Ein einflussreicher Industrieller
Arnold Staub ist ein bedeutender Wirtschaftspionier und Interessenvertreter der Baumwollindustrie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Mit der einzigartigen Arbeitersiedlung in Kuchen hat er sich ein Denkmal gesetzt.
Arnold Staub, geboren am 12. Oktober 1820 in Zürich, betätigt sich in der Schweiz in leitenden Funktionen in der Textilbranche, bevor er nach Geislingen-Altenstadt übersiedelt, wo sein Vater 1852 eine mechanische Baumwollspinnerei gegründet hat, um die deutschen Schutzzölle auf Baumwollgarne und -gewebe zu umgehen. Nach dessen Tod 1854 übernehmen Arnold und sein älterer Bruder Emil das Unternehmen. Im selben Jahr heiratet Arnold Henriette Bühler, die Tochter eines Züricher Spinnereibesitzers. Sie stirbt bereits 1857 und hinterlässt ihm zwei Kinder. 1857/58 errichtet er im nahegelegenen Kuchen eine Baumwollweberei. Der Websaal mit 400 mechanischen Webstühlen gilt als der größte Europas.
1859 zieht er mit seiner zweiten Frau Emma Bourry, die einer vermögenden Familie aus St. Gallen entstammt, nach Stuttgart. Dort führt er ein herrschaftliches Haus und verkehrt mit Mitgliedern des Hofes und der Regierung. Seine Begeisterung für die Jagd und Ausritte auf einem Araberschimmel bringen ihm den Beinamen „Marquis de la Poussière“ ein.
Staub, der Kuchen wegen der Wasserkraft der Fils und der 1852 eröffneten Eisenbahnlinie Stuttgart-Ulm als Standort gewählt hat, tut sich schwer, Arbeiter aus den umliegenden Dörfern für seine stets wachsende Fabrik zu gewinnen. Um auswärtige Arbeitskräfte an das Werk zu binden, errichtet er zwischen 1858 und 1887 eine Arbeitersiedlung mit vorbildlichen Freizeit-, Kultur und Versorgungseinrichtungen. Spektakulär ist das Herzstück der Anlage, das erste Bade- und Waschhaus in Württemberg. Staub wird dafür auf der Weltausstellung in Paris 1867 mit der Goldmedaille und dem höchstdotierten Preis von 10.000 Francs ausgezeichnet. Napoleon III. überreicht ihm in Geislingen persönlich das Ritterkreuz der französischen Ehrenlegion.
Staub ist überdies Mitbegründer und bis zu seinem Tode Vorsteher der 1860 eröffneten Industrie- und Handelsbörse, damals „Stuttgarter Industrie- Börsenverein“ genannt. Als Vorstand des 1870 gegründeten Vereins Süddeutscher Baumwoll-Industrieller berät er die Regierung und setzt sich – wie sein Vorbild Friedrich List – für die Einführung von Schutzzöllen ein.
1872 zählt seine Baumwollspinnweberei mit 1.200 Arbeitern zu den bedeutendsten und technisch fortschrittlichsten des Landes. Doch Staubs Erfolg ist nicht von Dauer. Hochwasserschäden, die Wirtschaftskrise 1873/74, ein Großbrand 1876 und sein aufwendiger Lebensstil bringen ihn an den Rand des Ruins. 1881 zwingen ihn seine Teilhaber und württembergische Banken zum Rücktritt aus der Geschäftsführung. Die überschuldete Firma „Staub & Co.“ wird aufgelöst und 1882 in die Aktiengesellschaft „Süddeutsche Baumwollindustrie“ umgewandelt. Staub zieht sich auf den ihm verbliebenen Betrieb in Geislingen-Altenstadt zurück, der ebenso hoch verschuldet ist. Aus Verzweiflung über den Tod seiner zweiten Frau und den Verlust von Ansehen und Vermögen begeht er am 7. Dezember 1882 Selbstmord – zwei Tage vor Eröffnung des Konkursverfahrens. Er hinterlässt fünf Kinder.
Ein Beitrag von Anne Hermann in Momente 02|2011.