„Drum hütet euch vor Hochverrat, Ihr guten Württemberger! Denn solche Missethat Wird oft bestraft noch ärger!“ So endet eine wohl 1835 entstandene Moritat über eine noch zu wenig bekannte vormärzliche Umsturzbewegung. Angefeuert von den europäischen Revolutionen 1830/31 und im engen Kontakt zu polnischen und französischen Freischärlern wollte der Ludwigsburger Leutnant Ernst Ludwig Koseritz einen republikanischen Aufstand in Württemberg initiieren. Er mobilisierte gleichgesinnte Militärs und schloss sich mit den entschiedenen Republikanern um Friedrich Gottlob Franckh und Georg David Hardegg zusammen. Die Verschwörer einte das Ziel einer gerechten, dem Volk dienenden Gesellschaftsordnung. Uneins waren sie über die Mittel. Würde eine militärische Initialzündung ausreichen, um aus der weit verbreiteten Unzufriedenheit einen Aufstand zu entfesseln, oder müsste man zunächst die Bevölkerung im Sinne der Republik aufklären oder aufwiegeln? Die Probe aufs Exempel blieb aus, denn Anfang 1833 wurden die Verschwörer verhaftet, gut fünf Jahre später zu hohen Strafen verurteilt, dann jedoch bald begnadigt oder verbannt.
Arnsberg beschränkt sich nicht auf die Darstellung dieses regionalhistorisch interessanten Beispiels der vormärzlichen Freiheitsbewegungen, sondern er ordnet die Verschwörung in den breiteren Kontext zeitgenössischer Diskurse und europaweiter Aktionen ein. Die Studie ist Ergebnis seiner langjährigen Beschäftigung mit dem Thema; sie basiert in großen Teilen auf seiner 1986 auf Hebräisch vorgelegten Dissertation. Unter diesem langen Bearbeitungszeitraum
hat bedauerlicherweise der Anmerkungsapparat gelitten. Zahlreiche Zitate sind unzulänglich belegt, denn in den Fußnoten sind nicht die Dokumente genannt, sondern nur Bestandssignaturen, diese aber wegen der Neuverzeichnung einschlägiger Bestände 1991 nicht eindeutig. So werden bis zu sechs Aktenbüschel angegeben, in denen sich das gesuchte Zitat – von dem man weder Dokumentart noch Datum kennt – heute befinden könnte. Dieses Versäumnis auch des Lektorats ist für Forscher ärgerlich. Für interessierte Laien bietet das Buch interessante Einblicke in das Selbstverständnis, die Zielvorstellungen und die internen Konflikte der württembergischen Republikaner. Es lässt die oft bedrückenden Lebensumstände von Unteroffizieren und Kleinbauern lebendig werden, zeigt auf der strukturellen Ebene internationale Netzwerke auf und bettet ideengeschichtlich das konkrete Beispiel in den europäischen Kontext ein. Arnsbergs Studie will die gescheiterten württembergischen Verschwörer würdigen, die ihr Leben für die Idee einer freien, gleichen und gerechten Republik aufs Spiel setzten. In seiner unleugbaren Sympathie für sie überschätzt er freilich die Erfolgsaussichten ihres Umsturzversuchs: Dieser war angesichts der heterogenen Gesellschaftsstrukturen, des geringen revolutionären Potenzials in der Bevölkerung und mit den Machtverhältnissen des Deutschen Bunds und der europäischen Garantiemächte zum Scheitern verurteilt.
Ein Beitrag von Dr. Franziska Dunkel in Momente 1|2019.
… über die Notwendigkeit einer deutschen Republik. Die württembergische Militär- und Zivilverschwörung 1831-33. Von Gad Arnsberg. Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag 2017. 447 S., 10 Abb., ISBN 978-3-17-032444-2, 42 €