„Ein sehr nerven- und kräftezehrender Marathon“

26.06.2020 
Redaktion
 

Stuttgart. Der Landtag hat sich ausführlich mit der Entwicklung des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ hin zum „Gesetz zur Änderung des Naturschutzgesetzes und des Landwirtschafts- und Landeskulturgesetzes“ befasst. Bei dessen Einbringung lobte die Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) und Agrarminister Peter Hauk (CDU) nicht nur die Zusammenarbeit in der Koalition, sondern auch die Kompromissbereitschaft der Initiatoren.

„So wichtig und so berechtigt die Intention des Volksbegehrens im Grundsatz war, so konnte die Landesregierung allerdings nicht alle Inhalte eins zu eins mittragen“, sagte Untersteller. Hauk nannte es sogar eine glückliche Fügung, das seine Partei gerade mit den Grünen regiere. Als Beispiele für die Nachsteuerung nannten die Minister den ursprünglichen Paragrafen 34 mit seinem Verbot des Pflanzenschutzmitteleinsatzes in allen Schutzgebieten.

„Wenn man sich das einmal überlegt“, so der Grüne, „beispielsweise für den Weinbau in Baden-Württemberg, wo wir heute eine Fläche von rund 27 000 Hektar haben, von der etwa die Hälfte, plus minus in Schutzgebieten liegt, dann hat man ungefähr eine Vorstellung davon, was das letztendlich bedeutet hätte.“ Auch deshalb sei die Landesregierung im vergangenen Herbst „mit den Landnutzerverbänden in einen intensiven und konstruktiven Dialog eingetreten“. Kurz vor Weihnachten habe der Konsens vorgelegen, „der von einem großen Teil der Beteiligten mitgetragen wird, über ich bin dem Trägerkreis auch sehr dankbar, dass er sich auf unseren Eckpunkteprozess eingelassen hat.

Hauk: Die Lösung und kein Kompromiss

Hauk nannte den Gesetzentwurf „die Lösung und keinen Kompromiss, denn man könnte ja erwarten, dass man, wenn zwei Fronten aufeinandertreffen, versucht, sich irgendwie herauszuwurschteln“. Das sei aber nicht geschehen. Vielmehr seien die zwei Fronten, „die aufeinandertreffen, unterschiedlich bedeutsam sind: die Naturschützer, die die Zielsetzungen des Naturschutzes, des Pflanzenschutzes, des Artenschutzes und des Insektenschutzes verwirklicht sehen wollen und die Landwirte, die dazu nicht zwingend im Gegensatz stehen, die aber existenziell betroffen sind“. Das sei der große Unterschied, „die einen machen das aus Leidenschaft, aus Lust, aus der Verantwortung heraus. Die anderen, die damit wirtschaften, müssen jeden Tag ihr tägliches Brot damit verdienen, die Grundeigentümer, die Pächter oder die Wirtschafter. Deshalb kann es sich nie um Kompromisse handeln, sondern es muss sich um Lösungen handeln. Dieser Gesetzentwurf sei eine Lösung und kein Kompromiss. 

Für die SPD erläuterte Gabi Rolland allerdings mehrere Schwachpunkte aus Sich ihrer Fraktion, darunter “die fehlende Verbindlichkeit und Konkretheit bei verschiedenen Zielen und Festlegungen“, etwa beim Einsatz der Pestizidmengen, und vor allem die Finanzierung. Im Vorblatt des Gesetzentwurfs stehe sinngemäß lapidar: „Die Kosten für den öffentlichen Haushalt können nicht beziffert werden.“ Das stimme, in den Jahren 2020 und 2021 gebe es zwei Mal 30 Millionen Euro zusätzlich für Naturschutz aus. Das werde aber wahrscheinlich nicht ausreichen. Niemand wisse, welche Programme wie ausgestaltet würden.

FDP-Fraktion kritisiert fehlende Ausgewogenheit

Raimund Haser (CDU) sprach von der Schlusskurve „eines sehr nerven- und kräftezehrenden Marathons“. Auf den Weg gebracht werde aber kein „Paradigmenwechsel in der Wirtschafts- und Naturschutzpolitik in Baden-Württemberg, sondern vielmehr eine konsequente und ausgewogene Weiterentwicklung dessen ist, was dieses Land von der ersten Stunde an auszeichnet. Baden-Württemberg sei anders und er wolle selbstbewusst hinzufügen: „Es ist schöner“. Der frühere Kunststaatssekretär Jürgen Walter (Grüne) sieht in dem Gesetzentwurf einen neuen Maßstab bundesweit, weil „Standards für mehr Artenvielfalt auf öffentlichen und privaten Flächen sowie in der Landwirtschaft“ gesetzt und der Gegensatz zwischen Naturschutz und Landwirtschaft endlich überwunden werde.

Daniel Karrais (FDP) kritisierte dagegen die fehlende Ausgewogenheit. Denn das Thema „Artenschutz und Biodiversität, Landwirtschaft und Erhalt der Kulturlandschaft“ sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, „im jetzigen Gesetzentwurf ist ausschließlich die Landwirtschaft der Sündenbock“. Für die AfD-Fraktion nutzte Thomas Axel Palka die Debatte, um der Landesregierung sogar vorzuwerfen, sie betrüge und belüge die Bauern. Wenn das größte ein Prozent der Bauern bundesweit 22 Prozent von drei Milliarden Euro aus der ersten Säule der EU-Förderung bekomm, die ganze untere Hälfte der kleinen Bauern hingegen nur sieben Prozent, „dann müssen wir nicht lange nach der Ursache des Strukturwandels fragen“.


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