Die Virtuelle Bibliothek des barocken Klosters
St. Peter auf dem Schwarzwald
„Nun siehet die Bibliothek einem ausgeraubten Hause ähnlich. Der Saal ist schön, aber an guten Büchern leer... Weiter konnte ich nicht nachschauen, der Anblick ist zu traurig. Die Bücher sollen nun in der Großherzoglichen Bibliothek stehen. Dort wird sie selten jemand ansehen und lesen gar niemand.“
So klagte Ignaz Speckle (1754 – 1824), der letzte Abt des Klosters St. Peter, in seinem Tagebucheintrag vom 21. April 1807. Große Teile der Büchersammlung waren soeben in die Großherzogliche Bibliothek nach Karlsruhe abtransportiert worden, weitere Bestände bereits in die Universitätsbibliothek Freiburg überstellt. An den neuen Standorten wurden die Bücher und Handschriften aus St. Peter in die dortigen Sammlungen integriert; ihre Herkunft war nur noch anhand der alten Besitzvermerke im Inneren der
Bände zu erkennen. Die wenigen Bücher, die in St. Peter zurückblieben, gingen in die Büchersammlung ein, die dort im Zuge der Einrichtung des Priesterseminars der Erzdiözese Freiburg ab 1842 neu entstand und nach und nach die Regale des barocken Bibliothekssaals wieder füllte.
Die Zusammensetzung der alten Klosterbibliothek kennen wir heute vor allem anhand ihres handschriftlichen Katalogs, der sich jetzt in den Historischen Sammlungen der Universitätsbibliothek Freiburg befindet. Er verzeichnet die rund 13.000 Titel, die bis 1774 für St. Peter erworben wurden. Damit bietet er einen Einblick in etwa zwei Drittel des Bestands der Bibliothek, die bis zu ihrer Auflösung auf gut 20.000 Bände angewachsen war.
Um Forschungen zu den Sammlungsschwerpunkten der Klosterbibliothek zu erleichtern, wurde der Katalog bereits 2006 digitalisiert. Seit 2009 bildet er die Basis mehrerer Projekte zu St. Peter an der Universitätsbibliothek Freiburg. So wurde der Katalog inzwischen vollständig transkribiert, die einzelnen Titeldaten modernen Katalogen entsprechend normiert und in eine Datenbank überführt. Nun kann man nicht nur nach Autoren, sondern auch mit Titelstichwörtern, nach Publikationsorten und nach Erscheinungsjahren recherchieren und leichter Sammlungsschwerpunkte erkennen.
Auf diese Weise wurden auch Voraussetzungen dafür geschaffen, präziser zu ermitteln, in welchen Bibliotheken heute Exemplare zu den im alten Klosterkatalog erfassten Titeln vorhanden sind und ob es sich dabei um Exemplare aus St. Peter handelt. Dabei werden zurzeit in zwei Teilprojekten die normierten Titel aus der Katalogdatenbank mit den Buchbeständen der Universitätsbibliothek Freiburg und den heute in St. Peter vorhandenen Büchern abgeglichen. Ergeben sich Übereinstimmungen, werden die Exemplare aus den Magazinen geholt und überprüft, ob sie Besitzvermerke aus St. Peter enthalten. Eindeutig identifizierte Bücher werden dann in einem parallelen Projekt im Digitalisierungszentrum der UB Freiburg digitalisiert und die Texte online gestellt.
Damit lassen sich diese Bücher als digitale Ausgaben unabhängig von ihren heutigen Standorten wieder zusammenführen. Solange zu einem Titel noch kein Buch aus dem alten St. Peter ermittelt wurde, schließen digitalisierte Exemplare anderer Herkunft vorerst die Lücke. Auf diese Weise verbinden sich aber in jedem Fall alle Einträge im historischen Katalog nach und nach mit vollständigen Texten und Dokumenten: Die Inhalte der Bücher und die geistlich-geistige Welt von Kloster und Bibliothek St. Peter können so erneut erfahrbar werden.
Die Büchersammlung des Klosters aufGrundlage ihres Katalogs als virtuelle Bibliothek im Internet zu rekonstruieren, ist der Beitrag der Universitätsbibliothek Freiburg zum landeskundlichen Informationssystem LEO-BW, das 2012 online ging. Als Kooperationspartner in diesem Gesamtprojekt digitalisierte die Badische Landesbibliothek Karlsruhe ihren Handschriftenbestand aus St. Peter und das Generallandesarchiv Karlsruhe stellte im Landesarchiv Baden-Württemberg die Urkunden aus St. Peter zur Digitalisierung zur Verfügung.
Seit April 2012 ist die „Virtuelle Bibliothek St. Peter“ unter www.ub.uni-freiburg.de/go/sanktpeter im Internet präsent und erschließt bereits umfangreiche Dokumentgruppen. So sind inzwischen die Handschriften aus St. Peter, die heute in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe, in der Universitätsbibliothek Freiburg und im Geistlichen Zentrum in St. Peter aufbewahrt werden, vollständig digitalisiert und in der Virtuellen Bibliothek wieder zusammengeführt. Ebenso sind die knapp tausend Karten der Kartensammlung – heute in der Universitätsbibliothek Freiburg – und die Urkunden des Klosterarchivs – heute im Generallandesarchiv Karlsruhe – online zugänglich. Der historische Bibliothekskatalog steht nicht nur digitalisiert, sondern auch in seiner Datenbankversion im Internet bereit. Seine Titel verlinken sich bereits mit fast tausend digitalisierten Texten zu Buchexemplaren aus St. Peter, die in den heutigen Bibliotheksbeständen in Freiburg und in St. Peter ermittelt wurden. So wird etwa eine differenzierte Auswertung der Besitzeinträge in den Buchexemplaren möglich und eröffnet einen Blick auf die jeweiligen Schwerpunkte des Bucherwerbs durch die Äbte des Klosters im 18. Jahrhundert und auf deren eigene Schriften.
Damit bietet die Virtuelle Bibliothek St. Peter schon jetzt bei noch laufendem Projekt einen Zugang zu einem Wissensschatz, der exemplarisch für die südwestdeutschen Klöster im 18. Jahrhundert ist und den es erneut zu entdecken gilt.
Ein Beitrag von Angela Karasch in Momente 3|2013.
Dr. Angela Karasch leitet die Historischen Sammlungen der UB Freiburg, koordiniert seit 2009 die St. Peter-Projekte der UB Freiburg und entwickelte das Konzept der Virtuellen Bibliothek St. Peter.