Das Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg hütet außergewöhnliche Schätze des südwestdeutschen Wirtschaftslebens, unter anderem das Firmenarchiv der Deutschen Linoleum-Werke (DLW) aus Bietigheim, das eine Fundgrube für den Denkmalschutz ist.
Der Name Linoleum setzt sich zusammen aus den lateinischen Begriffen „linum“ für Lein und „oleum“ für Öl. Das Leinöl ist neben Kork- oder Holzmehl und Jutegewebe (früher Segeltuch) der wichtigste Grundstoff für das Linoleum. Linoleum wird in einem mehrstufigen, zeit- und arbeitsaufwendigen Verfahren hergestellt. Das älteste Oxidationsverfahren ist das Tücher-Linoxinverfahren, das auf Frederick Walton zurückgeht. Dabei hingen in sogenannten Oxydationsschuppen, die bis auf 40°C geheizt werden, feine Stoffbahnen aus Baumwolle oder Nesseltuch herab. Sie wurden regelmäßig mit Leinölfirnis bestrichen, der mit dem Luftsauerstoff dann zu Linoxin, einer festen gummiartigen Schicht aus oxidiertem Leinöl, reagierte. Erst nach ca. fünf Monaten konnten die bis auf 1,5 Zentimeter Stärke angewachsenen Bahnen abgenommen und das damit gewonnene Linoxin – als Ersatzstoff für Gummi – weiterverarbeitet werden.
Erfolg für den neuen Bodenbelag
Der Chemiker und Unternehmer Frederick Walton (1834 – 1928), angeregt durch den 1844 in England erfundenen Bodenbelag Kamptulikon, gilt als Erfinder des Linoleums. Auf der Basis eines schon bald erteilten Patentes baute er seine Linoleum Manufacturing Company auf und begründete damit den Erfolg, den Linoleum als Bodenbelag bis weit in das 20. Jahrhundert hinein hatte. Insgesamt meldete Walton 88
britische Patente an, von denen die meisten im Zusammenhang mit Linoleum standen. Nach einer zunächst schwierigen Anfangsphase wurde Linoleum als „warmer, weicher und haltbarer“ Bodenbelag immer häufiger genutzt. Da er sich leicht reinigen ließ, kam er vor allem in öffentlichen Gebäuden und Krankenhäusern zum Einsatz.
Der neue Bodenbelag erfuhr bald auch auf dem europäischen Kontinent eine große Nachfrage. Das erste deutsche Linoleumwerk wurde 1882 in Delmenhorst gegründet. 1899 begann auch in Württemberg die Zeit der Linoleumproduktion: der Stuttgarter Linoleumhändler David Heilner und der schottische Linoleumfabrikant Michael Nairn aus Kirkcaldy gründeten in Bietigheim eine Linoleumfabrik. Sie hatte die Rechtsform einer Aktiengesellschaft und das beachtliche Stammkapital von 1,2 Millionen Mark.
Fusionsfieber in den 1920ern
Einer der ersten Großaufträge nach der Gründung 1899 war die Ausstattung des Stuttgarter Katharinenhospitals. Bereits ein Jahr später wurde die Firma in Germania Linoleum Werke A.G. umbenannt. Aufgrund der international kritischen Wirtschaftslage der 1920er-Jahre schlossen sich 1926 die Deutschen-Linoleum- Werke Hansa in Delmenhorst mit den Bremer Linoleum-Werken Delmenhorst, mit der Delmenhorster Linoleum- Fabrik, mit der Linoleum-Fabrik Maximiliansau AG und der Germania Linoleum- Werke AG in Bietigheim zusammen. Der neue Konzern mit dem Namen Deutsche Linoleum-Werke (DLW) bekam damit in Deutschland eine marktbeherrschende Stellung. Sitz der Gesellschaft wurde Berlin, doch blieb in Bietigheim weiterhin eine Werksverwaltung bestehen. Hier residierte auch die Verkaufszentrale des Gesamtkonzerns. Zur Zeit der Konzernbildung in den 1920er-Jahren arbeiteten in Bietigheim über 1.100 Beschäftigte. Die Weltwirtschaftskrise und die Konzeption der NS-Wirtschaft setzten dem Konzern, der auf Rohstoffimporte angewiesen war, allerdings stark zu. Eine Folge davon war auch die Verlegung des Hauptsitzes der DLW von Berlin nach Bietigheim im Jahre 1938. Erst mit der zunehmenden Ausweitung des Marktes für Bodenbeläge seit den 1950er-Jahren stiegen Umsatz, Export und auch die Zahl der Beschäftigten wieder an.
Schon seit den 1920er-Jahren hatte das Unternehmen an neuen Produkten gearbeitet und immer wieder Bodenbeläge auf unterschiedlicher Basis entwickelt. Zum Linoleum kamen Beläge aus Kunststoffen und Textilien hinzu. Spätestens seit den 1960er-Jahren machten diese den Hauptteil der Produktion aus. Durch die Verdrängung des Linoleums als Bodenbelag – unter anderem nach der Einführung von PVC – brach der Markt zusammen. So wurde aufgrund der veränderten Nachfragestruktur ab 1968 Linoleum nur noch in Delmenhorst und nicht mehr in Bietigheim produziert.
Erst seit den 1980er-Jahren erlebte das Linoleum wieder eine Renaissance. 1996 gründete die DLW mit dem indischen Konzern Birla Corporation Ltd. ein Joint Venture zum Vertrieb und zur Produktion von Linoleum in Indien. 1998 übernahm Armstrong World Industries, einer der größten Hersteller von Bodenbelägen in den USA, die Aktienmehrheit bei der DLW, nun unter dem Namen Armstrong- DLW AG. 2008 gab es weltweit nur noch vier Werke (alle in Europa), die Linoleum herstellten. Ende 2014 musste das Unternehmen Insolvenz anmelden, doch durch den Einstieg der niederländischen Fields Beteiligungsgruppe konnte das Fortbestehen als DLW-Flooring gesichert werden. Anfang 2018 wurde aber das Stammwerk in Bietigheim geschlossen – in Delmenhorst soll weiter Linoleum produziert werden.
Schwimmbad im Stade Français, Paris mit DLW-Linoleumboden, 1930er-Jahre.
Espressobar mit DLW-Linoleum, Entwurf von Josef Hoffmann (1870 – 1956) für die Werkbundausstellung in Wien 1930.
Kinder-Spielzimmer in Berlin-Charlottenburg mit Linoleumboden, „in gelben Farben abgetönt“.
Feinkosthandlung mit Sitzecke, entworfen von Franz Kuhn (1889 – 1952). Ausstellung des Österreichischen Werkbundes in Wien 1930.
Café, ebenfalls von Josef Hoffmann – wie die Espressobar. Ausstellung des Österreichischen Werkbundes in Wien 1930.
Turnhalle der Preußischen Hochschule für Leibesübungen in Berlin-Spandau, 1930er-Jahre.
Teesalon von Josef Frank (1885 – 1967), ebenfalls auf der Werkbundausstellung Wien 1930.
Linoleum-Muster der 1930er-Jahre aus dem DLW-Bestand im Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg.
Ein Beitrag von Jutta Hanitsch in Momente 4|2018.
Mehr entdecken...
… im Bestand Y 518. 2016 übernahm das WABW rund 120 laufende Meter Archivgut der Deutschen Linoleum- Werke (DLW) aus Bietigheim. Musterbücher sind nahezu lückenlos überliefert: vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die jüngste Zeit. Weiter bietet der Bestand Kunden- und Mitarbeiterzeitschriften, Geschäftsbücher aus dem Rechnungswesen, Protokolle, Geschäftsberichte und Arbeiterverzeichnisse (1897 – 1927). Einen Schatz bilden die vielen tausend Fotografien von Großprojekten, die DLW mit Bodenbelägen ausstatteten, sowie seltene Werbefilme ab den 1920er-Jahren.
Benutzung nach vorheriger Anmeldung und Genehmigung bei:
Stiftung Wirtschaftsarchiv Baden-Württemberg
Schloss Hohenheim
70593 Stuttgart
Tel. 0711 45923142
Mo. bis Do., 9 bis 17 Uhr
https://wabw.uni-hohenheim.de/