Wie soll sich die Schullandschaft weiterentwickeln? Was fordern die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes? Wohin geht die Reise für die Wirtschaft? Und was wollen die Kommunen?
Der Staatsanzeiger hat Verbände nach ihren Wünschen für die neue Legislaturperiode gefragt. Auf dieser Seite stellen wir die verschiedenen Positionen vor.
zu Teil 1| Brigitte Dahlbender, Vorsitzende des BUND Baden-Württemberg
zu Teil 2| Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg
zu Teil 3| Kai Rosenberger, Vorsitzender des Beamtenbunds Baden-Württemberg
zu Teil 4| Martin Kunzmann, Vorsitzender des DGB Baden-Württemberg
zu Teil 5| Steffen Jäger, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg
zu Teil 6| Monika Stein, Landesvorsitzende der GEW Baden-Württemberg
zu Teil 7| Rainer Reichhold, Präsident des Baden-Württembergischen Handwerkstags
zu Teil 8| Wolfgang Grenke, Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags
zu Teil 9| Alexis von Komorowski, Hauptgeschäftsführer des Landkreistags Baden-Württemberg
zu Teil 10| Ralf Kusterer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG)
zu Teil 11| Ursel Wolfgramm, Vorstandsvorsitzende des Paritätischen Baden-Württemberg
zu Teil 12| Gudrun Heute-Bluhm, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetags Baden-Württemberg
Weitere Themen
„Im Natur- und Umweltschutz sind der Verlust an Biodiversität und die Klimakrise die größten Herausforderungen. Die Zeit drängt so sehr, dass Wünsche nicht mehr angebracht sind, sondern nur noch Appelle. Die Ziele der kommenden Legislaturperiode müssen sein: den Klimaschutz spür- und messbar voranbringen und den Verlust der Biologischen Vielfalt stoppen.
Die Erneuerbaren Energien müssen naturfreundlich ausgebaut und die Energieverbräuche drastisch gesenkt werden. Ein CO2-Budget ist festzulegen. Für den Klimaschutz wie auch zur Verbesserung der Lebensqualität in unseren Städten muss endlich die Verkehrswende umgesetzt werden. Die Anzahl der PKWs muss drastisch verringert, alternative Verkehrsträger zügig verstärkt und neue Systeme der Verknüpfung der Verkehrsträger geschaffen werden.
Der Erhalt der biologischen Vielfalt ist Schutz unserer Lebensgrundlage. Wir fordern von der kommenden Landesregierung, dass sie ihre Ziele: Pestizidreduktion, Ausbau Ökolandwirtschaft und Stärkung des Naturschutzes mit konkreten Maßnahmen messbar umsetzt. Die vorhandenen Lebensräume von Tieren und Pflanzen müssen durch den Biotopverbund miteinander verknüpft werden zu einem Netzwerk des Lebens. Die Zersiedelung und die Zerschneidung der Landschaft durch neue Verkehrswege und Baugebiete muss aufhören.“
„Um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise rasch in den Griff zu bekommen, muss die neue Landesregierung wichtige Zukunftsinvestitionen voranbringen. Hoher Bedarf besteht unter anderem im Bereich der Infrastruktur, z.B. im Verkehrswegebau, der Sanierung öffentlicher Gebäude, dem Breitbandausbau sowie der Instandhaltung des Kanalnetzes.
Das Land ist aufgefordert, die Kommunen bei diesen wichtigen Aufgaben durch Investitionsanreize zu unterstützen. Vordringlich ist zudem die Bekämpfung des vielerorts eklatanten Wohnraummangels. Zur Ankurbelung des Wohnungsbaus braucht es bessere Abschreibungsmöglichkeiten und eine Senkung der Grunderwerbssteuer. Baulandausweisungen müssen vereinfacht, aufwendige Planungs- und Baugenehmigungsverfahren beschleunigt und ausgeuferte Bauvorschriften entrümpelt werden. Zusätzlich fordern wir eine Stärkung des sozialen Wohnungsbaus.
Grundsätzlich erwarten wir von der Politik Technologieoffenheit sowie die produktneutrale Förderung aller Baustoffe. Nur so kann das gewaltige Innovationspotenzial des Mauerwerksbaus sowie des Betonbaus im Sinne des nachhaltigen und klimafreundlichen Bauens genutzt werden.“
"Ein angemessenes Gehalt und ein gutes Arbeitsumfeld sind Voraussetzung, um qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den öffentlichen Dienst zu gewinnen. Der BBW erwartet, dass die neue Landesregierung dem wachsenden Personalmangel im öffentlichen Dienst durch attraktive Jobangebote begegnet, Tarifergebnisse zeit- und wirkungsgleich auf die Beamten und Versorgungsempfänger überträgt, endlich die Wochenarbeitszeit im Beamtenbereich reduziert und die Einführung von Lebensarbeitszeitkonten vorantreibt.
Zudem sollten die noch verbliebenen Beamtensonderopfer aus dem Haushaltsbegleitgesetz 2013/14, die in dieser Form ausschließlich in Baden-Württemberg eingefordert wurden, sofort in Gänze zurückgenommen werden. Zu beachten ist außerdem, dass die vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigte Untergrenze für die Alimentation nicht unterschritten werden darf.
Darüber hinaus gilt: Wer in Ballungsgebieten arbeitet, muss mit seinem Gehalt auch die Miete für eine Wohnung bezahlen können. Deshalb wünschen wir uns ähnlich dem bayerischen Modell Staatswohnungen für die Beschäftigten. Gut wäre auch, ebenfalls nach bayerischen Modell, einen ständigen Ausschuss öffentlicher Dienst zu installieren, in dem die Fachkompetenzen der Fraktionen sowie die anstehenden Programme und Verbesserungen für die gesamte öffentliche Verwaltung gebündelt werden."
"Der Stau an öffentlichen Investitionen muss dringend aufgelöst werden. Das heißt konkret: Klima- und Umweltschutz konsequent voranbringen, nachhaltige Mobilität fördern, Krankenhäuser auskömmlich finanzieren, den sozialen Wohnungsbau massiv hochfahren und das Bildungssystem chancengerecht gestalten. Das geht nicht mit einer Politik der schwarzen Null. Die scharfe Schuldenbremse in der Landesverfassung wirkt wie eine Investitionsbremse. Hier muss die nächste Landesregierung Wege finden, wie öffentliche Investitionen trotzdem kreditfinanziert getätigt werden können. Angesichts von Null- und Negativzinsen bringt jeder investierte Euro eine hohe positive Rendite.
Ebenso erwartet der DGB, dass die Landesregierung gute Arbeit aktiv fördert und Leitplanken schafft, die die Beschäftigten sicher durch die Transformation der Arbeitswelt führen. Betriebe, die Aufträge von Land oder Kommunen erhalten, sollen tarifgebunden sein. Ob die Tariftreue eingehalten wird, wird kontrolliert. Weiterbildung und Qualifizierung müssen noch stärker gefördert werden. Die Beschäftigten und Betriebsräte als Experten in eigener Sache müssen hierbei beteiligt werden."
"Die neue Landesregierung wird neben der noch immer akuten Pandemiebewältigung vor weiteren gewaltigen Herausforderungen stehen: Die Steuereinnahmen brechen ein, die Anforderungen an den Staat werden hingegen nicht weniger. Wir werden sogar noch viel mehr investieren müssen, um die Strukturen in unserem Land und den Kommunen zukunftsfest zu machen.
Digitalisierung, Weiterentwicklung der Schulen, Ausbau der Kitaplätze, Klimaschutz, Wohnungsbau und andere Themen stehen auf der To-Do-Liste. Dabei erwarten die Kommunen von der neuen Landesregierung, sie frühzeitig in ihre strategischen Planungen einzubeziehen. Unsere kommunalen Akteure wissen als „Macher“, was man vor Ort alles beachten muss, um eine Idee in die Tat umzusetzen.
Dabei dürfen sie nicht von rechtlichen oder finanziellen Hindernissen ausgebremst werden. Vertrauen durch Handlungsspielraum muss die Maxime sein. Die neue Landesregierung muss die Rahmenbedingungen deshalb so fassen, dass unsere Städte und Gemeinden ihren Teil der Aufgaben zuverlässig erfüllen können"
"Die Bildungsgewerkschaft GEW macht sich dafür stark, dass die neue Landesregierung bis 2026 die Schuldenbremse aufhebt und deutlich mehr in Bildung investiert. Auch ohne Corona wäre der Alltag in den Klassenzimmern in den nächsten Jahren von Lehrkräftemangel, weiterhin mangelhafter digitaler Ausstattung und weiter zunehmender Bildungsungerechtigkeit geprägt. Dies gilt auch für die Arbeitsbedingungen in den Kitas, den Hochschulen und der Weiterbildung.
Wir brauchen mehr Studienplätze, zusätzliche Stellen für Lehrkräfte und eine Entlastung der Schulleitungs-Teams. Die Folgen von Corona werden noch viele Schuljahre zu spüren sein. Die neue Landesregierung steht in der Verantwortung, durch zusätzliches Personal wie Lehrkräfte, Pädagogische Assistenzen, Schulsozialarbeiterinnen und Schulpsychologen dieser Schülergeneration gute Startchancen zu garantieren. Das ist zugleich auch die beste Investition für das ganze Land Baden-Württemberg.
Die GEW kritisiert das „Corona-Chaos“ der Landesregierung in der Bildungspolitik und setzt
sich für schnelle und klare Konzepte für das ganze Schuljahr ein. Wir erwarten zügige
Koalitionsverhandlungen und schnelle Entscheidungen in der Bildungspolitik, damit die Kitas
und Schulen in der Lage sind, das Corona-Schuljahr so gut wie möglich zu Ende zu bringen."
„Das Handwerk erwartet von der neuen Landesregierung drei Dinge: Entlastung, Förderung und Wertschätzung. Unsere Betriebe im Land stehen vor großen Herausforderungen: Die Suche nach Auszubildenden und Fachkräften, die hohe Belastung durch Bürokratie oder die Transformation der Wirtschaft. Dabei darf die neue Landesregierung das Handwerk nicht alleine lassen.
Eine ganz entscheidende Frage bewegt viele Handwerkerinnen und Handwerker: Wird meine Arbeit, meine Leistung, mein Handwerk wertgeschätzt? Dazu gehört beispielsweise die nach wie vor nicht hergestellte Gleichwertigkeit der beruflichen zur akademischen Bildung. Die Meisterprämie und Meistergründungsprämie waren hierzu ein wichtiger Schritt. Trotzdem sind wir von einer Gleichwertigkeit weit entfernt. Hier muss eine neue Landesregierung liefern.
Die Corona-Krise war auch im Handwerk ein drastischer Einschnitt: Sie hat vielen Betrieben vor Augen geführt, dass sie verstärkt auf digitale Unterstützung setzen und bei Personal und Arbeitsorganisation neue Wege gehen müssen. Deshalb fordern wir, die erfolgreiche Zukunftsinitiative „Handwerk 2025“ weiterzuführen und auszubauen.“
„Mit unseren Impulsen »Starke Wirtschaft – starkes Land« zeigen wir, dass gute Maßnahmen nicht viel kosten müssen, um echten Mehrwert für Unternehmen zu schaffen. Doch ist es die Pandemie, die klar macht, wo wir zuerst handeln müssen. Vor allem wird es nicht ohne Geschäftsperspektiven für schwer durch Corona geschädigten Branchen gehen.
Wir brauchen konkrete Maßnahmen, die helfen, Insolvenzen zu verhindern und der Verödung von Innenstädten aktiv entgegenwirken. Daneben lassen sich viele Beispiele von A wie Ausbildung bis Z, wie zentrale, bürokratiearme Angebote digitaler Verwaltung anführen. Zentrale Herausforderungen waren schon vor der Pandemie da: zum Beispiel die wichtige Förderung von Digitalisierungsvorhaben im Mittelstand und ein ausreichendes Angebot zukunftsfähiger Gewerbeflächen. Auch, dass auf die Aufgreifschwelle beim Glasfaserausbau verzichtet wird.
Genauso brauchen wir intelligente Lösungen zur Modernisierung von Verkehrswegen und für kombinierte Verkehre, die Bedarf und Nachhaltigkeit zusammenbringen. Zum Schluss darf die duale Aus- und Weiterbildung nicht vergessen werden. Sie ist und bleibt unser Erfolgsmodell für Fachkräfte in BW und muss nach Kräften auch politisch gefördert werden.“
"Neben der Bewältigung der Corona-Pandemie sind die drei großen „D“ – Digitalisierung, Demografischer Wandel und Dekarbonisierung – die zentralen landespolitischen Herausforderungen. Hier erwarten die Landkreise von einem neuen Landtag und einer neuen Landesregierung kluge Weichenstellungen.
Dazu gehört es, die Digitalisierung von Verwaltung und Schulen voranzutreiben, durch zusätzliches Lehrpersonal mehr schulische Inklusion zu ermöglichen, weitere Finanzmittel für die Breitbandförderung, für Krankenhausinvestitionen und kommunale Klimaschutzaktivitäten bereitzustellen, ein Landesmobilitätskonzept zu entwickeln und anschließend auch umzusetzen, ein einkommensabhängiges Landespflegegeld für die Inanspruchnahme von Kurzzeitpflege einzuführen und durch die Schaffung zusätzlicher Stellen für Amtstierärzte das Tierwohl besser zu schützen. Auch ein fairer Ausgleich der corona-bedingten Mehrbelastungen der Kommunen ist zwingend erforderlich."
"Die Deutsche Polizeigewerkschaft erwartet, dass die „Innere Sicherheit“ und die Sicherheitsbehörden so aufgestellt werden, dass wir die Sicherheit der Bürger/innen so gut wie möglich gewährleisten können. Wir erwarten Rahmenbedingungen, die uns rechtlich, personell und sachlich dazu in die Lage versetzen. Wir brauchen mehr Personal, beste Technik, mehr finanzielle Mittel. Die Polizei ist gut, aber wir müssen besser werden. Wir können nur besser werden, wenn die Landesregierung das will und uns stark, nein stärker macht. Wir erwarten Respekt, Anerkennung, faire Bezahlung und Zukunftsperspektiven für alle Polizeibeschäftigte. Wir bieten dazu einen fairen Dialog und unsere Fachkompetenz an.
Wir wünschen uns das Bewusstsein in der Landesregierung, dass sie die Innere Sicherheit erhält, für die sie die Rahmenbedingungen schafft und bereitstellt. Das wird in den kommenden Jahren ganz stark von den Finanzmitteln abhängen, die man in die Polizei und die Sicherheit investiert.
Wir brauchen „Umsetzer“ und „Macher“ die mit der politischen Rückendeckung die Probleme nicht umwälzen, sondern zeitnah bewältigen. Wir brauchen eine Evaluation der Bildungseinrichtungen, eine Bildungsperspektive mit neuen Strukturen, die sich mehr an Wissenschaft, Forschung und Bildung orientiert, sowie dem Prinzip des lebenslangen Lernens den Raum gibt, den eine zukunftsfähige Polizei benötigt."
„Viel war im letzten Jahr die Rede davon, dass die Pandemie wie ein Brennglas gewirkt hat auf soziale Schieflagen. Wir konnten noch deutlicher als sonst Ungerechtigkeiten sehen, die in einem wohlhabenden Land wie unserem nicht zu akzeptieren sind: Die Gnade, auf der „richtigen“ Seite geboren zu sein, einen Beruf gewählt zu haben, der nicht durch die Pandemie dahingerafft wird, Eltern zu haben, die im Homeschooling unterstützen können und eine Infrastruktur bereit halten, die digitales Fernlernen erst möglich macht. Und auf der anderen Seite jene, deren prekäre Lebensumstände durch die Pandemie noch verschärft wurden und die noch weniger als sonst in der Lage sind, den immer teureren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Die Corona-Pandemie verdeutlicht einmal mehr die Systemrelevanz sozialer Organisationen. Es sind die Mitarbeitenden in den sozialen Berufen, die die Gesellschaft zusammenhalten, die Ungleichheiten erträglicher machen, die sich dem Schutz der Schwächsten verschrieben haben. Jetzt ist es an der Politik zu zeigen, dass ihnen die soziale Arbeit nicht nur Applaus, sondern auch bessere Rahmenbedingungen, Arbeitsbedingungen und Löhne sowie eine nachhaltige und sichere Finanzierung wert ist.“
"Der Städtetag hat 21 Forderungen an die künftige Landesregierung formuliert. Die Bildung haben wir in den Mittelpunkt gestellt und verlangen, gemeinsam mit der neuen Landesregierung Eckpunkte für eine Schulträgerschaft im 21. Jahrhundert zu entwickeln. Es geht uns um Ganztagsschule, kommunale Schulbetreuung, Schulsozialarbeit, Schulverwaltung und natürlich um die Auswirkungen der Digitalisierung. Digitalisierung zieht sich durch alles hindurch.
Unsere weiteren Schwerpunkte sind Kommunaler Klimaschutz, Integration und Quartiersentwicklung. Wir müssen Handel und Kultur in den Städten wieder zu neuem Leben zu erwecken. Die neue Landesregierung muss gute Rahmenbedingungen für die kommunale Arbeit schaffen. Dabei geht es nicht nur, aber angesichts der Belastungen durch Corona auch um das finanzielle Fundament kommunaler Arbeit, um gemeinsam mit den Kommunen die richtigen Weichen zu stellen."
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