich 28 Millionen Euro für Gebäude des Landes und 174 Millionen Euro für kommunale Sanierungen bereitgestellt. Bis 2019 bringe das Land mehr als 2,5 Milliarden Euro für Sanierungen auf. Der Nachtragsetat enthalte auch Tilgungen: Die 1,5 Milliarden Euro Kreditermächtigungen sollen mit Barmitteln ersetzt werden, 400 Millionen Euro Schulden bei der Landesbeteiligung Baden-Württemberg GmbH, würden getilgt. Zu den schon beschlossenen 500 Millionen Euro sollen weitere 500 Millionen Euro Kreditmarktschulden zurückgezahlt werden. Baden-Württemberg ist am Kreditmarkt aktuell mit 46 Milliarden Euro verschuldet. Über die Verwendung von 400 Millionen Euro, die nach der Herbst-Steuerschätzung zur Verfügung stünden, habe der Landtag zu entscheiden. „Bis Ende 2019 tilgen wir mindestens 2,9 Milliarden Euro, ein riesen Batzen“, sagte die Ministerin.

Außerdem will Grün-Schwarz die Rücklagen für Pensionen auf 8 Milliarden Euro im Jahr 2020 gegenüber 2014 verdoppeln. Der Rücklage für Haushaltsrisiken soll im Nachtrag eine Milliarde Euro zugeführt werden. Sitzmann verwies auch auf den im November 2016 geschlossenen Finanzpakt mit den Kommunen, der diesen Planungssicherheit bis 2020 biete; dieser sei der „Hauptgrund für den Nachtragshaushalt“. „Zusammen investieren wir 1,6 Milliarden Euro zusätzlich für Bildung, Mobilität, Integration und Gesundheit“, berichtete die Ministerin. Mit 956 Euro könnten die Kommunen im Südwesten bundesweit die drittniedrigste Pro-Kopf-Verschuldung vorweisen - nach Sachsen und Brandenburg. Von jedem Euro Gemeinschafts-Steuereinnahmen würden in Baden-Württemberg 23 Cent an die Kommunen fließen.

Weiteres Geld soll durch den Nachtragetat in die Bereiche Sicherheit - Auszahlung von Überstunden bei der Polizei und 131 neue Justizstellen -, Mobilität - Erhöhung der Mittel für kommunale Straßen, Radwege und Ausbau von Bus und Bahn, Luftreinhaltung -, Bildung -Kindergartenförderung, frühkindliche Bildung, neue Studienplätze für Grundschullehrer und Mediziner - sowie Forschung - Künstliche Intelligenz, Batterieforschung - fließen.

Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen und der CDU, Andreas Schwarz und Wolfgang Reinhart, verteidigten den Nachtragshaushalt und seine Inhalte. Die Schuldenuhr ticke rückwärts, nach dem Abbau von impliziten Schulden 2017 würden erstmals kräftig Kreditmarktschulden abgebaut, sagte Schwarz. Dies sei eine Investition in die Zukunft und für kommende Generationen, damit diese selbst gestalten könnten. Mit dem Nachtrag werde „maßvoll nachjustiert“. Schwarz will die Kommunen künftig in der Flächen- und Wohnungsbaupolitik „noch aktiver unterstützen“. Die von vielen geforderte Senkung der Grunderwerbsteuer lehnte er erneut ab: „Das ist nicht finanzierbar.“

„Unsere Politik macht Baden-Württemberg fit für das nächste Jahrzehnt“

„Unsere Politik macht Baden-Württemberg fit für das nächste Jahrzehnt“, stellte Reinhart fest. Das Land steige herunter vom Schuldenberg und verpasse der Infrastruktur „eine Fitnesskur“. Durch die 2020 wirksam werdende Schuldenbremse würden sich die haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen „erheblich verschärfen“. Deshalb müsse sich das Land rüsten für die Risiken, die kommen werden. Mit dem Nachtrag rücke das Land noch einmal näher an die Kommunen, durch mehr Mittel für Sanierungen, Bildung und Kinderbetreuung, ÖPNV und Flüchtlingskosten sowie Digitalisierung. Auch Klassenfahrten für Schüler könnten weiterhin voll finanziert werden.

Die Opposition kritisierte den Kurs der Landesregierung. Rainer Podeswa (AfD) warf Grün-Schwarz vor, die Ausgaben im Staatshaushalt zweistellig zu erhöhen: „Sie steigern die Ausgaben um das Sechsfache der Erhöhung der Wirtschaftsleistung“, warf er Grün-Schwarz vor. Die Regierung sei zwischenzeitlich dazu übergegangen, das Steuergeld der Bürger für zweckfreie, ideologische, grüne Projekte zu verbrennen. „Und damit die Zukunft der nächsten Generationen gleich mit“, fügte Podeswa an. Zu den genehmigten 1344 neuen Stellen würden im Nachtrag weitere 625 Beamtenstellen geschaffen, was zu Belastungen von 10 Milliarden Euro führe. Er kündigte „viele Änderungsanträge zu diesem Machwerk“ an.

Andreas Stoch (SPD) wunderte sich, wie die Regierung angesichts sprudelnder Steuereinnahmen die Tilgung von Schulden „als Heldentat verkauft“. Hauptgrund für den Nachtraghaushalt sei die ohne Grund verzögerte Einigung der Gemeinsamen Finanzkommission von Land und Kommunalen Landesverbänden. Das Land habe die Kommunen ein Dreivierteljahr „an der goldenen Leine zappeln lassen“ und erstmals in der Geschichte den Kommunen Planungssicherheit verweigert. Er warf Grün-Schwarz vor, den Kommunen seit 2017 jährliche 250 Millionen Euro wegzunehmen. „Sie lassen die Kommunen im Stich“, kritisierte Stoch. Er forderte die Regierung auf, kostenlose Kita-Plätze landesweit zu ermöglichen. „Das Land soll es bezahlen und das Land kann es auch bezahlen.“  Außerdem könnten durch die Tilgung von 320 Millionen Euro Schulden 10 Millionen Euro Zinsen gespart werden. Damit könnte die „unwürdige Sommerarbeitslosigkeit“ von Lehrkräften, die in den Sommerferien arbeitslos würden, beendet werden. Der SPD-Fraktionschef forderte „endlich“ 320 Millionen Euro für eine Landesentwicklungsgesellschaft, die Wohnraum entwickelt und schafft.

„Was machen Sie, wenn die Wirtschaftskrise kommt?“

Hans-Ulrich Rülke (FDP) bezeichnete den Nachtrag als „nicht zukunftsfest“. Das Land dürfe nicht immer mit einer Hochkonjunktur rechnen wie in den vergangenen zehn Jahren. Auch die Zinsen würden nicht so niedrig bleiben. „Was machen Sie, wenn die Wirtschaftskrise kommt?“, fragte der Liberale in Richtung Finanzministerin. Richtig sei die Einigung mit den Kommunen, die jedoch nach wie vor an vielen Stellen belastet würden. Falsche Politik sei es, immer weiter Stellen in Ministerien auszuweiten. Rülke monierte außerdem Etatposten „zu Propagandazwecken“ sowie den „wunderschönen Begriff“ der impliziten Schuldentilgung: „Warum taufen Sie nicht Ihren ganzen Haushalt mit 54 Milliarden Euro Implizite Schuldentilgung?“. Dieser Begriff sei der Pinocchio der Haushaltspolitik. Das Land müsse deutlich mehr an Kapitalmarktschulden tilgen. Sonst werde es schwierig, wenn die Konjunktur wieder einbricht.


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Titelbild Staatsanzeiger