Das Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg bewahrt mit den Tagebüchern von Ludwig Beckh aus der Zeit von 1873 bis 1928 eine wirtschafts-, technik- und sozialgeschichtliche Quelle von allerhöchstem Rang. Teilweise täglich hält der Ingenieur Ereignisse seines beruflichen und privaten Lebens fest.
Ludwig Beckh wird am 12. November 1855 geboren, seine Eltern sind Amalie geb. Finck und der Bahnbauingenieur August von Beckh (1809 – 1899). Der Vater ist mit den Vorarbeiten zur Eisenbahn von Stuttgart nach Ulm ebenso befasst wie mit dem Bahnhof in Stuttgart, dem Enzviadukt oder der Gotthardbahn. 1866 erhält er den Personaladel.
Ludwig Beckh wächst in Zürich und ab 1860 in Stuttgart auf, wo er Maschinenbau an der TH studiert. Er arbeitet zunächst als technischer Zeichner an der TH, anschließend als Angestellter des damals hoch angesehenen Ingenieurs Prof. Wilhelm Kankelwitz.
Zur Frage seiner Berufswahl schreibt Beckh 1881: „Ich hatte nun also die Wahl, ob ich in den Staatsdienst oder bei Decker eintreten wollte. Decker wollte mir für den Anfang nur M 1.500 jährlich geben, während ich bei Kankelwitz zuletzt M 1.800 gehabt hatte. Bei der Eisenbahn hätte ich nur etwas über 1.000 M verdient.“ Er entschied sich für die Gebr. Decker in Bad Cannstatt. Zur Übernahme des Unternehmens durch die Maschinenfabrik Esslingen (ME) schreibt Beckh 1882: „Gebr. Decker hatten im Sommer 1881 gemeinschaftlich mit der Maschinenfabrik Esslingen die Eisenconstructionen für die Bahnhöfe Friedrichsstraße und Alexanderplatz für die im Bau begriffene Berliner Stadtbahn zur Ausführung erhalten. Aus diesem Zusammenarbeiten ergaben sich Verhandlungen zwischen beiden Fabriken über weiteres gemeinschaftliches Vorgehen, die schließlich zu einer völligen Vereinigung führten. Gebr. Decker hatten in der Gründungsperiode nach dem 70er Krieg sehr teuer gebaut und konnten nur unter weitgehender Unterstützung der Vereinsbank, welche auch an der Maschinenfabrik Esslingen beteiligt war, sich aufrecht erhalten. Die Interessen der Vereinsbank forderten daher, dass beide Fabriken zusammen arbeiten mussten.“
Weitere Berufsstationen sind ab 1885 Hildt & Metzger in Stuttgart-Berg, ab 1888 die Schlackenzementfabrik Gebr. Erhardt & Lingenbrink in Neunkirchen/ Saar, 1890 – 1892 die Gießerei- und Maschinenfabrik Konstanz sowie bis 1902 die Klotz‘sche Maschinenfabrik Stuttgart. Danach arbeitet Beckh bis 1906 als selbständiger Ingenieur.
Er heiratet 1891 Johanna Kayser aus Konstanz, das Ehepaar lebt in Stuttgart und bekommt zwei Kinder: August 1892, Gertrud 1894. Beckh wird ab 1883 schwerhörig und ertaubt 1909. Seine Eintragungen bleiben detailliert, die schwere Verwundung seines Sohnes im Sommer 1915 hält er ebenso fest wie die Revolution 1918 und den Generalstreik im März 1919.
Beckh stirbt 1928 in Stuttgart, der letzte Eintrag im Tagebuch stammt von seiner Frau: „6. August Vater Ludwig Beckh im Katharinenhospital Stuttgart gestorben. Am Sarg wurden Kränze niedergelegt von der Normenabteilung und der Robert Bosch AG, dann vom Altherrenverband des akademischen Vereins ‚Hütte‘ sowie vom Württ. Stenografenbund. 13. August Beisetzung der Urne im Beckhschen Grab. Johanna Beckh geb. Kayser“.
Der Zugang zu den rund 3.000 Seiten gut leserlichen handschriftlichen Aufzeichnungen wird durch ein Register mit Einträgen wie „Militärzeit, Fabrikation von Schlackensteinen, Reise nach Paris zur Weltausstellung, Reichstagswahl, Meine Tätigkeit als technischer Leiter“ erleichtert. Aus den Eintragungen geht auch hervor, dass Beckh mit vielen namhaften Persönlichkeiten aus Stuttgart und Esslingen bekannt war, darunter Robert Bosch.
Ergänzt werden die Tagebücher durch eine Familienchronik und zwei Fotoalben, die vor allem die Reisen der Familie nach Bayern, Österreich, in den Schwarzwald sowie an den Bodensee dokumentieren, die aber auch Ansichten von Stuttgart (u.a. Nill’s Tiergarten) oder der Ausstellung in Paris 1900 enthalten.
Ein Beitrag von Jutta Hanitsch in Momente 1|2018.