Auch CDU schließt Bürgerentscheide auf Kreisebene nicht aus

08.05.2019 
Von: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer
 
Redaktion
 

Stuttgart. Die CDU-Fraktion hat bei der Einbringung des FDP-Gesetzentwurfs zur Bürgerbeteiligung auf Kreisebene am Mittwoch im Landtag Entgegenkommen zu einem späteren Zeitpunkt signalisiert. Die Grünen-Fraktion hatte in der vergangenen Legislaturperiode versucht, direkte Demokratie auch in den Landkreisen zu ermöglichen. Dafür gäbe es auch eine Mehrheit im Parlament, weil sich SPD und AfD bereits an die Seite der Liberalen stellen. Allerdings haben Grüne und die bisher ablehnende CDU – wie in Koalitionen grundsätzlich üblich – vereinbart, nicht getrennt im Parlament abzustimmen.

Für die CDU-Fraktion regte der Bruchsaler Abgeordnete Ulli Hockenberger an, die hinter dem Vorstoß der FDP steckenden Pläne noch in dieser Legislaturperiode gemeinsam noch einmal.  In ihrem Koalitionsvertrag waren Grüne und CDU übereingekommen, „Bürgerinnen und Bürger umfassend in die Willensbildung einbeziehen“ und zugleich die in der vergangenen Legislaturperiode neu beschlossenen Instrumente zu überprüfen. Hockenberger empfahl, die Ergebnisse abzuwarten, versprach aber zugleich, es werde einen Zeitpunkt für eine gemeinsame Initiative zur Einführung von mehr Bürgerbeteiligung auch auf Kreisebene geben.

Der zuständige Innenminister mochte sich dieser Haltung der CDU-Fraktion nicht anschließen und kritisierte die Idee grundsätzlich als „nicht zielführend und abzulehnen“. Thomas Strobl verwies darauf, dass Landkreis- und Gemeindetag sich „stichhaltig“ und mit „ernstzunehmenden Argumenten“ dagegen ausgesprochen hatten. Unter anderem wandte er ein, dass einwohnerschwache Teile eines Landkreises überstimmt werden könnten. Außerdem sei der Gesetzentwurf durch „Schwächen in der Ausgestaltung“ gekennzeichnet. Als Beispiel nannte Strobl die fehlende Kostenerstattung für mitbeteiligte Kommunen.

„Die repräsentative Demokratie mit ihren Parlamenten auf Bundes-, Landes- und auf kommunaler Ebene ist der wichtigste Pfeiler unserer demokratischen Grundordnung. Zusätzliche Elemente direkter Demokratie stärken diese Grundordnung und zeugen von einer lebendigen Bürgergesellschaft“, erklärte hingegen Ex-Justizminister Ulrich Goll (FDP). Nachdem es auf kommunaler Ebene und landesweit Elemente direkter Demokratie gebe, fehle diese Möglichkeit weiter auf Ebene der Landkreise: „Diese Lücke wollen wir schließen.“ Damit werde auch eine Ungleichbehandlung der Bürger beendet. Die Einwohner der kreisfreien Städte Baden-Württembergs könnten „nämlich bereits jetzt durch die in der Gemeindeordnung geregelten Instrumente des Einwohnerantrags, Bürgerbegehrens und Bürgerentscheids in einer Weise Einfluss auf politische Sachfragen nehmen, die den Bürgern in den Landkreisen fehlt“.

Auch Nese Erikli (Grüne) sprach sich für die Initiative aus. „Menschen möchten mehr eingebunden werden, und das wirkt der Politikverdrossenheit entgegen“, so die Konstanzer Abgeordnete. Als Beispiel nannte sie, dass in ihrem Wahlkreis eine Geburtsstation geschlossen worden sei trotz des Protests der Bevölkerung, was nach ihrer Ansicht nicht geschehen wäre, hätte es die Möglichkeit eines Bürgervotums schon gegeben. Erikli brachte eine zweite interfraktionelle Arbeitsgruppe ins Spiel, nachdem ihre Fraktion in der vergangenen Legislaturperiode mit ihren Vorstellungen gescheitert war. Außerdem machte sie ausdrücklich klar, dass die Grünen dem FDP-Vorstoß folgen würden, wenn es die Grundsatzeinigung auf ein gemeinsames Abstimmungsverhalten der Koalitionspartner nicht gäbe. 

Vom SPD-Abgeordneten Raimund Hinderer musste sich die größere Regierungsfraktion dennoch scharf kritisieren lassen: „Komischerweise sind es die Grünen, deren ureigenes Thema es immer war, direkte Demokratie voranzubringen, die Grünen, die, kaum sind sie an der Macht, auf Stillstand beharren und sich von der Idee der direkten Demokratie verabschiedet“. Und der Sozialdemokrat kritisierte mit Blick auf das vom Innenministerium gestoppte Kita-Volksbegehren auch den Ministerpräsidenten noch einmal persönlich, denn der habe „jegliche Diskussion im Keim erstickt und von oben verordnet, dass sich jede Diskussion dazu verbietet“. Auch Daniel Rottmann (AfD) kritisierte, dass das von den Sozialdemokraten angestrebte Kita-Volksbegehren durch die Landesregierung abgelehnt Den FDP-Gesetzentwurf, der jetzt in die Ausschussberatungen geht, lobte er dagegen als „wohltuenden Impuls“ für mehr direkte Demokratie.  


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