Laura Schradin (1878 bis 1937)
Laura Schradin (1878 bis 1937) (Foto: Heimatmuseum Reutlingen)

Am 7. September 1878 wird Maria Laura als Tochter von Barbara (geb. Künstle) und Johannes Pfennig in eine Reutlinger Weingärtnerfamilie hineingeboren. Sie besucht die Volksschule und lernt Lesen, Rechnen und Schreiben, doch eine höhere Töchterbildung bleibt ihr aus ökonomischen Gründen verwehrt. Früh muss sie mit Heimarbeit zum Lebensunterhalt der Familie beitragen.

Die jugendliche Laura hört 1892 Clara Zetkin in Reutlingen sprechen und lernt die Schriften von Bebel, Marx und Engels kennen. Sie bildet sich im Selbststudium fort. Mit 18 Jahren zieht Laura aus dem Elternhaus aus und wird Weberin bei dem Reutlinger Unternehmen Hecht und Gross, wo sie von 1896 bis 1900 arbeitet und ihren späteren Ehemann, den Prokuristen Fritz Schradin, kennenlernt.

1897 tritt sie in die Sozialdemokratische Partei ein und beginnt mit ihrer politischen Arbeit. Sie reist als erfolgreiche Rednerin durch Württemberg und hält Vorträge zur Frauenfrage, zum Kinderschutz und zur Schulfrage. Im August 1907 gründet sie in Reutlingen eine Ortsgruppe des „Verbandes junger Arbeiter und Arbeiterinnen“.

Nach der Heirat 1904 und der Geburt ihrer Tochter Hedwig im Jahr 1910 bleibt sie – unterstützt von ihrem Ehemann – politisch aktiv. In einer Rede in Reutlingen am 9. März 1914 spricht sie über die „Ursachen des Geburtenrückgangs“ und wirbt für das Frauenstimmrecht: „Die Frauen hätten zwar das Recht, Kinder zu gebären 

und dem Staat Soldaten zu liefern, ihnen aber das Recht zu geben, an den Geschicken des Volkes mitzuarbeiten, dazu könne man sich nicht entschließen.“

Während des Ersten Weltkrieges gründet sie – auch mit finanzieller Unterstützung ihres Mannes – die „Kriegsflickwerkstätten“, in denen die kriegsbedingt arbeitslos gewordenen Textilarbeiterinnen ein Mehrfaches an Lohn erhalten wie bei den Heeresaufträgen in der Konfektionsindustrie. 1917 setzten 2.200 Frauen in zehn Flickwerkstätten Soldatenwäsche und Uniformen instand. Auf den Vorwurf hin, sie würde sich persönlich bereichern, stiftet sie die Überschüsse der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) für die Förderung der Gesundheit von Frauen.

Laura Schradin gehört zu den 13 Frauen, die am 12. Januar 1919 in die Verfassungsgebende Landesversammlung von Württemberg gewählt werden. Sie engagiert sich für die von Entlassung bedrohten Lehrerinnen und für Lernmittelfreiheit in den Schulen. Eine Kandidatur für den Reichstag 1920 scheitert, da die SPD zu wenig Stimmen erhält. Von 1920 bis 1925 ist sie nur noch im Gemeinderat Reutlingen aktiv, in den sie schon 1919 gewählt wird. Sie arbeitet im Schulkuratorium der Frauenarbeitsschule Reutlingen mit und ist 1921 Mitbegründerin der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Reutlingen.

Anfang 1925 zieht sie sich aus gesundheitlichen Gründen aus dem Gemeinderat zurück. Durch die Inflation mittellos geworden und inzwischen verwitwet, muss sie eine Stelle im Büro des Konsumvereins anzunehmen, da ihre Rente nicht ausreicht. In den letzten Lebensjahren ist sie weiter als Rednerin aktiv, ab 1927 nicht mehr nur für die SPD, sondern auch für die „Reichspartei für Volksrecht und Aufwertung“, um auf die Not in der Bevölkerung durch die Inflation aufmerksam zu machen.

1933 zieht sie aus privaten Gründen nach Tübingen. Als „Hetzerin“ denunziert, wird sie zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Am 8. März 1937 stirbt Laura Schradin mit 58 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls. Eine berufsbildende Schule in Reutlingen, die 1868 als erste Frauenarbeitsschule in Deutschland gegründet wurde, trägt heute ihren Namen.

Ein Beitrag von Corinna Schneider M.A. in Momente 1|2019.