STUTTGART. Das Ministerium des bei der Landtagswahl 2016 unterlegenen CDU-Spitzenkandidaten Guido Wolf hat mit Justiz, Europa und Tourismus die größte thematische Spannbreite. Als Sammelsurium war die Konstruktion kritisiert worden, tatsächlich hat das Ressort in allen drei Bereichen gepunktet.
Das Ministerium hat gemeinsam mit Staatsrätin Gisela Erler (Grüne) und auf Basis mehrerer Gesprächsrunden mit Bürgern eine neue Europa-Strategie entwickelt. Das ist bundesweit einmalig. Im Winter 2019 haben Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Wolf ihr Europa-Leitbild auch dem damaligen Präsidenten der Europäischen Union Jean-Claude Juncker übergeben. Unter anderem soll danach die EU genauer prüfen, ob sie für einen geplanten Gesetzesvorschlag auch eine spezifische Rechtsgrundlage im Vertrag hat. Im Gegenzug verpflichtet sich die Landesregierung, „EU-Recht in dem von der EU gesetzten Rahmen umzusetzen, ohne erhebliche regionale Regelungen draufzusatteln“.
Zentrales Thema sind grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf allen infrage kommenden Ebenen und der Kampf gegen den aufkeimenden Nationalismus.
In den ersten Monaten mussten viele Beschäftigte im Justizministerium bis hoch zum Minister sich so manches anhören, vor allem weil dem Haus am Schillerplatz in Stuttgart auch der Tourismus zugeschlagen wurde. Die bissige Kritik von „der Knastreise“, die ja organisiert werden könnte als baden-württembergische Spezialität, machte die Runde. Schlussendlich haben sich der Minister und die Hausspitze aber in allen Sätteln als durchaus sicher erwiesen.
Im Tourismus spielten Minister Wolf zum Beispiel die immer neuen Boomjahre und Steigerungsraten – vor Corona – in die Hand. Aktuell liegt eine Studie vor, wonach die Pandemie-Folgen allein zwischen März und Mai rund 5,5 Milliarden Euro betragen.
Die Fachleute des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr erwarten in ihrer Analyse im Auftrag des Ministeriums außerdem eine Erholung erst 2022. Wolf spricht von einem „enormen Schaden“.
Bereits vor dem Corona-Ausbruch sind Angebote unter dem Stichwort „Wilder Süden“ und „Entspannter Süden“ entwickelt worden. „Insgesamt nehmen besonders die Reisen im eigenen Land zu“, sagte Andreas Braun, Geschäftsführer der Tourismus Marketing, im Januar. Ihm zufolge legten die Übernachtungen von Ausländern um 3,3 Prozent zu, die von Inländern sogar um 4,4 Prozent. An allererster Stelle der Statistik stehe in Baden-Württemberg der baden-württembergische Gast.
Baden-Württembergs Gefängnisse waren nach den Angaben zum Jahresende 2019 fast zur Gänze ausgelastet. Auf 7445 Plätze kamen 7195 Gefangene, gegenüber 6402 im November 2015. Inzwischen ist die Zahl wieder gesunken. Bundesweite Beachtung fand die Bürgerbeteiligung rund um den Neubau der Justizvollzugsanstalt in Rottweil und der Umgang mit der steigenden Zahl älterer Häftlinge. Nach Angaben des Justizministeriums waren im Februar dieses Jahres von insgesamt 5643 Häftlingen im Land 291 Menschen 60 Jahre oder älter. Das entspricht 5,2 Prozent. Diese Entwicklung stelle den Justizvollzug vor neue Herausforderungen, so der Minister. In verschiedenen Gefängnissen, darunter in Bruchsal, Stuttgart, Heilbronn oder Mannheim, stehen spezielle pflegerische Angebote oder Beschäftigungsmöglichkeiten bereit.
Im Doppelhaushalt für die Jahre 2020/2021 wurden weitere 175 Neustellen im Vollzug geschaffen, für die Wolf auch im Internet warb. Denn: „Neue Stellen für den Justizvollzug sind natürlich schön, aber man muss sie auch besetzen können.“ Auch für die Gerichte wurden mehrfach neue Stellen geschaffen – sowohl für Richter als auch in der Verwaltung. Minister Wolf bekam Lob für sein Engagement, die Personalsituation zu entspannen.
Gerade die Verwaltungsgerichte (VG) klagten angesichts der hohen Zahl von Asylverfahren über eine zu hohe Belastung. Zwei Zahlen stehen für die Entwicklung: Allein am VG Karlsruhe sind 2017 über 14 000 neue Asylklagen eingegangen, von denen zwei Drittel ins Folgejahr verschoben werden mussten.
Im nächsten Teil unserer Bilanz geht es um die Finanzpolitik.
Was im Koalitionsvertrag steht
„Der demokratische Rechtsstaat lebt von einer bürgernahen und leistungsfähigen Justiz. Ihre Unabhängigkeit ist Voraussetzung für die Sicherung des Rechtsfriedens in unserer Gesellschaft“, heißt es im Koalitionsvertrag. Durch eine kluge, effiziente Justizstandortpolitik und eine angemessene, moderne Ausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften werde man flächendeckend den Justizgewährungsanspruch, den Anspruch des Einzelnen, sichern, „zur umfassenden Wahrung seiner Rechte ungehindert die staatlichen Gerichte in Anspruch nehmen zu können“. Der Zugang zu Recht und Justiz müsse allen offenstehen.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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