Kultusministerium: Zwischen Schulpolitik und Wahlkampf

02.10.2020 
Redaktion
 
Foto: dpa/Gregor Fischer

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STUTTGART. Kultusministerien stehen traditionell unter besonderer Beobachtung, weil Bildung neben der Inneren Sicherheit als wichtigste Kompetenz der Länder gilt. Für Ressortchefin Susanne Eisenmann (CDU) wurde im Lauf der Legislaturperiode schnell klar, dass sie auch Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl 2021 werden will – mit Auswirkungen auf die Kernaufgaben.

Wo fallen der Koalition Kompromisse besonders schwer?

Gerade erst hat die Ministerin im Landtag, sehr persönlich, dargestellt, wie komplex die Debatte rund um die von den Grünen ohne Für und Wider unterstützte Ganztagsschule ist. Es sei kein Geheimnis, dass sie selber den strengen, den gebundenen Ganztag nach Paragraf 4a Schulgesetz schätze: „Ich habe noch nie etwas anderes vertreten“ und als Stuttgarter Schulbürgermeisterin auch entsprechend gehandelt. Selbst in der Landeshauptstadt, erst recht aber in ländlichen Regionen, hätten viele Eltern allerdings andere Vorstellungen, wünschten sich mehr Flexibilität und nur eine Betreuung am Nachmittag. Das heiße Wahlfreiheit, und dem habe die Landesregierung entsprochen, denn „Politik darf nicht mit dem Kopf durch die Wand“.

Zugleich aber muss sich Grün-Schwarz vorhalten lassen, dass – schon allein aus Kostengründen – Elternwünsche und Wahlfreiheit auf dem Weg zum Abitur nicht berücksichtigt wurden. Es gibt G9 weiter nur an 44 Modellstandorten.

Wie steht es um den Unterrichtsausfall?

Das Thema begleitet Bildungspolitiker seit vielen Jahren. Auch aktuell sind Lehrkräftestellen unbesetzt, vor allem an Grundschulen und selbst in Regionen, wie Stuttgart oder Freiburg, die früher als attraktiv galten. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wird nicht müde darauf hinzuweisen, dass gerade Großstädte jungen Lehrern inzwischen zu teuer sind.

Konnte dem Stau in der Schulbausanierung begegnet werden?

2018 und 2019 flossen – erstmals in einem gemeinsamen Programm von Bund und Land – mehr als eine halbe Milliarde Euro, die mit fast 600 Anträgen allerdings schnell überbucht war. Der Städtetag hat einen Bedarf von mehr als 1,5 Milliarden Euro errechnet. Das Thema ist gegenwärtig auf der Tagesordnung, weil Eisenmann die Kommunen als Schulträger in der Pflicht sieht, Corona-Maßnahmen, wie Lüften, umzusetzen.

Sie habe „kein Verständnis“ dafür, dass sich in Klassenzimmern die Fenster nicht öffnen lassen: „Wir unterstützen die Schulträger finanziell bei Neuinvestitionen in Schulgebäude und bei der Sanierung und erwarten deshalb auch ganz klar, dass die Schulträger ihrer Verantwortung nachkommen.“

Hat sich die neue Struktur im Qualitätsmanagement und in der Weiterbildung bewährt?

Gegründet wurden – in der Nachfolge des selbstständig arbeitenden Landesinstituts für Schulentwicklung – zwei Institute: das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL) und das Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW). Die Aufsicht holte Eisenmann zurück ins Ministerium. Start sollte im März 2019 sein. Unverschuldet, zuerst nach einem Wasserschaden und dann Corona-bedingt, kam das ZSL aber nicht richtig in die Gänge – mit Konsequenzen für die Digitalisierung des Unterrichts und, abgesehen von den technischen Möglichkeiten, der Entwicklung von dringend notwendigen Unterrichtsinhalten und -materialien für alle Klassenstufen und alle Schularten.

Gerade sieht sich Eisenmann zudem der Kritik von Elternvertretungen und Bildungsverbände ausgesetzt, weil sie den Einsatz von Produkten des US-Konzerns Microsoft mit unbestrittenen kommerziellen Interessen im Unterricht erwägt.

Wie läuft die Zusammenarbeit in der Koalition über die Bildung hinaus?

Die Koordination der Koalition ist vom Innen- ins Kultusministerium gewandert. Aufgebaut wurde ein entsprechendes Team auf Arbeitsebene. Als Erfolg lobt gerade Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), den Eisenmann am 14. März 2021 bekanntlich herausfordern wird, die Aufstellung des Nachtragshaushalts. Denn es sei keineswegs selbstverständlich, dass zwei derart unterschiedliche Partner, die sich in einer Landesregierung zusammenfinden mussten, auch am Ende einer Legislaturperiode „so gut miteinander können“.

 

Mehr zum Thema

In der nächsten Folge unserer Bilanz geht es um das Staatsministerium.

 Was zum Ganztag im Koalitionsvertrag steht:
„Ganztagsschulen sind für uns nicht nur wichtig für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sie leisten auch einen wichtigen Beitrag zu Chancen- und Bildungsgerechtigkeit. Wir möchten die Ganztagsschulen und Betreuungsangebote qualitativ und quantitativ ausbauen. [...] Neben den Ganztagsschulen bedarf es weiterhin flexibler und modularer Betreuungsangebote.
Deshalb wird das Land auch weiterhin kommunale Betreuungsangebote durch Zuschüsse unterstützen, wenn sich Schulen nicht für die neue Ganztagsschule, sondern für flexible Betreuungsangebote entscheiden.“


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