Das Museumsnetzwerk zum Ersten Weltkrieg bindet Museen aus drei Ländern zusammen
35 konzeptionell aufeinander abgestimmte Ausstellungen in drei Ländern informieren zwischen Juni und November 2014 am Oberrhein über den Ersten Weltkrieg. Dieser Krieg war ein globales Ereignis, eine transnationale Darstellung des Konfliktes erscheint naheliegend. Dennoch handelt es sich um die europaweit wohl größte grenzüberschreitende Ausstellungsreihe zum Thema. Denn grenzüberschreitende Zusammenarbeit muss sowohl inhaltlich unterschiedliche Zugänge, als auch vielfältige strukturelle und organisatorische Hindernisse überwinden.
Am Oberrhein sind die Rahmenbedingungen für ein solches Projekt vergleichsweise gut. Das dicht besiedelte Gebiet verfügt über zahlreiche Museen. Anders als in Ostmittel- oder Südosteuropa existiert eine über Jahrzehnte gewachsene Tradition grenzüberschreitender Zusammenarbeit; vom INTERREG-Programm der EU etwa profitiert auch die Ausstellungsreihe. Zugleich lassen sich gerade am Oberrhein grundsätzliche historische Gegensätze aufzeigen: Frankreich und Deutschland waren Hauptgegner des Krieges, der südliche Frontabschnitt verlief im Elsass, am Beispiel der Schweiz wird die Sondersituation eines neutralen Staates deutlich.
Seit 2012 trafen sich die Museumspartner regelmäßig zu gemeinsamen Arbeitssitzungen im Dreiländermuseum. Alle Diskussionen, Protokolle und Vereinbarungen erfolgten auf Deutsch und Französisch. Von Anfang an hatten die Partner dabei außerdem mit der unterschiedlichen Erinnerungskultur in ihren Ländern umzugehen.
In Frankreich ist die Erinnerung am intensivsten, intensiver noch als an den Zweiten Weltkrieg. Hinzu kommt, dass der direkte Einfluss der Politik auf die Museumsarbeit größer ist als in Deutschland oder der Schweiz. Wichtige Aktionen zum „Centenaire“ erhalten von Paris ein nationales oder von Straßburg ein regionales Label. Deutsche und schweizerische Museumspartner erkannten die Bedeutung der Labels für ihre französischen Kollegen lange nicht und scheuten den Aufwand der Bewerbung. Dadurch erschien das Netzwerk in der Planungsphase manchen französischen Partnern als politisch wenig relevant, das Mémorial de l'Alsace-Moselle beispielsweise organisierte seine Ausstellung ohne den Koordinationsaufwand im Netzwerk. Sein Beispiel zeigt: Oft prägen weniger inhaltliche als organisatorische und politische Erwägungen die grenzüberschreitende Zusammenarbeit.
Strukturunterschiede zwischen den Ländern und Partnern machten es auch notwendig, ohne ein gemeinsames Budget zusammenzuarbeiten. Lediglich ein Minimalbeitrag von 500.- Euro pro Partner für eine gemeinsame Broschüre war organisierbar, doch die gemeinsame Website und ein Katalog waren damit nicht finanziert. So blieb das Projekt auf das personelle und finanzielle Engagement des von der EU subventionierten Dreiländermuseums angewiesen, das auch sonst in allen Phasen als Koordinationsstelle und Motor entscheidend blieb. Das Netzwerk profitierte dabei von dessen 20-jähriger Erfahrung bei grenzüberschreitenden Ausstellungsprojekten und von seiner zentralen Lage im Dreiländereck.
Die inhaltliche Abstimmung der Ausstellungen untereinander gelang den Museen dagegen wesentlich leichter. Wer mehrere Ausstellungen besucht, kann zwischen den regional und lokal ausgerichteten Ausstellungen interessante Bezüge herstellen, die zugleich unterschiedliche nationale Erfahrungen spiegeln. Wenn die Ausstellung in Speyer die Pfalz oder die Ausstellungen in Karlsruhe und Freiburg die jeweilige Stadt im Krieg beleuchten, so wird zugleich ein Aspekt deutscher Geschichte aus kritischer Distanz erzählt.
Unterschiedlicher ist die Präsentation der Ausstellungen im Elsass. Das Musée Historique in Straßburg sammelte lange überwiegend französische Exponate zum Ersten Weltkrieg und nicht aus der eigenen Stadt, jetzt bietet die gemeinsam mit den Straßburger Archiven entwickelte Ausstellung einen klaren Blick auf die Heimatfront einer Stadt im deutschen Kaiserreich. Die Ausstellung im elsässischen Mutzig lebt von der Symbolkraft der größten Festung des Kaiserreiches. Sie wurde nach 1918 in Frankreich lange ignoriert, verfiel und wird jetzt als Ort deutsch-französischer Versöhnung inszeniert – weshalb zur Enthüllung des Namenssteins im Juni 2014 sogar der deutsche Finanzminister Schäuble anreiste. Die Ausstellungseröffnung in St- Amarin in den Vogesen wiederum erfolgte mit einer patriotischen Zeremonie, zu der alle Veteranenverbände des Tals mit ihren Fahnen antraten. Hier spiegelte sich der Stolz darüber, dass der Ort schon im August 1914 von französischen Truppen erobert wurde und im weiteren Verlauf des Krieges nicht wieder unter deutsche Hoheit kam.
Die Schweizer Ausstellungen, unter anderem in Basel, stellen die Verteidigung der Schweizer Grenzen und der Neutralität als große Leistung heraus und zeigen, welche Opfer dies für die Zivilbevölkerung bedeutete. Ein zentrales Thema ist auch der tiefe Graben zwischen der mit Deutschland sympathisierenden Deutschschweiz und der mit Frankreich sympathisierenden welschen Schweiz. Dies ist gerade für die Ausstellungen in Delémont und Porrentruy ein Thema – zentrale Orte des erst 1979 durch Abspaltung von Bern entstandenen französischsprachigen Kantons Jura. Der heftige Konflikt um das als zu deutsch empfundene Kriegerdenkmal „le Fritz“ am Col des Rangiers ist hier bis heute von besonderer Brisanz.
Einen Überblick über Baden, das Elsass und die Nordwestschweiz bietet die Ausstellung im Dreiländermuseum Lörrach. Ihr Titel „Die zerrissene Region“ verweist darauf, dass 1914 nicht nur die bis dahin selbstverständliche Reise- und Niederlassungsfreiheit für fast 100 Jahre endete, sondern auch auf die folgenden, national sehr unterschiedlichen Erfahrungen der Bevölkerung. Ein gemeinsames Gewinnspiel der Netzwerkmuseen regt zum Besuch mehrerer Ausstellungen an: Wer die Eintrittsstempel von sechs Ausstellungen in mindestens zwei Ländern einschickt, hat die Chance auf einen der vielen attraktiven Preise!
Ein Beitrag von Markus Moehring im Momente 3|2014.