Edwin Ernst Weber, Kreisarchivar und Kulturreferent des Landkreises Sigmaringen und Geschäftsführer der Gesellschaft Oberschwaben, hat mit diesem auch buchgestalterisch sehr ansprechenden Sammelband eine Lücke geschlossen, die man als Literaturliebhaber des Landes ahnen konnte. Die zehn Kapitel verfassten ausgewiesene Kennerinnen und Kenner der Materie: Peter Blickle, Manfred Bosch, Oswald Burger („Das Literarische Forum Oberschwaben“), Ewald Gruber, Anton Philipp Knittel, Ulrike Längle („Literatur in Oberschwaben und Vorarlberg nach 1945“), Peter Renz („Martin Walser als Patron der oberschwäbischen Literatur“), Franz Schwarzbauer („Der ‚Ravensburger Kreis“), Jan Robert Weber („Ernst Jünger in Oberschwaben“) und der Herausgeber selbst („Literaturlandschaft Oberschwaben“). Sie behandeln anschaulich die Voraussetzungen, Bedingungen und Schauplätze sowie die alten und neuen Protagonisten der oberschwäbischen Nachkriegsliteratur. Der Verfasserund Perspektivwechsel sorgt für Abwechslung bei der Lektüre. Boschs Überblick „Oberschwaben als literarische Landschaft nach 1945“ liefert die Ouvertüre und macht faktenreich klar: „Der Landstrich zwischen Ulm und Bodensee, Baar und Iller ist für manche Entdeckung und Überraschung gut.“ Ewald Gruber formuliert im Untertitel bzw. im ersten Satz seines Beitrags: „Die ‚Gruppe ’45 in Saulgau“‛ pointiert Perspektive („Wie ein Zaungast sie erlebte“) und Thema: „Vom 23. bis zum 27. Oktober 1963 war Saulgau
die Hauptstadt der deutschen Nachkriegsliteratur.“ Im Hotel „Kleber-Post“ trafen unter der souveränen Regie von Hans Werner Richter aufeinander: Starkritiker wie Hans Mayer, Walter Höllerer, Walter Jens und Marcel Reich-Ranicki, ein „Dutzend Debütanten“, Autoren wie Hans Magnus Enzensberger, Peter Weiss und Wolfgang Hildesheimer sowie – als Zuhörer – Ernst Bloch, Erich Fried, Uwe Johnson, Martin Walser, Siegfried Lenz, Spiegel-Chef Rudolf Augstein u.a. Ein Brief von Günter Grass in der Dauerausstellung des Literaturmuseums der Moderne in Marbach macht klar, dass für manchen Teilnehmer der Gastort selbst bislang ein weißer Fleck auf der Deutschlandkarte war. Grass fragt den Briefempfänger Johannes Bobrowski nämlich: „Wird uns der [sic!] Saulgau beim Glase vereint sehen?“ Dass das landschaftlich liebliche Oberschwaben auch alle Qualitäten einer tödlichen Falle haben kann, wird in Anton Philipp Knittels sensibler Würdigung der drei Marien Oberschwabens – Maria Beig, Maria Menz und Maria Müller-Göggler – ebenso deutlich wie in den klugen Analysen Peter Blickles („Das Oberschwabenbild in der neueren regionalen Literatur“). Ein Orts- und Personenregister und die generöse Bebilderung mit Fotos, Zeichnungen und Faksimiles – darunter fabelhafte Aufnahmen von Rupert Leser aus dessen Nachlass im Haus der Geschichte Baden-Württemberg – tragen überdies zur Bedeutung dieses buchstäblich gewichtigen Bandes für alle Interessierten bei.
Ein Beitrag von Dr. Dietmar Jaegle in Momente 1|2018.
Literatur in Oberschwaben seit 1945. Hg. von Edwin Ernst Weber. Messkirch: Gmeiner Verlag 2017. 248 S. mit zahlr. Abb., ISBN: 978-3-8392-2086-3, 22 €