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Fußballspielen verbindet nicht nur auf dem Platz

Staatsanzeiger: Ausgabe 46/2016
Von: Haußmann, Daniela 

Projekt 42: Kirchheim Kategorie 3

Über den gemeinsamen Sport auch andere Gemeinsamkeit entdecken, dieser Gedanke stand bei Gründung der Fußball-Flüchtlingsmannschaft in Kirchheim unter Teck Pate. Rund 60 Ballsportbegeisterte, drei Viertel davon aus Gambia, tragen das Projekt. Kirchheim/TECK. Am Spielfeldrand stehen die Zuschauer Kopf. „Go, go, go“, rufen sie, werfen die Arme hoch und klatschen in die Hände. Spannung liegt in der Luft. Zwei Jugendliche, die zufällig am Fußballplatz der Turngemeinde Kirchheim/Teck (TG) vorbeilaufen, stellen sich auf die Zehenspitzen und spähen über die Hecke. „Hey, die Flüchtlinge spielen heute. Das müssen wir uns ansehen“, meint einer der beiden. Mehr und mehr Passanten machen es sich auf Bänken und Rasenflächen am Spielfeldrand bequem – und das, obwohl es nur ein Trainingsspiel ist. Die aus gambischen Flüchtlingen bestehende Mannschaft von Trainerin Sabrina Wohlleben hat sich ins Herz der 40 000 Einwohner zählenden Stadt Kirchheim unter Teck (Kreis Esslingen) gekickt. Kein Auswärtsspiel vergeht, ohne dass die Lokalzeitung berichtet.
Anfangs gab es Skepsis und Vorurteile im Umfeld des Vereins
„Das hat uns natürlich bei unserem Vorhaben, die Spieler zu integrieren, geholfen“, berichtet Sabrina Wohlleben. „Die sportliche Leistung findet breite Resonanz und Anerkennung.“ Darauf sind die Mannschaftsmitglieder stolz. „Sie freuen sich, dass ihre Leistung gesehen, wertgeschätzt und respektiert wird“, erzählt die Trainerin. Das war anfangs nicht so. Sabine Drescher erinnert sich an die Skepsis, auf die sie und ihre Mitstreiter von der TG Kirchheim/Teck anfangs stießen. Nicht jeder war vonder Idee begeistert, die Integration von Flüchtlingen mit Hilfe des Sports voranzutreiben. „Wir bekamen oft zu hören, dass ein solches Vorhaben zum Scheitern verurteilt ist“, erinnert sich Drescher. Viele Vorurteile, mit denen sie konfrontiert wurde, beruhten auf Angst, Stereotypen, Klischees und Allgemeinplätzen. „Fremdsein fällt eben auf, vor allem dann, wenn die Hautfarbe nicht landestypisch ist“, sagt Drescher. „Unser Ziel war und ist es, den ‚Fremden’ eine Heimat zu bieten, ein Umfeld, in dem sie ‚Einheimischen’ in ganz normalen, alltäglichen Situationen begegnen und ins Gespräch kommen können.“ Amadou kommt dreimal in der Woche zum Training. Er wohnt in Tischardt. Mit dem Fahrrad fährt er regelmäßig ins 24 Kilometer entfernte Kirchheim, um Fußball zu spielen. Im Verein und auch bei den Spielen hat er viele Menschen kennengelernt. „Wir gehen zusammen in die Disko, ins Kino oder treffen uns, um uns zu unterhalten“, erzählt der 21-Jährige, der es toll findet, dass der Verein etwa Grillabende für die Mitglieder organisiert.
Sprachpaten und Familienanschluss wurden über den Verein gefunden
„Über das Angebot der TG bin ich froh“, sagt Amadou. „Als Asylbewerber sind die Zugangsmöglichkeiten zum Arbeitsmarkt beschränkt.“ Durch den Fußball kämen er und seine Mannschaftskollegen aus ihren Unterkünften raus. „Das Training ist ein fester Bezugspunkt im Alltag“, sagt er. „Der Kontakt zu Deutschen hilft uns beim Spracherwerb und trägt dazu bei die Kultur besser kennenzulernen.“ „Fußball verbindet, Fußball macht Spaß und Fußball kennt keine Hautfarbe“, sagt Drescher. „Durch unser Sportprojekt wurden Verbindungen zwischen Menschen geknüpft, die sich vermutlich sonst nie begegnet wären.“ Für einige Spieler wurden laut Drescher Sprachpaten und Familien gefunden, die ihnen beim Lösen von Problemen des Alltags helfen. „Wir haben sie auch mehrfach zum Verwaltungsgericht in Sigmaringen begleitet, wo über den weiteren Verlauf ihres Asylverfahrens entschieden wurde“, sagt Wohlleben. „Wir stärken ihnen den Rücken, schenken ihnen ein offenes Ohr, wenn sie die traumatischen Erinnerungen der Flucht belasten.“ Für Amadou und seine gambischen Landsleute ist der Verein zu einem echten Zuhause geworden. Er hat Menschen gefunden, die an ihn glauben, die ihn stärken, zu denen er Vertrauen gefasst hat und die ihm ohne Vorurteile gegenübertreten. „Dafür bin ich dankbar“, betont er – und freut sich schon auf das nächste Training.
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Weitere Informationen finden Sie unter: www.facebook.com/TG-Kirchheim- Fußball-123905364617847

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