Nach Bund-Länder-Treff: Kretschmann ist bei Öffnung mulmig zumute

05.03.2021 
Redaktion
 
Foto: dpa/Sven Simon/Fran Hoermann/SVEN SIMON

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STUTTGART. CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart nutzte die letzte Corona-Sondersitzung vor der Landtagswahl, um seine Partei offensiv als Koalitionspartner nach dem 14. März anzubieten: Die grün-schwarze Komplementärkoalition habe „eine starke Leistungsbilanz“ vorzuweisen und sei „ein klarer Plan für die Zukunft“ als ein "Modell des Ausgleichs, der Verantwortung und des Vertrauens“. Auf diesen "Erfolgsweg" könnten alle stolz sein, die daran mitgewirkt hätten. 

Auf der Tagesordnung standen die Entscheidungen der Bund-Länder-Runde vom vergangenen Mittwoch. Das seien „maßvolle Schritte“, so Reinhart, "hinaus aus der Pandemie und zurück hinein ins Leben". Seine CDU-Fraktion unterstütze das: „Daran arbeiten wir im Land als Koalition, und zwar mit ganzer Kraft und in großer Geschlossenheit.“

Zuvor hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann in seiner Information des Landtags über die Ergebnisse der Konferenz mit der Bundeskanzlerin die Zwangslage beschrieben, in dem sich Bund und Länder befänden: „Hinter uns liegen lange Wochen des Lockdowns, vor uns liegt eine mögliche dritte Welle, und das führt uns ins Dilemma.“ Stundenlang sei deshalb um einen Weg gerungen worden. Alle Menschen sehnten sich nach einem Ende des Lockdowns, aber: "Wenn wir jetzt zu unvorsichtig öffnen, gehen die Infektionszahlen durch die Decke."

Kretschmann appeliert an Verzicht von Einkaufstourismus

Aus seinem Respekt vor einzelnen Entscheidungen machte der Grüne kein Hehl, etwa wenn er an die Bürger und Bürgerinnen appellierte, auf "Einkaufstourismus" über die eigene Kreisgrenze hinweg zu verzichten. Von vielen Seiten seien regionale Lockerungen je nach Infektionszahlen gewünscht worden, jetzt „wollen wir auf die Vernunft der Menschen setzen“. Kretschmann sieht ein "gewisses Risiko" darin, die Öffnung der Geschäfte an die Inzidenz der Kreise zu knüpfen. Sollte sich die Regelung nicht bewähren, müsse sehr schnell die Notbremse gezogen werden.  Grün-Schwarz hatte sich am Donnerstagabend darauf verständigt, dass in Kreisen mit stabilen Werten unter 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner in sieben Tagen unter anderem der Einzelhandel wieder öffnen darf.

Auf die Landtagswahl und mögliche Koalitionen ging Kretschmann nicht ein, unerwähnt ließ er auch die neuesten Zahlen der Forschungsgruppe Wahlen, die den Grünen (35 Prozent) inzwischen einen Vorsprung von elf Prozent vor der CDU zuschreibt. Als „Bilanzpressekonferenz“ karikierte jedoch SPD-Spitzenkandidat Andreas Stoch die Rede Reinharts, der sich offenbar „intensiv mit Zahlen beschäftigt und jetzt den Plan B ausgerufen hat: Der Führungsanspruch der CDU Baden-Württemberg ist endgültig perdu“.  Es reiche ihr, wenn sie in einer grün-schwarzen Regierung "ein bisschen weitermachen darf“. Allerdings ließen sowohl Stoch als auch FDP-Fraktionschef Hans Ulrich Rülke in ihren Redebeiträgen durchblicken, dass auch ihre Fraktionen stark an einer Regierungsbeteiligung interessiert sind.

Rülke für flächendeckende Öffnung des Einzelhandels

In der Sache verlangte Rülke eine flächendeckende Öffnung des Einzelhandels: „Verhindern Sie einen Flickenteppich mit der Gefahr des Einkaufstourismus zwischen den Kreisen, das führt zu mehr Kontakten.“ Noch immer orientiere sich die Landesregierung zu stark nur an Inzidenzwerten, so Rülkes Kritik, es fehle die Differenzierung. Seine Forderung: „Angesichts fortschreitender Impfung, Verfügbarkeit von Tests und FFP2-Masken könnten wir endlich zur Protektionsstrategie übergehen bei Einhaltung der Maßnahmen mit Abstand, Hygiene und Maske.“ Die meisten Infektionen entwickelten sich nach wie vor erkennbar im privaten Bereich. Deshalb sei es schlicht Unfug und nicht vermittelbar, einerseits private Kontakte lockern und andererseits den Handel geschlossen zu halten.

Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz ging auch auf die Schulöffnungen ein und machte deutlich, dass seine Fraktion – anders als Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) – den Wechselunterricht für die fünften und sechsten Klassen ab 15.März favorisiert. Nochmals zu den Schulöffnungen. Bei den weiterführenden Schulen habe ich frühzeitig zur Vorsicht gemahnt. Die sei ein wichtiger erster, aber auch ein vorsichtiger Schritt, den „wir Grüne sehr begrüßen“. Für die AfD rechnete der Fraktionschef und Spitzenkandidat Bernd Gögel mit der Corona-Politik insgesamt ab. „Wir haben uns von Anfang an gegen diese Lockdowns ausgesprochen“, so Gögel, „und verlangen einem realistischen und bürgernahen Umgang mit der Ausbreitung des Coronavirus und den Bürgern ihre Grundrechte zurückzugeben.“


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Titelbild Staatsanzeiger