Das Thema der Tagung, die dem Band zugrunde liegt, wurde 2014 aus aktuellem Anlass gewählt: Krise der Banken und der Staatsfinanzierung. Gerhard Fouquet wertet Gerichtsprotokolle aus Oberingelheim aus. Klagen gegen säumige Zahler waren häufig und betrafen alle sozialen Schichten. Ein Teil der Schulden entstand aus Arbeitsbeziehungen, ein anderer aus Handelsgeschäften. Insgesamt scheinen die Ingelheimer zwar stark verschuldet, aber doch in der Lage gewesen zu sein, die nötigen Geldflüsse zu organisieren und sich durchzulavieren. Vertrauen unter den Einwohnern, die sich ja stets in neuen Rollen wiederbegegneten, bestand nicht per se, sondern wurde durch das Gericht vermittelt.
Enno Bünz erforscht die Kreditvergabe durch Pfarrkirchen und ihre Stiftungen. Für das Spätmittelalter ist kaum eine Rechnung erhalten. Aus Beispielen lässt sich auf ein begrenztes Volumen der Kreditvergabe schließen, da die wenigsten Kirchen über eine reiche Finanzausstattung verfügten. Eine Ausnahme machten wahrscheinlich Wallfahrtskirchen. Charakteristisch ist die lange Laufzeit der Kredite und die Ausleihe auf einem regionalen (nicht nur lokalen) Geldmarkt.
Die Klöster St. Alban in Basel und St. Verena in Zürich sowie das Basler Spital stehen im Mittelpunkt des Beitrags von Hans-Jörg Gilomen. St. Alban erscheint eher als Schuldner denn als Gläubiger auf dem Kreditmarkt und verkaufte in erheblichem Maß Renten mit starker Konzentration auf Basel selbst. St. Verena dagegen vergab in einigem Umfang Kredite an seine Bauern. Das Spital schließlich war ein wichtiger Kreditgeber der Stadt Basel. Keine der Institutionen
engagierte sich stark auf dem ländlichen Kreditmarkt. Dennoch wurde die Verschuldung von Bauern bei geistlichen Einrichtungen kritisch gesehen.
Dass Ritter nicht nur arm und von sozialem Abstieg bedroht waren, belegt Kurt Andermann am Beispiel der Herren von Gemmingen. Diese konnten im 16. Jahrhundert Institutionen und Einzelpersonen recht umfangreiche, in der Höhe variable Kredite gewähren. Für Fürsten waren Adlige wichtige Kreditgeber. Verschuldete sich ein Landesherr bei Adligen, band er den Gläubiger zugleich politisch an sich.
Kredite von Juden an Christen gingen oft auf anderweitige Handelsgeschäfte zurück, lassen also auf recht enge ökonomische Kontakte schließen, wie Sabine Ullmann zeigt, änderten aber nichts an der sozialen Distanz. Juden nahmen auch Kredite bei Christen auf, und sie waren nie die exklusiven Kreditgeber. Franz Irsigler greift Beispiele auf, in denen kein Kredit gewährt, sondern Barzahlung verlangt wurde. Das galt z.B. für den Fernhandel mit Ochsen aus Ungarn, Pferde aus Flandern oder Elsässer Wein. Der Weg zur modernen Kreditwirtschaft war schwierig, wie Günther Schulz belegt. Sparkassen entstanden häufig aus pädagogischen Motiven (Erziehung zur Sparsamkeit), Volks- und Raiffeisenbanken aus Selbsthilfegruppen, während die Großbanken die Distanz zu Kleinsparern wahrten. Einen grundsätzlichen Bruch gab es um 1800 nicht. Die Impulse des 18. Jahrhunderts wirkten noch lange im 19. Jahrhundert nach.
Ein Beitrag von Dr. Andreas Maisch in Momente 4|2017.
Zins und Gült. Strukturen des ländlichen Kreditwesens in Spätmittelalter und Frühneuzeit. Hg. von Kurt Andermann und Gerhard Fouquet. Epfendorf: Bibliotheca Academica 2016. 181 S., ISBN: 978-3- 928471-99-2, € 29,-