Eine radikale Demokratin
„Jeder Mensch sollte ein Flügel seiner Zeit werden, aber die meisten sind Blei.“ Die Übersetzerin und Schriftstellerin Emma Herwegh engagiert sich stets für Menschenrechte und eine freiheitliche Demokratie.
Die am 10. Mai 1817 in Magdeburg geborene Tochter eines reichen Kaufmanns ist umfassend gebildet. Emma Siegmund spricht mehrere Sprachen, übersetzt Lyrik und diskutiert gern im Berliner Salon der Eltern über Politik. Sie interessiert sich für die Julirevolution 1830 in Frankreich und sympathisiert mit polnischen Freiheitskämpfern. In den „Gedichten eines Lebendigen“ von Georg Herwegh sieht sie eine „heilige Waffe gegen innere und äußere Sklaverei“. Als der Dichter im Herbst 1842 nach Preußen kommt, lädt sie ihn ein. Nach einer Woche mit langen Gesprächen verloben sich die 25-Jährigen. Emma schreibt an Georg: „Du bist mir das verkörperte Bild der Freiheit, nach der ich, solange ich lebe, mich gesehnt.“ Ihre 1843 geschlossene Ehe versteht sie als gemeinsamen Kampf für politischen Fortschritt. An diesem Ideal hält sie fest, auch wenn Georg Herwegh Liebesbeziehungen zu anderen Frauen sucht. Die
Mitgift erlaubt einen mondänen Lebensstil in Paris. Den Salon von Emma Herwegh besuchen Karl Marx, Michail Bakunin und Iwan Turgenjew. Schon im Vormärz wird sie politisch aktiv. In Berlin findet im Herbst 1847 der Prozess gegen die Teilnehmer eines geplanten polnischen Aufstandes statt. Emma Herwegh reist in ihre Heimatstadt und erwirkt die Erlaubnis zum Besuch der Gefangenen in Moabit. Sie setzt sich für bessere Haftbedingungen ein und übermittelt Nachrichten zwischen den Angeklagten und deren Angehörigen in Paris. Ebenso entschlossen kämpft Emma Herwegh für die „Europäische Republik“, als sich nach Beginn der Februarrevolution 1848 in Paris auch in der badischen Grenzregion die Gelegenheit hierfür bietet. Wiederholt versucht die Kurierin der „deutschen demokratischen Legion“ Friedrich Hecker vom vereinten Kampf für die Republik zu überzeugen.
Als die Presse die politische Rolle der Herweghs verzerrt darstellt, schaltet sie sich in den Deutungsstreit ein und bietet mit der Schrift „Zur Geschichte der deutschen demokratischen Legion aus Paris, von einer Hochverraeterin“ 1849 ihre Darstellung der Geschehnisse, die indes sofort verboten wird. Sie endet mit der Parole: „Vive la République démocratique et sociale!“
In den 1850er-Jahren unterstützt Emma Herwegh die italienischen Freiheitskämpfer um Giuseppe Garibaldi und freundet sich eng mit Felice Orsini an. Ihr Salon in Zürich ist ein europäischer Mikrokosmos, in dem auch Spenden für Garibaldi gesammelt werden. Ihrem Freund Orsini schickt Emma Herwegh 1856 Bücher mit eingebundenen Sägeblättern ins Gefängnis und verhilft ihm so zur Flucht.
Nach dem Tod von Georg Herwegh veranlasst sie die Herausgabe seiner „Neuen Gedichte“ durch Ludwig Pfau. Über 25 Jahre lang lebt sie in Paris in billigen Studentenzimmern und verdient ihren Unterhalt mit Unterricht und Übersetzungen. Emma Herwegh stirbt am 24. März 1904 in Paris. Das Grab der Kämpferin für Menschenrechte liegt in Liestal im Kanton Basel-Land.
Ein Beitrag von Dr. Sabrina Müller in Momente 1|2017.