Corona-Verordnungen: Opposition wirft Landesregierung falsche Strategie vor

04.11.2020 
Redaktion
 
Foto: Praecker

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STUTTGART. In der von der FDP-Fraktion beantragten aktuellen Debatte zu den jüngsten Corona-Verordnungen, hat die Opposition die Landesregierung  eine fehlende Langzeitkonzept zur Bekämpfung der Pandemie vorgeworden.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke kritisierte die „Jo-Jo-Strategie zwischen Lockern und Shutdown“. Er forderte eine Abkehr von der „Containment hin zu einer Protektionsstrategie“ für Risikogruppen. Die SPD warf der Landesregierung vor, dass sie es sich zu leicht mache. Die AfD hält die Verordnungen ohnehin für „völlig falsch“. Mit den Regierungsfraktionen sprach sich die Mehrheit des Landtags für die Corona-Verordnungen aus.

Rülke: Infektionsschwerpunkte sind nicht Gaststätten und Vereinssport

Für Rülke ist der Befund nicht strittig, dass ein exponentielles Infektionsgeschehen vorliege, die Schlussfolgerungen hält er jedoch für falsch. Die infektionsschwerpunkte sind nach den Worten des FDP-Fraktionschefs nicht im Hotel- und Gaststättengewerbe, im Vereinssport oder bei Kulturveranstaltungen, sondern im privaten Bereich. Er warf den Länderchefs vor, dass sie sich für den Lockdown problemlose Bereiche herausgesucht hätten, weil sie bei den von Kanzlerin Angela Merkel gewünschten Kontrollen im privaten Bereich Ausschreitungen befürchtet hätten.

Die FDP tritt für differenzierte Maßnahmen und eine Langzeitstrategie ein. Diese sollte sich an der Zahl der Tests, dem Anteil der signifikant Erkrankten und den Behandlungskapazitäten der Kliniken ausrichten und Schutz für besonders Gefährdete. Rülke forderte Schnelltests für Personal und Besucher von Alten- und Pflegeheimen sowie eine Weiterentwicklung der Corona-Warn-App. . Als „Versäumnis des Sommers“ bezeichnete er es, genügend Pflegepersonal bereitzustellen.

SPD trägt Maßnahmen grundsätzlich mit

SPD-Fraktionschef Andreas Stoch signalisierte, dass seine Fraktion die Maßnahmen grundsätzlich mitträgt“. Nach seiner Ansicht „kann man vieles besser machen“. Er bemängelte „handwerkliche Fehler“ und kritisierte, dass die Verordnungen am Sonntagmittag wie im Frühjahr zu kurzfristig gekommen seien. „Die Menschen erwarten ein ordnungsgemäßes Krisenmanagement“, so Stoch. „Wir brauchen Antworten über den November hinaus“, fügte er hinzu. Es reiche nicht, abzuwarten.

Stoch verlangte zusätzliche Maßnahmen im Gesundheitswesen, im Bildungsbereich und beim Arbeitsschutz. Es genüge nicht, in der Schule die Fenster aufzureißen, kritisierte er. Die SPD will nicht nur 1.000 zusätzliche Lehrerstellen, sondern auch Luftfilteranlagen für die Schulen. Außerdem fordern die Sozialdemokraten mehr Personal für den Gesundheitsdienst und konsequente Konzepte beim Arbeitsschutz. „Es geht genauer, effektiver und klarer“, sagte Stoch.

AfD: Risikogruppen schützen, aber eigenverantwortlich

Aus der Sicht der AfD hat die Landesregierung mit den Maßnahmen die vielen Einzelhaushalte in „Isolationshaft“ genommen. Nach Ansicht von Fraktionschef Bernd Gögel gilt es, die Risikogruppen zu schützen, aber eigenverantwortlich. Genauso wie die Stoffmasken lehnt die AfD die Verordnungen „grundsätzlich ab“. Ihrer Ansicht nach fehlt eine „Strategie für die kommenden Jahre“.

Hans-Ulrich Sckerl von den Grünen hielt den Kritikern entgegen, dass angesichts des Anstiegs der Infektionszahlen Schnelle und harte Maßnahmen zu treffen, „um der Pandemie jetzt die Breite und Wucht zu nehmen“. Die Nachverfolgung der Infektionen zu gewährleisten, hält er für die zentrale Aufgabe. Für Sckerl geht es um die Eindämmung sozialer Kontakte. Da Schule und Betriebe weiterlaufen sollen, würden andere Bereiche heruntergefahren. Er versprach ergänzendes Engagement für Kunst und Kultur, Vereine, Gastronomie und Hotellerie.

Auch Stefan Teufel von der CDU verteidigte die Maßnahmen als notwendig, weil die Pandemie nach kurzer Sommerpause „mit bisher nicht gekannter Wucht zurück ist“. Schnelles Handeln ist für Teufel unausweichlich. Schon jetzt werden seinen Angaben zufolge 1100 Corona-Patienten in den Kliniken in Baden-Württemberg behandelt. Mit den Maßnahmen würden die Einschnitte für die Wirtschaft so gering wie möglich gehalten, betonte er.

Alle Debatten vom 4. November 2020

Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) verwies auf eine Anfrage aus dem österreichischen Vorarlberg zur Übernahme von Patienten, um den Ernst der Lage zu verdeutlichen. Jetzt seien 8,7 Prozent der Getesteten positiv, im Sommer bei den Reiserückkehrern seien es 0,8 Prozent gewesen. Die von der FDP vorgeschlagenen Protektionsmaßnahmen hält er nicht für ausreichend. „Wenn es nicht gelingt, die Pandemie im Keim zu ersticken, werden gefährdete Gruppen nicht ausreichend geschützt“.  Die Maßnahmen seien „eindeutig begrenzt“, so Lucha. „Nur im Freizeitverhalten der Menschen setzen wir an“, sagte er und kündigte an, die Teststrategie deutlich zu präzisieren.


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Titelbild Staatsanzeiger