Grüne beschließen Leitantrag zu Integration

10.12.2017 
Von: schl
 
Redaktion
 

Stuttgart. Angesichts von Rechtspopulismus sieht der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, die Bundesrepublik am Scheideweg. "Der Konsens einer vielfältigen und offenen Gesellschaft wird bedroht", sagte er am Sonntag beim Landesparteitag der Grünen in Heidenheim.

Sofuoglu beobachtet einen wachsenden Rechtspopulismus und Rechtsextremismus und eine wachsende Muslimfeindlichkeit. Die entscheidende Frage sei, ob sich die etablierten Parteien von rechts treiben ließen, oder ob es ein breites Bündnis von Demokraten gebe, das sich klar zur Vielfalt in Deutschland bekenne. Sofuoglu sprach im Rahmen der Diskussionen zum Leitantrag "Integration schafft Zusammenhalt", den die Grünen in Heidenheim verabschiedet haben.

Er wehrte sich insbesondere gegen Diskussion zu einer deutschen Leitkultur. Vielmehr müsse das Grundgesetz konsequent angewandt und gelebt werden. Notwendig sei auch eine Arbeitsmarktpolitik, die allen Menschen ermögliche, am Erwerbsleben teilzunehmen, ganz gleich ob es Menschen mit Behinderung oder Migrationshintergrund, Geflüchtete oder Hartz-IV-Empfänger sind.

Erfahrungen eines Mittelständlers

In dem Antrag geht es darum, über Integration Zusammenhalt in der Gesellschaft zu schaffen. Als wichtige Voraussetzung dafür werden Bildung und Arbeit gesehen. Die Grünen fordern unter andere auch ein Bleiberecht für Flüchtlinge in Ausbildung und Arbeit. Dass die derzeitige gesetzliche Lage hier ein Problem für Unternehmen darstellt, machte Lisa Fiedler vom Outdoorhersteller Vaude deutlich. Der Mittelständler hat bislang acht Flüchtlinge fest angestellt. Hinzu kommt noch ein Auszubildender. Doch von den neun Flüchtlingen, sind bislang nur zwei anerkannt. Fünf sind abgelehnt, einer von ihnen von Abschiebung bedroht, ihm droht nun auch der Entzug der Arbeitslerlaubnis. Bei zweien ist noch nicht über das Verfahren entschieden.Würden diese Menschen jetzt wieder abgeschoben, so wäre es für das Unternehmen wirtschaftlich eine Katastrophe, machte Fiedler deutlich. Ganz abgesehen von den menschlichen Tragödien.

Vaude war eines der Unternehmen, die auf den Aufruf von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reagiert hatten. Merkel hatte gefordert, dass die Wirtschaft sich bei der Integration von Flüchtlingen stärker engagieren müsse. Der Weg war am Anfang nicht einfach. Denn die Flüchtlinge haben wenig Ahnung von Arbeitsplätzen in Deutschland, von notwendigen Kompetenzen oder auch von Fragen wie man sich krankmelden muss. Vaude hat Flüchtlingen einen Einblick in die Firma und den Arbeitsalltag gegeben, hat Bewerbungstrainings veranstaltet und sich auch entsprechend Zeit für die Einarbeitung dieser Menschen genommen, von Grundlagen bis zu Hilfe bei Behördengängen, rechtlicher Beratung und Unterstützung bei der Wohnungssuche. Auch Bedenken bei langjährigen Mitarbeitern hat das Unternehmen sich von Anfang an gestellt. Heute habe man neun sehr loyale, motivierte Mitarbeiter.

Doch gerade die langen und intransparenten Asylverfahren, die Gefahr von Abschiebungen machten den Mitarbeitern und dem Unternehmen nun zu schaffen. "Jetzt wo sie gut integriert sind und einen Beitrag zur Wertschöpfung leisten, sollen die Menschen abgeschoben werden. Das verstehen wir überhaupt nicht", so Fiedler. Sie forderte eine Lösung, dass Menschen, die in Arbeit sind und gut integriert auch bleiben dürfen. Dazu hat das Unternehmen sich nun auch an die Bundeskanzlerin gewandt.

Spurwechsel gefordert

Der Grünen-Landtagsabgeordnete Daniel Lede Abal sprach sich deshalb auch für einen "Spurwechsel" wie im Antrag gefordert, aus. Meschen in Arbeit und Ausbildung sollten eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Ebenso wie Menschen, die bei uns benötigte Qualifikationen hätten. "Wir schade uns sonst selbst", sagte er. Die Grünen haben in ihrem Antrag unter anderem ein Einwanderungsgesetz gefordert.

Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) erklärte, wie wichtig es sei, Menschen, die sich mit ihrer Arbeitskraft einbrächten, auch Perspektiven zu geben. Denn diese Menschen gäben der Gesellschaft etwas zurück. Als eine der Voraussetzungen dafür nannte er den Pakt für Integration mit den Kommunen, ein "Leuchtturmprojekt der Landesregierung". Es gehe auch dabei darum, aus Untergebrachten Mitbürger zu machen. Sozialstaatssekretärin Bärbl Mielich ging vor allem auf die Quartierskonzepte ein, die das Sozialministerium unterstützt. Sei trügen zu einem Zusammenwachsen der Gesellschaft vor Ort bei. Und sie seien erfolgreich, weil sie alle Menschen in der Kommune betreffen: Alte und Junge, Behinderte, Migranten, Arbeitslose und Menschen in Arbeit.

Grüne Jugend: Müssen Heimatdebatte führen

Die Landesbehindertenbeauftragte Stefanie Aeffner sprach davon, dass die Gesellschaft nicht erst polarisiert sei, seit viele Flüchtlinge ins Land gekommen seien. Auch davor habe sich beispielsweise bei den Debatten über den Bildungsplan gezeigt, dass sich viele gesellschaftliche Gruppen unversöhnlich gegenüber stehen. Für sie bedeutet das zugleich, bei Themen auch die Probleme offen zu benennen. So habe die Grün-Rote Landesregierung das Ziel gehabt, Baden-Württemberg zum Musterland guter Arbeit zu machen. Doch es gäbe immer noch viele prekäre Jobs, Menschen, die zwei Arbeitsstellenbräuchten oder Langzeitarbeitslose, die keine Arbeit finden. Hier seien noch Anstrengungen notwendig. Auch bei Themen wie Pflege oder Digitalisierung müssten Probleme und Risiken offen angesprochen werden.

Lena Schwelling von der Grünen Jugend wie darauf hin, dass der Leitantrag auch die Frage stellt, wie man künftig zusammenleben wolle. Eine Debatte, die notwendig sei und die der Zuzug von Flüchtlingen zwar nicht ausgelöst, aber offengelegt hätte. Denn Zusammenhalt basiere auch auf geteilten Gefühlen. Sie sprach sich in diesem Zusammenhang auch für eine Heimatdebatte aus - auch um dieses Feld nicht Populisten zu überlassen. "Wir werden es nicht schaffen, die Gesellschaft zusammenzuführen, wenn wir uns nicht ernsthaft mit dem Heimatbegriff auseinander setzen", so Schwelling. Auch sei es wichtig, die Menschen mit in den Fokus zu nehmen, denen die Teilhabe in der Gesellschaft, zum Beispiel durch Armut, verwehrt sei.


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