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Schnelles Einleben durch dezentrale Unterbringung

Staatsanzeiger: Ausgabe 8/2017
Von: Haußmann, Daniela 

Projekt 66: Walddorfhäslach Kategorie 1

In Walddorfhäslach wurden lüchtlinge von Beginn an dezentral untergebracht. Dafür hat die Gemeinde viel Geld in die Hand genommen. Flüchtlinge konnten so leichter die deutsche Sprache lernen und schneller Freunde finden. Ein engagierter Helferkreis tut ein Übriges.

Walddorfhäslach. 2015 standen viele Kommunen vor der Herausforderung, Erstunterkünfte für Flüchtlinge zu erweitern oder hochzuziehen. Walddorfhäslach (Landkreis Reutlingen) ging einen anderen Weg. Die 5000-Einwohner-Gemeinde nutzte vorhandene Ressourcen.

Die Kommune gab eine halbe Million Euro aus, um Häuser zu kaufen, zu sanieren und Wohnungen anzumieten. „So gelang es uns von Anfang an, unsere neuen Mitbürger dezentral unterzubringen und in die örtliche Gemeinschaft bestens zu integrieren“, sagt Bürgermeisterin Silke Höflinger.

Kontakt zu deutschen Nachbarn erlaubt es, rasch Anschluss zu finden

Ein Konzept, das ehrenamtlich Engagierte unterstützen und tragen. Ohne persönliche Kontakte und fortwährende Betreuung wären die Herausforderungen der Flüchtlingshilfe nicht so ruhig und unaufgeregt zu bewältigen gewesen, sagt Sozialarbeiter Christoph Treutler, im Landratsamt Reutlingen für die Integration von Flüchtlingen zuständig. Er ist überzeugt, dass die dezentrale Unterbringung der Neuankömmlinge die Integration erleichtert. „Die Wohnsituation schafft ganz natürliche Begegnungen mit Nachbarn und Anwohnern.“ Im Alltag ist ein unkompliziertes Kennenlernen möglich, das Brücken zwischen Flüchtlingen und Einheimischen baut.

Mezgin Dawood lebt mit Frau Amal und fünf Kindern seit sechs Monaten in Walddorfhäslach. Er ist froh, dass seine Familie in einer Wohnung, nicht in einer Gemeinschaftsunterkunft, lebt. Seine Kinder, die schnell Deutsch lernten, fanden leicht Freunde. Sie sind jetzt im Kinderchor aktiv. Mezgin und Amal Dawood tun sich aufgrund der Sprachbarriere noch etwas schwer, Anschluss zu finden. „Doch die ersten Freundschaften konnten wir trotzdem schon knüpfen. Mit den neuen Nachbarn habe ich zum Beispiel meinen Geburtstag gefeiert“, erzählt der Syrer, der parallel zum Integrationskurs, den er besucht, in einer Schreinerei arbeitet.

Ehrenamtliche erteilen privaten Sprachunterricht

Dank dezentraler Unterbringung können laut Christoph Treutler alle Flüchtlingskinder im Kindergartenalter eine Betreuungseinrichtung besuchen: „Im Gegensatz zu Kommunen, in denen viele Familien in einer zentralen Unterkunft leben, schafft die Dezentralisierung die Möglichkeit, die Kinder auf verschiedene Kindergärten zu verteilen.“ Aus seiner Sicht ein weiterer Integrationsbaustein: So kommen die Heranwachsenden, und über sie die Eltern, frühzeitig in Kontakt mit der Aufnahmegesellschaft.

Die Sprache ist dabei ein Schlüssel. Rund 20 feste Paten und viele weitere Helfer unterstützen daher die derzeit 80 Flüchtlinge im Ort nachhaltig beim Deutscherwerb, wie Karl-Heinrich Schaal berichtet. „Sie geben privaten Sprachunterricht“, erzählt das Mitglied der Flüchtlingshilfe Walddorfhäslach. „Ein weiterer wichtiger Baustein ist unser Kontakt zur Schule, die den Übergang von Schülern mit Fluchterfahrung in die Ausbildung unterstützen soll.“ Die 14-jährige Shahrazad sucht einen Ausbildungsplatz als Arzthelferin. Sie würde gerne Medizin studieren. Da die Syrerin aber kein Englisch spricht, kann sie nur den Hauptschulabschluss machen. Bernd Lämmle von der Flüchtlingshilfe bemängelt, dass ihre Arabischkenntnisse keine Berücksichtigung finden. „Denn eigentlich verfügt sie damit schon über die zweite Fremdsprache“, sagt Lämmle. Zudem würden die Schüler von Ehrenamtlichen bei den Hausaufgaben individuell betreut, um den Leistungsabstand zu Klassenkameraden zu verringern.

Laut Gesine Gruhler gibt es zudem einen Jour fixe von Verwaltung und Flüchtlingshilfe. „Offene Frage und aktuelle Entwicklungen lassen sich so schnell klären und pragmatisch angehen“, sagt die Ehrenamtliche. Das sei gerade anfangs wichtig gewesen. „So konnten die Häuser und Wohnungen optimal mit dem ausgestattet werden, was die Flüchtlinge brauchten.“


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