Verkehrsministerium: Verkehrspolitik sorgt für viele Diskussionen

28.08.2020 
Redaktion
 
Foto: dpa

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STUTTGART. In keinem anderen Ressort sind kleine wie große Entscheidungen koalitionsintern derart umstritten wie im Verkehrsministerium. Ressortchef Winfried Hermann (Grüne) will die Mobilität grundlegend verändern. Corona spielt ihm in die Karten.

KOMMT DIE VERKEHRSWENDE VORAN?

Auf jeden Fall erlebt der Radverkehr einen Boom, im Alltag und in der Freizeit. Das Ziel, den Anteil bis 2020 an 16 Prozent heranzuführen, wurde allerdings verfehlt. Jetzt sollen binnen eines Jahrzehnts 20 Prozent erreicht werden. Die Landesregierung hat, schon vor Corona, die Fördermittel aufgestockt.

Für 50 Radschnellwege im Land mit einer Gesamtlänge von rund tausend Kilometern sind die Machbarkeitsstudien erstellt, Planungen laufen. Die erste Verbindung zwischen Böblingen/Sindelfingen und Stuttgart auf einer alten Panzerstraße wurde 2019 eröffnet. Und der Minister kann berichten, dass inzwischen sehr viele Kommunen an Schnellwegen interessiert sind, auch um Pendler zu einem Umsteigen aufs Rad zu bewegen. Das Thema treffe „den Nerv der Zeit“. Luft nach oben ist allemal. Nach einer bundesweiten Mobilitätsstudie lag der Radanteil 2017, sechs Jahre nach Amtsantritt eines grünen Verkehrsministers, bei zehn Prozent.

WIE STEHT ES UM DEN SCHIENENVERKEHR?

Noch immer rückt regelmäßig Stuttgart 21 in den Blick. Zahlreiche Verbesserungen sind erreicht. Das Verkehrsministerium hat einen Ergänzungsbahnhof als kleinen Kopfbahnhof knapp unterhalb der heutigen Gleisanlagen ins Gespräch gebracht, um den zu erwartenden Kapazitätsproblemen zu begegnen.

Ebenfalls ein Dauerthema ist der regionale Bahnverkehr. Die AfD-Fraktion forderte im Februar sogar Hermanns Rücktritt angesichts der seit Jahren anhaltenden Probleme, der Verspätungen, Zugausfälle und überfüllter Waggons. „Das Chaos hat einem Namen: Winfried Hermann“, postet auch CDU-Generalsekretär Manuel Hagel. In einer hitzigen Landtagsdebatte mochte der die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen, sondern machte für die Probleme die sanierungsbedürftige Infrastruktur der Bahn verantwortlich und Lieferschwierigkeiten der Zughersteller. „Ich lasse mir nicht alle Probleme, die in diesem System vorhanden sind, in die Schuhe schieben“, so Hermann. Bahnexperten erwarten, dass sich die Umstrukturierung mittel- und langfristig als Erfolg verbuchen lassen wird.

WAS UNTERNIMMT DAS LAND GEGEN DEN SANIERUNGSSTAU?

2019 wurde beschlossen, die Mittel für die kommunale Infrastruktur auf jährlich 320 Millionen Euro zu verdoppeln. Dank des neuen Landesgesetzes zur Gemeindeverkehrsfinanzierung fließen 60 Prozent der Fördermittel in den öffentlichen Verkehr sowie den Fuß- und Radverkehr und 40 Prozent in den Straßenbau. Verankert wurden viele Veränderungen, etwa dass die Planungskosten der Kommunen bezuschusst und bis zu 75 Prozent der Kosten eines Projekts finanziert werden, wenn es dem Klimaschutz dient oder barrierefrei ist.

WIE HAT SICH DIE AUSEINANDERSETZUNG UM FAHRVERBOTE ENTWICKELT?

Nach den Zahlen, Daten und Fakten der Karlsruher Landesanstalt für Umwelt ist die Luft an allen neuralgischen Punkten, auch im Stuttgarter Talkessel, in Heilbronn und in Reutlingen, besser geworden. Die Grünen verweisen gern darauf, dass Umweltzonen, die Fahrverboten zugrunde liegen, nicht ihre Erfindung sind, sondern 2008 von der CDU-Umweltministerin Tanja Gönner zur Senkung des Schadstoffausstoßes eingeführt wurden.

Ein Lackmus-Test für die Fahrverbote war gerade in der Landeshauptstadt die Kommunalwahl, in die CDU und FDP mit scharfer Kritik an den Fahrverboten gezogen waren. Danach wurden die Grünen wieder stärkste Fraktion im Gemeinderat. Gegenwärtig streiten Hermann und CDU um ein Gutachten.

CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart hatte kürzlich verlangt, „so bald wie möglich ein Gutachten in Auftrag zu geben“, um zonale Euro-5-Diesel-Fahrverbote abzuwenden und die Ist-Werte der Luftschadstoffe für das Jahr hochrechnen zu können. Der Angesprochene fand solche Forderungen „höchst irritierend, da wissenschaftlich fundierte Prognosen vor vielen Wochen in Auftrag gegeben worden sind, und das weiß auch die CDU“. Die Ergebnisse sollen bis Ende September vorliegen. Auch die Grünen hoffen, auf deren Basis weitere Fahrverbote gerichtsfest vermeiden zu können.

 

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Im nächsten Teil unserer Bilanz geht es um das Ministerium für Ländlichen Raum.

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„Wir wollen Baden-Württemberg zum Wegbereiter einer modernen und nachhaltigen Mobilität der Zukunft machen. Baden-Württemberg ist als Automobilland geprägt durch eine innovative Fahrzeug- und Mobilitätsindustrie. Diese Erfolgsgeschichte wollen wir fortschreiben und ein neues Kapitel der Mobilität aufschlagen. [...] Wir werden die Konzeption und Umsetzung von Radschnellwegen unterstützen. Wir werden die Ausstattung von Landesstraßen mit Radwegen in einer schlüssigen Netzkonzeption verbessern und die Voraussetzungen für ein systematisches Erhaltungsmanagement schaffen. Der Schlüssel für das Wachstum des Radverkehrs liegt in den Kommunen.“


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