Leseprobe Momente 4|2015
Ansicht von Steinheim an der Murr aus dem Kieser'schen Forstlagerbuch 1686
Ansicht von Steinheim an der Murr aus dem Kieser'schen Forstlagerbuch 1686 (Foto: Landesarchiv Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart)

„und sol uns fürbas verbotten sein alle gotlich dienst“

AUF SPURENSUCHE in der südwestdeutschen Landesgeschichte und darüber hinaus ist diesmal der Sonderforschungsbereich 923 „Bedrohte Ordnungen“ in Tübingen

Im Rahmen eines Sonderforschungsbereichs an der Universität Tübingen wird unter anderem erforscht, wie geistliche Frauengemeinschaften auf die Bedrohung durch die Reformation reagierten

Am Vormittag des 18. März 1553 kamen württembergische Räte ins Kloster Steinheim und „wollen von uns haben, das wir den schirm bekennen ouch glicher gestalt mit allen beschwerden wie all ander cloister so im land lygen“. Das Frauenkloster sollte also den Schutz der württembergischen Herrschaft annehmen und deren Rechte anerkennen. Mit diesen Worten beschrieb eine unbekannte Nonne aus dem Kloster Mariental in Steinheim an der Murr den Anfang vom Ende ihres Konvents. Ihre Aufzeichnungen aus den Jahren 1553 – 1566 sind eine stark subjektive, aber nichtsdestoweniger sehr lebendige Quelle der württembergischen Reformationsgeschichte.

Die Reformation bedeutete für alle Frauen, die in Frauenklöstern oder anderen geistlichen Frauengemeinschaften lebten, eine massive Bedrohung. Schließlich stellte die protestantische Bewegung nicht nur ihren Glauben, sondern ihren gesamten Lebensentwurf und somit ihre Existenz in Frage. Tatsächlich wurden im 16. Jahrhundert viele Klöster in andere Einrichtungen umgewandelt oder fanden einfach ihr Ende.

Eines der Klöster, das sich damals mit solch einer Bedrohung konfrontiert sah, war das Dominikanerinnenkloster Mariental in Steinheim an der Murr. Die Nonnen gehörten – wie bis dahin alle im Alten Reich – dem katholischen Glauben an und befolgten seit der Gründung ihrer Gemeinschaft in den Jahren zwischen 1254 und 1261 die Augustinusregel: Sie verlangte von den Frauen ein Leben in Gehorsam, Keuschheit und Armut.

Die Herrschaft über den reichsunmittelbaren, also niemand anderem als dem Kaiser oder König unterstellten Ort Steinheim sowie das Kloster Mariental hatte König Sigmund 1422 den fränkischen Grafen von Hohenlohe als Reichslehen übertragen. Doch nicht an ihn wandte sich das Kloster bei Rechtsstreitigkeiten ab 1487, sondern an den Herzog von Württemberg. Erklären lässt sich das wohl am ehesten durch die unmittelbare räumliche Nähe des Ortes zum württembergischen Territorium, das Steinheim von allen Seiten umschloss.

In den Fehden und Kriegen nach der Vertreibung Herzog Ulrichs von Württemberg 1519 und in den Bauernkriegen erlitten Kloster und Ort Steinheim keinen Schaden. Am 13. Mai 1534 siegte der während seiner Verbannung protestantisch gewordene Herzog Ulrich in der Schlacht bei Lauffen am Neckar über die katholischen Truppen Kaiser Karls V. und eroberte damit sein Land zurück. Aus Furcht vor Plünderungen durch die siegreichen Truppen, die vom nahegelegenen Lauffen in die Hauptstadt Stuttgart zogen, sandten die Steinheimer Nonnen gleich am nächsten Tag einen Brief an Herzog Ulrich, in dem sie um dessen Schutz baten. Damit unterwarfen sie sich quasi seiner Herrschaft. Als jedoch der Herzog in Württemberg die Reformation einführte und 1535 auch einen evangelischen Prediger nach Steinheim schickte, berief sich das Kloster auf seine althergebrachte Zugehörigkeit zum katholischen deutschen Reich. Wider Erwarten gelang es der Gemeinschaft, sich dem herzoglichen Einfluss vorerst zu entziehen, was vielleicht damit zusammenhing, dass hier viele Töchter bedeutender württembergischer Familien lebten.

Erst nach Ulrichs Tod 1550 ging sein Sohn Herzog Christoph gezielt gegen Frauenklöster vor und nahm auch die Herrschaft über Steinheim an sich, indem er die Vogtei (also die wirtschaftlichen Rechte des Klosters) gewaltsam dem Herzogtum Württemberg einverleibte: Wie eingangs beschrieben, verlangte er im März 1553 vom Konvent, die württembergische Oberhoheit anzuerkennen. Doch die Schwestern weigerten sich. Sie sahen sich im Recht und beriefen sich dabei auf Königsurkunden, die ihnen ihre Reichsfreiheit zusicherten. Dennoch wurden gleich nach ihrer Ablehnung „dreißig hacken schüzen und zwanzig reytter“, also insgesamt 50 Soldaten, im Kloster einquartiert, um eine Anerkennung zu erzwingen. Gleichzeitig aber sagte der Herzog dem Konvent zu, er könne seine alten Rechte und den katholischen Glauben behalten – die Gemeinschaft blieb also zunächst bestehen. Nur der Klosterhofmeister wurde durch einen württembergischen Beamten ersetzt, damit der Herzog eine wirksame Kontrolle über den Klosterbesitz ausüben konnte.

1555 sprach der Augsburger Religionsfrieden den Landesherren das Recht zu, die Konfession ihrer Untertanen zu bestimmen. Unter Berufung auf diesen Beschluss verfügte Herzog Christoph am 10. Januar 1556, in allen Klöstern seines Landes die Reformation einzuführen. In der Theorie bedeutete dies, dass alle Mönche und Nonnen von ihren geistlichen Gelübden entbunden wurden und das Kloster verlassen mussten; darüber hinaus fielen die reichen Besitzungen aller württembergischen Klöster an das Herzogtum Württemberg.

Jedoch widersetzten sich viele Klöster dieser Maßnahme, sodass Herzog Christoph am 24. Juli 1556 eine neue Ordnung für die Frauenklöster seines Landes erließ. Sie besagte, dass den Nonnen angeboten werden solle, aus dem Kloster auszutreten und sich in den weltlichen Stand zu begeben, wofür sie eine Abfindung erhalten sollten. In Steinheim ist dieser Fall von einer einzigen Nonne bekannt: Katharina Millerin verließ das Kloster um zu heiraten „und am Montag uff Francisi, den 4 Octobris haben sie hochzit gehebt“.

Nonnen, die im Kloster bleiben wollten, mussten künftig in deutscher Sprache singen, wie die Verfasserin der Steinheimer Aufzeichnungen berichtet: „hat der Pfarher an gefangen in unser uswendigen kirchen mit seinen leuten zu singen teutsch vor und nach seiner predigt“. Außerdem durften keine Novizinnen, also angehende Nonnen, ins Kloster aufgenommen werden; die Klöster sollten also langsam „aussterben“.

Diese Anordnungen hatten aber nicht den gewünschten Erfolg: So leisteten die Steinheimer Klosterfrauen genau wie andere württembergische Klöster (z.B. Pfullingen oder Offenhausen) Widerstand, bis Herzog Christoph einen weiteren Schritt für die Reformation tat. Ab 1556 sandte er Kommissionen in alle Frauenklöster – in Steinheim wurde die Kommission jedoch erst 1557 tätig. Man ließ sich von den Nonnen alle Rechnungsbücher aushändigen, verbot die Ausübung des katholischen Gottesdienstes sowie das Glockenläuten und forderte, dass der Konvent das evangelische Bekenntnis annehmen solle. Die Nonnen konnten sich nicht gegen die Enteignung des Klosterbesitzes wehren, wollten aber katholisch bleiben und ihr Klosterleben fortführen. Sie waren jetzt aber auf sich gestellt, denn katholische Priester durften im protestantischen Württemberg nicht mehr tätig sein. Damit entfiel die geistliche Betreuung der Frauenklöster.

Gerade nach Quellen, die von ähnlichen Situationen zeugen, sucht das SFB-Teilprojekt G02. Es fragt nach der Reflexion der Frauen über ihre bedrohte Lebensordnung. Wie gingen die Nonnen mit dieser Situation um? Wie reagierten sie? Die beiden Wissenschaftlerinnen untersuchen die Quellen gezielt auf Aussagen und Indizien, die darüber Auskunft geben. 

Auch in Steinheim bekamen die Frauen einen evangelischen Pfarrer zugewiesen, worüber sich die Schreiberin des Tagebuchs ausführlich beklagt: „Wir künden weder disen noch kainen an nehmen, der der nuwen secten [angehört]“. Ihr Protest blieb aber ungehört, „und uff zeinstag den 22 Tag Juny haben wir gemelten pfarher Samuel Halbmayer, gewesner pfarher zu Zupfennhußen, myessen mit zwayen wägen lassen hollen, sein husrat, sein frauwen und dreyen kindern.“

Mit ihren Klagen waren die Steinheimerinnen keineswegs allein: Fast alle württembergischen Frauenklöster widersetzten sich unterschiedlich hartnäckig der Einführung der Reformation. Herzog Christoph ergriff deshalb im Jahr 1559 härtere Maßnahmen: In allen Frauenklöstern seines Landes ließ er unter Androhung militärischer Gewalt die Namen aller Nonnen erfassen (in Steinheim geschehen am 20. September 1559). Außerdem verbot er abermals den katholischen Gottesdienst, forderte alle Nonnen auf, das Kloster zu verlassen und ließ zugleich die wichtigsten Urkunden der Klosterarchive abschreiben, um einen vollständigen Überblick über den Klosterbesitz zu erhalten. Am 24. März 1560 nahm er dem Steinheimer Konvent, der weiterhin dem katholischen Glauben und seinen Gelübden treu bleiben wollte, jeden Einfluss auf die Klosterverwaltung und Rechnungsführung. Dadurch brachte er die Gemeinschaft in eine wirtschaftlich schwierige und vor allem abhängige Lage.

Aber keine dieser Maßnahmen führte zum Ende des katholischen Klosterlebens in Steinheim. 1559 bewohnten immer noch 25 Nonnen (darunter sogar einige Novizinnen) und 7 Laienschwestern die Gebäude; es war damit zu dieser Zeit das größte württembergische Frauenkloster.

Zwar war der Konvent nun bis in die Lebensmittelversorgung hinein von der württembergischen Klosterverwaltung abhängig, führte aber sein Leben nach den alten Ordensregeln weiter soweit dies möglich war; allerdings durften die Nonnen die Kirchengebäude nicht weiter nutzen. Herzog Christoph wagte augenscheinlich nicht, Frauenklöster wie das in Steinheim gewaltsam aufzulösen und die Nonnen zu vertreiben, die ja einflussreichen Familien seines Landes entstammten.

Auf lange Sicht setzte sich die Reformation dann aber auch im Kloster Steinheim durch. Im Laufe der Zeit verließen immer mehr Nonnen die Gemeinschaft und nahmen die finanzielle Abfindung entgegen. Im Jahr 1580 blieb nur noch eine einzige katholische Nonne übrig, die noch bis zu ihrem Tod zwei Jahre später im Kloster Steinheim lebte. Steinheim steht exemplarisch für fast alle württembergischen Frauenklöster, die in der Reformation entweder sofort aufgelöst wurden oder aber durch das „Aussterben“ der Nonnen ihr Ende fanden.

Ein Beitrag von Agnes Müller M.A. im Momente 04|2015.