Es zeugt von der menschlichen Größe Anna Haags, die von 1888 bis 1982 gelebt hat, auch die trostlosen Ereignisse, die ihre Generation mit zwei Kriegen zu überstehen hatte, in vordergründig harmlosen, oft auch komisch wirkenden Alltagsszenen beschreiben zu können. Diese Schriftstellerin war Politikerin und Pazifistin mit Haut und Haar.
Ein besonderes Zeitzeugnis ist ihr Kriegstagebuch. So vollständig, vorzüglich werk- und textkritisch, wie in der jetzt erschienenen Edition, ist es noch nicht publiziert worden. Anna Haag hat zwischen 1940 und dem Kriegsende im Mai 1945 Buch geführt und ihre Aufzeichnungen im Kohleund Kartoffelkeller ihres Hauses in Stuttgart-Sillenbuch versteckt halten müssen. Das Tagebuch war für diese aufrechte, klug analysierende Frau ein Medium, schädliche Aggressionen und Wut aufs Papier zu bannen, um die Kraft zum Überleben zu erhalten. Drei ihrer Enkel haben nun die Publikation dieses Tagebuchs in englischer Übersetzung und mit einem gut dokumentieren Forschungsbericht gefördert. In der Edition wird der deutsche Originaltext in Fußnoten belegt. Deutschen Forschenden gestatteten es die Erben in der Vergangenheit selten, aus dem im Stadtarchiv Stuttgart liegenden maschinenschriftlichen Manuskript größere Textpassagen zu zitieren.
Anna Haags nun endlich lesbare Aufzeichnungen zeigen, wie sie im mutigen Einsetzen für Frieden und mit ihrer Mitarbeit in verschiedensten sozialen Bereichen Sinn und Bestätigung gefunden hat.
Ein Beitrag von Dr. Mascha Riepl-Schmidt in Momente 4|2017.
Anna Haag and her Secret Diary of the Second World War. A Democratic German Feminist’s Response to the Catastrophe of National Socialism. Von Edward Timms. Bern: Peter Lang 2016. 268 S., mit Abb., ISBN: 978- 3-03539-761-1, 3 59,50