Der Maler, Fotograf, Sammler Georg Maria Eckert auf Reisen für den badischen Großherzog
Ein fotografierender Maler sammelte Trachten und bäuerliche Hausgeräte im Auftrag des Großherzogs – so etwas konnte es nur am Ende des 19. Jahrhunderts geben. Warum das so war und wie es funktionierte, zeigt das Beispiel von Georg Maria Eckert.
„Schon vor mehr als fünfzig Jahren, … machte ich meine jährliche Rundreise mit der Zeichenmappe nach dem badischen Oberlande und in den Schwarzwald. … Zu jener Zeit waren die Volkstrachten noch allgemeiner. Es saußte noch kein Dampfroß durch die friedlichen Thäler, man sah wenig Touristen noch Sommerfrischler, aber auch noch keine luxuriösen Hotels mit befrackten Kellnern. Es waren Gasthäuser, in denen man von schmucken Landmädchen in bunter Volkstracht bedient wurde.“
Karlsruhe, 1899: Der Maler Georg Maria Eckert blickt auf Jahrzehnte zurück, die für das Großherzogtum Baden viele Umbrüche mit sich brachten. Baden hatte 1806 maßgeblich sein Territorium erweitert, wurde eine souveräne Monarchie und war ab 1871 ein teilautonomer Staat im Deutschen Kaiserreich. Ab 1827 fuhren Dampfschiffe auf dem Rhein, 1840–1855 wurde die gesamte Länge des Landes durch Eisenbahnstrecken erschlossen und der Ausbau von Straßen vorangetrieben. Die neuen Reise- und Transportwege erleichterten die Kommunikation und führten dazu, dass urbane und ländliche Räume näher aneinanderrückten. Das hatte zur Folge, dass sich auch Gegenstände und Gewohnheiten der Alltagskultur veränderten und anglichen. Insbesondere das Bürgertum reagierte auf diesen Wandel, indem es das Bedürfnis entwickelte, die sich ändernden Lebensweisen zu erhalten oder zumindest für die Zukunft zu dokumentieren.
In diese Welt wurde Eckert 1828 in Heidelberg hineingeboren. Als Sohn eines Schuhmachers und Dieners der höheren Bürgerschule trat Eckert 1842 vermutlich eine Lehre in der lithografischen Werkstatt des Karlsruher Gemeinderats Johann Peter Wagner an. Die Fähigkeit zum Zeichnen, die für diese Ausbildung nötig war, muss er schon im Elternhaus entwickelt haben. Ab 1846 studierte er Landschaftsmalerei an der Kunstakademie in Düsseldorf. Später wechselte Eckert an die Akademie der bildenden Künste in München, um anschließend zurückzukehren und sein Studium 1852 abzuschließen. 1854 ließ er sich in seiner Heimatstadt Heidelberg nieder, wo er sein Einkommen nachweislich als Landschaftsmaler bestreiten konnte.
Das 19. Jahrhundert hielt auch für die bildende Kunst Veränderungen bereit: Die aufkommende Fotografie bot Möglichkeiten, Motive naturgetreu(er) abzubilden. Eckert experimentierte ab den 1860er-Jahren mit dieser neuen Technik, die Auswirkungen auf den Berufsstand des Malers hatte. 1870–1877 unternahm er mehrere Reisen durch Süddeutschland, auf denen er fotografische Studien anfertigte. Diese zeigen, dass Eckert versuchte, seine in der Malerei erlernten Fähigkeiten auf die Fotografie auszuweiten. Seine vorrangigen Motive waren die, die er bereits gemalt hatte: Landschaft, Architektur und Genres, die Abbildung von Alltagsszenen. In der Spätromantik waren Genres beliebte Motive, die die Sehnsucht nach vorindustriellen Konstanten verbildlichten, Ausdrucksweisen eines romantisierenden ‚Blicks zurück‘.
Eckert stellte eine Mappe mit fotografischen Werken unter dem Titel „Studien nach der Natur für Maler und Architekten“ zusammen und versuchte damit, eine Brücke zwischen seinen beiden Passionen zu schlagen. Seine Arbeit zeichnet sich durch eine gekonnte Anwendung der Fotografietechnik und der bildgebenden Verfahren aus, seine Naturfotografien bestechen durch eine Schärfe, die in seiner Zeit selten erreicht wurde. Auch im Bereich der Architekturfotografie zeigte Eckert Einfallsreichtum: Bei der Dokumentation des Bruchsaler Schlosses leuchtete er die Räume mit vor den Fenstern positionierten Spiegeln aus, was eine detailreiche Abbildung des Interieurs ermöglichte.
Die fotografischen Genrebilder Eckerts entsprechen seinen gemalten Bildern: Die Bildkomposition und das Arrangement der Staffage – Statisten, Geräte, Bauwerke – zeugen von einer Herstellung „aus einem Guss“.
Eckerts Fotomappen waren keine Bestseller, verkauften sich aber an Kunstinstitute und Schulen. Er weckte das Interesse der großherzoglichen Familie, die daraufhin einige seiner Werke erwarb: Ab 1874 nannte er sich „Hofphotograph“ – was allerdings keinen exklusiven Titel darstellte. Eckert wandelte sich stetig vom fotografierenden Maler zum malenden Fotografen.
1876 folgte jedoch der Wendepunkt: Ein Unwetter – so berichten es die Erben Eckerts nach seinem Tod – brachte seine Familie in so große finanzielle Schwierigkeiten, dass er die kostspielige Fotografie aufgeben musste. Mehr noch: Er musste seine Existenz in Heidelberg aufgeben und damit auch sein erst kurz zuvor eröffnetes, bescheidenes „Verkaufslokal“. 1877 zog er mit Frau und Tochter in die Hauptstadt des Großherzogtums Baden, nach Karlsruhe. Hier trat er mit Ernst Wagner in Kontakt. Wagner war der großherzogliche Konservator der „Alterthümer und der mit ihnen vereinigten Sammlungen“, dem institutionellen Vorgänger des Badischen Landesmuseums.
1890 empfahl Wagner Eckert für ein Projekt: das Sammeln von badischen Volkstrachten. Durch einen Nachlass hatten einige Trachten Eingang in die Bestände der „Vereinigten Sammlungen“ gefunden, nun sollten diese erweitert werdn. Das zuständige Ministerium wies den Konservator an, „mit Maler Eckert in Verhandlungen zu treten, um dann im Verein mit demselben festzustellen, in welcher Weise sich eine planvolle Durchforschung des Landes bewerkstelligen lässt“. Eckert verdiente für diese Tätigkeit einen passablen Tageslohn von 15 Mark, war allerdings für Ankäufe nur mit einem schmalen Budget ausgestattet.
Im ausgehenden 19. Jahrhundert stand die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit bäuerlichem Alltagsleben noch am Anfang, es fehlten ausgewiesene Trachtenexperten. Wagner kannte Eckert als Maler und Fotograf von bäuerlichen Szenen und vermutete daher, dass Eckert ein gewisses Auge für die Dinge haben würde. Tatsächlich sammelte der Künstler mit der „malerischen Auffassung“, die er sich selbst zuschrieb, er wählte Objekte mit dem Blick eines Spätromantikers aus. Manchmal verlor er jedoch den Fokus auf Trachten und bäuerliche Hausgeräte und Wagner musste ihn ermahnen, wenn ihn auf seiner Suche Kunstwerke oder archäologische Funde mehr zu interessieren schienen.
Auch organisatorisch zeigte sich, dass Eckert kein Mann der Verwaltung war: Zeitliche Verzögerungen, fehlende Quittungen und Vorwürfe der „Diätenanhäufung“ – Wagner sollte es mit seinem reisenden Sammler nicht immer leicht haben. Doch Eckert konnte offensichtlich schon bei seiner ersten Reise durch den Schwarzwald und über die Baar (auf die bis 1900 insgesamt neun weitere folgen sollten) durch geschickte Ankäufe überzeugen. In wenigen Jahren sammelte er trotz beschränkter finanzieller Ressourcen eine beträchtliche Anzahl qualitativ hochwertiger Objekte. In dieser Zeit konnte Eckert wichtige Kontakte mit Museen und Privatsammlern aufbauen, wodurch er nicht nur Fachwissen erwarb, sondern seinerseits eigene Gemälde oder handgefertigte Modelle von Bauernhäusern zum Kauf anbieten konnte.
Das „Durchforschen“ Badens war allerdings ein anstrengendes Unterfangen: Eckert berichtet von langen Kutschenfahrten, anstrengenden Fußmärschen bei widrigem Wetter, zähen Verhandlungen mit Einwohnern und von einer Dampferhavarie auf dem stürmischen Bodensee. Diese beschwerlichen Reisen waren es womöglich, die ihren Tribut forderten – Eckert starb überraschend am 22. Januar 1901 in Karlsruhe.
Die Schriften Eckerts zeugen von einem sehr direkten und lebensfrohen Gemüt; es waren wohl die zwischenmenschlichen Qualitäten, die ihn zum Sammeln im Feld befähigten. Ein Zeitgenosse beschreibt ihn als einen Charakter, der „schon nach wenigen Stunden persönlicher Begegnung mich so ungemein für sich eingenommen hatte“.
Ein Beitrag von Tilmann Bruhn in Momente 1|2018.