„Erst zahlen, dann fahren!“

24.03.2011 
Redaktion
 
International verständlicher Hinweis für potenzielle Tankbetrüger
Foto: Rochlitz

Göppingen. Wer sein Auto betankt, ohne die Rechnung zu bezahlen, begeht Betrug. Und solche Fälle sind gar nicht so selten. Im Landkreis Göppingen wurde deshalb jetzt ein landesweit einmaliges Präventionsprojekt gestartet: Schilder und Hinweise auf den Tankstutzen sollen an den Autobahn-Tankstellen Gruibingen und Aichen die Autobesitzer an ihre Zahlungspflicht erinnern.

An Autobahn-Tankstellen herrscht häufig viel Betrieb. In der Masse fühlt sich offenbar mancher Autofahrer anonym genug, um wegzufahren, ohne den Geldbeutel zu zücken. Schließlich kann man über die Autobahn auch schnell das Weite suchen, ist rasch viele Kilometer entfernt. Juristisch handele es sich hierbei um einen Betrug, erklärt Ralf Theise, Leiter des Autobahnpolizeireviers Mühlhausen.

Und solche Delikte machen ihm und seinen Kollegen schwer zu schaffen. Allein an der Tankstelle Gruibingen hat Pächter Erich Kaul im vergangenen Jahr 191-mal Anzeige erstattet. Der Schwerpunkt liege in der Ferien- und Reisezeit. Und auch 2011 wurden bisher bereits wieder mehr als 40 Fälle gezählt.

Dabei sind die Autobahn-Tankstellen vergleichsweise gut gesichert: Acht Kameras auf dem Dach beobachten in Gruibingen die Kunden beim Tanken, worauf an den Tanksäulen auch hingewiesen wird. Doch selbst dies scheint manche nicht zu schrecken. Übrigens handle es sich bei den Nichtzahlern meist um Pkw-Fahrer. Auf rund 95 Prozent schätzt Kaul den Anteil. Auf durchschnittlich etwa 50 Euro belaufe sich der nicht bezahlte Bon.

Häufig werde Vergesslichkeit angeführt, wenn die Täter ermittelt werden konnten, sagt Theise. Letzteres ist allerdings genau der Knackpunkt: Herauszufinden, wer sich unberechtigt am Benzin bedient hat, sei enorm aufwändig, betont Theise. Zunächst müsse der Betreiber seine Videoaufnahmen auswerten. Mit der Beweissequenz und dem nicht bezahlten Tankbeleg könne dann Anzeige erstattet werden. Ist das Kennzeichen sichtbar, ermittele die Polizei den Halter.

Von 191 Fällen wurden 2010 lediglich 70 aufgeklärt

Schwieriger werde es jedoch bei ausländischen Fahrzeugen, so Theise. Und nicht selten handle es sich um ein gestohlenes Kennzeichen – dann wird der Ermittlungserfolg eher zur Ausnahme. Das erklärt, warum von den 191 Fällen im vergangenen Jahr lediglich 70 aufgeklärt wurden. Leidtragende sind nicht nur die Tankstellenpächter und die Mineralölkonzerne. Kaul verweist darauf, dass dem Staat Steuereinnahmen verloren gingen. Und auch die Arbeit der Polizisten hat ihren Preis. Die Kosten der eigenen Dienststelle beziffert Kaul für 2010 auf rund 7000 Euro.

Im Kreis Göppingen will man sich mit dieser Situation nicht mehr abfinden. Deshalb habe man bei der Landespolizei nachgefragt, ob es bereits Projekte in diesem Bereich gebe, berichtet Jürgen Aspacher. Der Kriminalhauptkommissar leitet die Beratungsstelle der Polizeidirektion Göppingen und ist zugleich Geschäftsführer des Vereins „Initiative sicherer Landkreis“. Nachdem klar war, dass es bisher nichts Derartiges gibt, habe man entschieden, selber ein Pilotprojekt auf die Beine zu stellen.

Die Autofahrer sollten auf ihre Zahlungsverpflichtung ausdrücklich hingewiesen werden. Ziel sei gewesen, die Informationen international leicht verständlich zu gestalten, so Aspacher. Deshalb arbeite man vorrangig mit Bildern. Aufgrund des relativ begrenzten Platzangebots müsse die Botschaft außerdem kurz und prägnant sein.

Die Schilder sprechen eine klare Sprache: Unter drei auf den Betrachter gerichteten Kameras ist eine Art mathematischer Gleichung dargestellt. Die Hand am Tankstutzen ergibt in der Addition mit zwei Geldscheinen als Summe den erhobenen Daumen – ein allgemein verständliches Zeichen für „alles okay“. Die verwendeten Worte sind begrenzt: „Erst zahlen, dann fahren!“ Und: Don’t forget to pay!“ – so lautet die knappe Botschaft. Habe man zunächst mit dem erhobenen Zeigefinger arbeiten wollen, sei man schließlich dazu übergegangen, die Aussage lieber positiv zu formulieren, erklärt Aspacher. Neben den Schildern wurde die Darstellung auch auf den Tankstutzen angebracht. „Dort muss schließlich jeder hinschauen“, sagt Aspacher.

Bis Ende des Jahres sollen die Auswirkungen des Projekts beobachtet werden. Erziele die Aktion Wirkung, könne sie leicht auf den gesamten Landkreis ausgeweitet werden, erklärt Aspacher. Denn auch außerhalb der Autobahn-Tankstellen habe es im vergangenen Jahr im Kreis Göppingen etwa 70 Fälle von Tankbetrug gegeben. Die Kosten für das Projekt seien bisher vergleichsweise gering gewesen: Wenige hundert Euro habe die Entwicklung der Kampagne inklusive des Motivs gekostet. Die Kosten wurden vom Verein „Initiative sicherer Landkreis Göppingen“ getragen.


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