Feiern für die Demokratie

Die Kampagne „100 Jahre Frauenwahlrecht" macht das Jubiläum in Baden-Württemberg präsent

Plakat 100 Jahre Frauenwahlrecht

2019 feiern die erste deutsche Demokratie und das Frauenwahlrecht ihren 100. Geburtstag. Im November 1918 wurde in Deutschland das allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht eingeführt. Am 5. Januar 1919 konnten Frauen in Baden erstmals wählen und gewählt werden, eine Woche später die Württembergerinnen.

Ist das nun nur ein Geschichtsjubiläum neben anderen? Oder doch ein zentrales Datum der Demokratisierung? Angesichts aktueller Debatten um gesellschaftliche Grundwerte und vermehrt antifeministischer Strömungen geht es um mehr: Das historische Datum ist Anlass, Bilanz zu ziehen über Erreichtes, noch nicht Erreichtes und über gefährdete Errungenschaften. Und es gilt, die Diskussion um Demokratie und Gleichberechtigung voranzutreiben. Gründe genug, den Geburtstag des Frauenwahlrechts öffentlichkeitswirksam zu begehen!

Wie so oft haben auch diesmal frauenpolitisch Engagierte ihre Sache selbst in die Hand genommen und die Sichtbarkeit des Jubiläums im öffentlichen Kanon eingefordert. Im Frühjahr 2017 initiierten der Fachbereich Frauen und Politik der Landeszentrale für politische Bildung (LpB) und das Netzwerk Frauen & Geschichte Baden-Württemberg ein Treffen von Multiplikatorinnen aus Landesgeschichte, Bildungsarbeit und Frauenpolitik. Das Ziel: Ideen für Aktionen zum Wahlrechtsjubiläum zu sammeln und publik zu machen. Beteiligt waren Vertreterinnen des Landesfrauenrats, der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten, 100 JAHRE FRAUENWAHLRECHT OKTOBER 2018 — JULI 2019 VORTRÄGE AUSSTELLUNG EXKURSIONEN FILME KONZERTE DIALOGE Veranstaltungsreihe 2018/2019 Runder Tisch 100 Jahre Frauenwahlrecht www.tuebingen.de/100JahreFrauenwahlrecht Frauen wählen! Veranstaltungsbroschüre zum Jubiläum 440 x 315 mm schneiden: oben und unten: 83,5 mm links und rechts: 10 mm der Kommission für geschichtliche Landeskunde, aus kirchlichen Akademien, Kulturämtern, Frauengeschichtswerkstätten und dem Ministerium für Soziales und Integration. Gemeinsam überlegten sie, wie 2018/19 als Jahre der Demokratie und des Frauenwahlrechts im Land verankert werden könnten.

Dabei sollte es zum Jubiläum nicht nur um die historische Aufarbeitung gehen, sondern auch um Aktuelles: So war die Gleichberechtigung mit Einführung der Demokratie noch lange nicht erreicht und über die politische Teilhabe von Frauen wird weiterhin diskutiert – etwa rund um die gescheiterte Reform des Landtagswahlrechts. Das Jubiläum bot sich als Aufhänger für eine Vielzahl von Aktivitäten geradezu an. Über einen langen Zeitraum – so die Vision – sollten möglichst viele Kommunen zum Thema Wahlrecht und Demokratie bespielt werden.

Ein solches Projekt erfordert viele Ressourcen. Aus der Projektgruppe wurde daher im Mai 2017 der „Koordinationskreis 100 Jahre Frauenwahlrecht“ mit weiteren Fachleuten aus Frauenbildung, Volkshochschulen, Wissenschaft, Mädchenarbeit, Archiven und Museen. Mit einem Thesenpapier ging der Kreis an die Öffentlichkeit und fragte bei Bildungs- und Kultureinrichtungen das Interesse an Aktivitäten oder konkrete Vorhaben zum Wahlrechtsjubiläum ab. Die vielen Rückmeldungen verwiesen auf Ausstellungen, Vorträge, Tagungen, Publikationen, Internet-Auftritte, lokalhistorische Projekte, intergenerative Formate, Exkursionen und Kunstaktionen. Neben sprudelnden Ideen wurde immer wieder ein hoher Bedarf an inhaltlicher und finanzieller Förderung geäußert.

Veranstaltungsflyer Achern

Eine eigene Stelle hilft

Ohne hauptamtliche Unterstützung hätte der Koordinationskreis die vielen Aktivitäten keinesfalls bündeln und unterstützen können. Entlastend war daher der positive Bescheid des Ministeriums für Soziales und Integration auf einen Antrag hin: Es bewilligte Personal- und Sachmittel für die landesweite Kampagne „100 Jahre Frauenwahlrecht“. Die im Februar 2018 beim Ministerium eingerichtete Koordinierungsstelle wird das Projekt bis Herbst 2019 steuern.

Um Jubiläumsaktivitäten zu ermöglichen und das Thema landesweit ins Bewusstsein zu bringen, legte das Sozialministerium im Juni 2018 ein Förderprogramm auf. Für Vorhaben zum Wahlrechtsgeburtstag und zur politischen Teilhabe von Frauen stand eine Fördersumme von insgesamt 50.000 Euro bereit. Es gingen rund 100 Anträge ein, in denen Kommunen, Institutionen und Vereine um Zuschüsse zu lokalen Aktionen baten. Angesichts dieser großen Zahl und der hohen Qualität der Anträge verdoppelte das Ministerium die Fördersumme. Über 50 Projektanträge konnten bewilligt und sollen bis Herbst 2019 umgesetzt werden.

Veranstaltungsflyer Freiburg
Veranstaltungsflyer Freiburg

Im September 2018 startete überdies die Homepage der Kampagne. Sie unterstützt die jubiläumsmäßig Engagierten und Interessierten auf mehrfache Art: Als Plattform für Vorhaben im Land bietet sie Hintergrundinformation, Literaturtipps, Interviews mit und Kontakt zu politisch aktiven Zeitzeuginnen. Auch finden sich hier Vorlagen für Plakate sowie die Möglichkeit zur Vernetzung der Beteiligten. Ein digitales Archiv soll verhindern, dass die Aktivitäten nach dem Ende der Kampagne vergessen werden.

Zentrum der Website ist eine laufend aktualisierte interaktive Landkarte. Auf einen Blick zeigt sie, wo überall Projekte organisiert werden. Bei Redaktionsschluss fanden sich hier 290 Aktionen zum Jubiläum, darunter

Broschüre Tübingen
Broschüre Tübingen

Einzelvorhaben in großen und kleinen Kommunen wie auch umfassende Veranstaltungsprogramme. Schon wenige Klicks auf die Karte zeigen die Vielfalt an Themen und Formaten: Historische Vorträge und Ausstellungen stehen neben einer „Marie-Juchacz-Matinee“, einem Radioprojekt für Mädchen, Stadtrundgängen oder dem Mentoring-Programm „Politik braucht Frauen“.

Unterschiedliche Organisationen der Zivilgesellschaft realisieren eine Fülle an Aktivitäten in ganz Baden-Württemberg. Kein anderes Bundesland bietet in diesem Jahr eine ähnliche Kampagne zum Frauenwahlrecht. Und doch haben wir es mit keiner reinen Erfolgsgeschichte zu tun: Zentrale Akteure glänzen durch Abwesenheit und mangels finanzieller Ressourcen blieb so manche Projektidee auf dem Papier.

Veranstaltungsflyer Offenburg
Veranstaltungsflyer Offenburg

Dennoch kann mit Stolz auf das Jubiläum geblickt werden: Zu Kampagnen-Beginn war nicht absehbar, wie viele Menschen sich mit großem (oft ehrenamtlichem) Einsatz für dieses Thema stark machen würden. Zu hoffen ist, dass die Kampagne über den Tag hinaus wirkt und das Bewusstsein für (Geschlechter-)Demokratie stärkt. Denn schon vor über 100 Jahren wussten die Kämpferinnen für das Frauenwahlrecht: Demokratie ist kein Geschenk – sie muss immer neu erkämpft werden.

Ein Beitrag von Beate Dörr in Momente 1|2019.

Daten und Fakten zur Kampagne "100 Jahre Frauenwahlrecht in Baden-Württemberg":

März 2017: Treffen von Multiplikator/innen zum Wahlrechtsjubiläum Gründung Koordinationskreis 100 Jahre Frauenwahlrecht

Februar 2018: Einrichtung Koordinierungsstelle im Ministerium für Soziales und Integration (Vollzeitstelle bis 31.12.2019)

Fachliche Beratung durch Lenkungskreis (LpB, Frauen & Geschichte Baden-Württemberg, Landesfrauenrat)

Förderprogramm für Kleinprojekte: gut 50 bewilligte Vorhaben bis Herbst 2019

Homepage: www.frauenwahlrecht-bw.de

Abschluss der Kampagne im Spätherbst 2019