Eine sozial engagierte Netzwerkerin
Elisabeth Gottheiner wird am 26. März 1874 in Berlin als Tochter des Geheimen Baurates Eduard Albert Gottheiner und seiner Frau geboren. Die jüdische Familie des liberalen Bürgertums unterstützt ihre Tochter in dem Bedürfnis nach Bildung: Sie soll die höhere Töchterschule in Berlin besucht haben und in den Gymnasialfächern privat unterrichtet worden sein. Ihre Mutter verstirbt früh.
Ein England-Aufenthalt vermittelt der 16-jährigen Elisabeth Impulse, die ihr weiteres Leben prägen. Hier gründen ihr Eintreten für die Frauenbewegung, ihr soziales Engagement und ihre internationale Offenheit. Es kann als sicher gelten, dass sie in England auch die Gartenstadtbewegung des Ebenezer Howard kennenlernt.
Elisabeth Gottheiner ist 1896, als die ersten jungen Frauen in Berlin ihr Abitur machen, 22 Jahre alt. Offen bleiben muss, ob sie überhaupt Abitur gemacht hat. 1899 geht sie zum Studium nach London. Später wechselt sie an die Universität Berlin, wo man ihr allerdings die Promotion verbietet. Elisabeth promoviert daraufhin in Zürich 1902 mit einer Arbeit, die sowohl ihr soziales als auch ihr emanzipatorisches Interesse verrät: „Studien über die Wuppertaler Textilindustrie und ihre Arbeiter in den letzten 20 Jahren“.
Am 5. November 1906 heiratet sie Sally Altmann, Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie aus Berlin. Sally Altmann wird als Dozent an die Handelshochschule Mannheim berufen. Ob er in seinen Berufungsverhandlungen die Beschäftigung von Elisabeth erwirkt, ist nicht dokumentiert. Aber es ist doch außergewöhnlich, dass sie als „Lehrkraft für einzelne Vorlesungen“ angestellt wird. Sie ist damit die erste Hochschuldozentin in Deutschland.
Neben ihrer Dozententätigkeit engagiert sich Elisabeth öffentlich. So finden wir sie 1908 vorbereitend im Aufsichtsrat der Mannheimer Gartenvorstadt-Genossenschaft, die am 26. August 1910 gegründet wird. Ziel dieser Genossenschaft ist es, bezahlbare Wohnungen mit Gartenanteil vor der Stadt zu schaffen. Die Bewohner sollen einen Teil der notwendigen Lebensmittel auf eigenem Grund anbauen können.
Außerdem setzt Elisabeth ihre Aktivitäten in der Frauenbewegung fort. 1908 wird sie Mitglied des BDF und vertritt ihn mehrfach bei internationalen Tagungen. Zwischen 1912 und 1924 ist sie als Herausgeberin und Schatzmeisterin für den Verein tätig. Im Herbst 1908 wird sie außerdem in den Vorstand des Vereins Frauenbildung – Frauenstudium gewählt und sie ist zweite Vorsitzende der Gedok. Während des Ersten Weltkrieges engagiert sich das Ehepaar intensiv in der Kriegsfürsorge der Stadt.
Hatte die Gartenstadtbewegung bis 1914 lebhaftes Interesse hervorgerufen, so stagnieren während des Krieges alle Aktivitäten. Es scheint, dass Elisabeth danach ihre Tätigkeit für die Genossenschaft nicht wieder aufnimmt.
Im März 1925 wird Elisabeth Altmann-Gottheiner auf Antrag von Rektorat und Senat der Handelshochschule zur Professorin ernannt. In einem Brief an Kultusminister Willy Hellpach dankt Elisabeth für die Ehrung, „die mir als Frau doppelt wertvoll ist“. Das Leben des Ehepaares wird nach dem Krieg durch eine psychisch bedingte Krankheit ihres Mannes belastet. Zusätzlich verdunkeln der wachsende Antisemitismus an der Hochschule und in der Stadt sowie der Beginn ihrer eigenen Krankheit Elisabeths letzte Lebensjahre. Sie stirbt am 21. Oktober 1930.
Ein Beitrag von Dr. Rosmarie Günther in Momente 1|2016.