KEHL. Spannung liegt in der Luft – die Nerven sind zum Zerreißen gespannt. Sie schließt die Augen, atmet tief durch. Dann holt sie zum Schlag aus – einmal – zweimal – endlich, beim dritten Schlag sitzt der Hahn im Fass und das kühle Blonde sprudelt heraus. Doch es handelt sich hier nicht um das jährliche Oktoberfest des örtlichen Fußballvereins, sondern um die Vertiefung „Kommunalpolitik“ im Bachelorstudium „Public Management“ der Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl. Hier lernen 24 Studierende die wohl wichtigste Kompetenz für das höchste Amt auf der kommunalen Ebene: den Fassanstich.
Nein, im Ernst: Das Vertiefungsstudium Kommunalpolitik bereitet schwerpunktmäßig auf eine Tätigkeit als Hauptamtsleitung, Kämmerer/Kämmerin aber auch als Bürgermeister/Bürgermeisterin vor.
Neben Kommunal-, Zivil- und Verwaltungsrecht ist in den Vorlesungen auch immer wieder die – in der kommunalen Praxis viel zu wenig gelebte – nachhaltige Haushaltswirtschaft Thema. Diese sollte nicht nur die Finanzabteilung, sondern auch die Rathausspitze beherrschen.
Auch ganz praktische Fertigkeiten sind Teil des Lehrplans: In Gesprächsführung beispielsweise, erleben die Studierenden in Rollenspielen hautnah, was es heißt, mit unangenehmen Situationen konfrontiert zu werden.
Egal ob familienfreundliche Kommune, Bürgerbeteiligung oder Politikwissenschaften im Blick der Kommunalpolitik - ehemalige und aktuelle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus ganz Baden-Württemberg geben ihren reichen Erfahrungsschatz zu allen relevanten kommunalpolitischen Themenfeldern an die 24 potentiellen Schultheißen weiter.
Dass Breitbandausbau und Digitalisierung in den verschiedenen Regionen des Landes unterschiedlich schnell voranschreiten erfahren die Studierenden dabei am eigenen Leib: Pandemiebedingt findet das Semester ausschließlich online statt und nicht nur in ländlichen Gebieten sind Verbindungsabbrüche oder verpixelte Auflösungen bei den Videokonferenzen keine Seltenheit. Diesem Thema möchten sich die künftigen Lokalpolitiker daher auch bevorzugt widmen.
Doch auch ohne ein Studium an der Hochschule Kehl können neugewählte Bürgermeister umfassendes Wissen für ihre zukünftige Rathaustätigkeit erwerben: Das Kehler Institut für Fort- und Weiterbildung bietet einmal jährlich einen speziellen Kurs für diese Zielgruppe an.
Für die Büsinger Bürgermeisterin Vera Schraner ist das Seminar „ein Gewinn in jeglicher Hinsicht: Kompetente Referenten, praxisnahe Beispiele und der anregende Austausch unter Kollegen“. „Die Teilnahme am Seminar für neugewählte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister war für mich als Quereinsteigerin der optimale Start in dieses spannende Amt.“ Die Wissensvermittlung übernehmen auch hier neben Dozierenden der Hochschule wiederum aktuelle und ehemalige Rathauschefs. Wem das Seminar in Hegne am Bodensee nicht ausreicht, hat künftig die Möglichkeit in unterschiedlichen Schwerpunktseminaren wie „Innovationen initiieren und umsetzen“ oder „Zusammenarbeit: Gemeinderat und Bürgermeister“ seine frisch gewonnenen Kompetenzen umfassend zu erweitern.
Ob die Teilnehmer des „Fassanstichseminars“ später wirklich einmal erfolgreich als Bürgermeisterin oder als Bürgermeister kandidieren werden, ist längst nicht sicher. Der Besuch der als „Kaderschmiede für Bürgermeister*innen“ bekannten Kehler Hochschule ist keine Garantie dafür, an die Spitze eines Rathauses gewählt zu werden: Am Ende entscheiden neben der fachlichen Qualität vor allem das Menschliche – und das kann keine Hochschule der Welt vermitteln.
Ein Bericht von Sandra Feria Olid, Florian Kienzler, Markus Höhe, Tobias Holzer und Philipp Meister. Die Autoren studieren „Public Management“ im sechsten Semester an der Hochschule Kehl und belegen das Vertiefungsstudium „Kommunalpolitik“, in dem auch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gelehrt wird. Alle Artikel der Studierenden finden Sie im Überblick.