Die Entwicklung des reformierten Pfarrerstandes in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ist eng mit dem Rollenbild der evangelischen Pfarrfrau verknüpft. Als Reformatorengattin prägt Wibrandis Rosenblatt diesen Stand mit.
Wibrandis Rosenblatt kommt im Jahr 1504 als Tochter der Magdalena Strub und des Hans Rosenblatt im damals vorderösterreichischen Städtchen Säckingen zur Welt. Über ihre Kindheit und Jugend ist nichts bekannt. 1524 heiratet Wibrandis den Magister der freien Künste Ludwig Keller. Im Jahr darauf gebärt sie ihr erstes Töchterchen Wibrandis. Nur kurz währt die erste Ehe, denn bereits 1526 stirbt Keller.
Ein halbes Jahr später, im Januar 1527, erwägt der Basler Reformator Johannes Oekolampad erstmals eine Verehelichung. Mitte März heiraten dann der 45-jährige Priester und die 20 Jahre jüngere Wibrandis. In dieser Ehe bringt Wibrandis Rosenblatt kurz nacheinander drei Kinder zur Welt. Die junge Pfarrfrau wächst bald in das Beziehungsnetz ihres Ehemannes hinein und weiß es aktiv zu unterstützen. Im Herbst 1531 erkrankt Oekolampad schwer und stirbt wenig später.
Um dieselbe Zeit verliert Wolfgang Capito, ein Reformator aus Straßburg, seine Frau. Nun fädeln befreundete Kollegen von Capito, allen voran Martin Bucer, eine neue Ehe zwischen dem verwitweten Reformator und der verwitweten Reformatorengattin ein. Capito bringt sechs Kinder aus erster Ehe in die neue Verbindung mit. In den folgenden Jahren kommen fünf weitere Kinder auf die Welt. 1541 fordert die Pestepidemie auch in der Familie Capito-Rosenblatt vier Opfer, drei Kinder und den Familienvater selbst.
Die Frau von Martin Bucer, dem bekannten Straßburger Reformator, stirbt zur selben Zeit und bittet kurz vor ihrem Tod sowohl Wibrandis als auch Martin, dass sie einander heiraten sollen. Am 16. April 1542 verbinden sich die Familien tatsächlich miteinander. Wibrandis wird nun auch Mutter für den behinderten Nathanael, den einzigen Sohn, der Bucer geblieben ist. Von Martin bekommt Wibrandis weitere zwei Kinder und nimmt zudem die jüngste Tochter ihres verstorbenen Bruders in ihr Haus auf. Da das rekatholisierend wirkende Augsburger Interim auch in der Reichsstadt Straßburg streng durchgesetzt wird, geht Martin Bucer 1549 nach England ins Exil. Wibrandis Rosenblatt kann 1550 mit einigen Kindern nachkommen, doch wenigspäter erkrankt Bucer schwer und stirbt am 28. Februar 1551 in Cambridge.
Nach zwei Jahren in Straßburg kehrt Rosenblatt schließlich nach Basel zurück, wo ein familiäres Netz sie auffängt. Am 1. November 1564 fällt sie einer Pestepidemie zum Opfer und wird im Grab ihres zweiten Mannes Johannes Oekolampad im Kreuzgang des Basler Münsters beigesetzt.
Anders als Katharina Zell oder Argula von Grumbach mischt sich Wibrandis Rosenblatt nicht öffentlich mit eigenen theologischen Stellungnahmen in die reformatorischen Debatten ein. Aber als mehrfache Reformatorengattin prägt sie das neue Rollenmodell der evangelischen Pfarrfrau mit. Deren Aufgaben als Gefährtin und Gehilfin des Ehemannes sind es, den Haushalt zu führen, Mutter zu sein und soziale Fürsorge in der Gemeinde zu übernehmen. All dies erfüllt Wibrandis Rosenblatt in beängstigender Perfektion.
Ein Beitrag von Johanna Klein in Momente 3|2017.