Stuttgart. „Nach sieben Monaten im Krisenmodus bricht die Berufszufriedenheit an den Schulen massiv zusammen. Die Schulleitungen können ihre Aufgaben immer seltener erfüllen“. So beschreibt Gerhard Brand, der Landesvorsitzende des Verbands für Bildung und Erziehung (VBE), die zwei wichtigsten Ergebnisse einer aktuellen VBE-Studie.
Brand überrascht das nicht: Die Schulleitungen hätten in diesem Jahr vier vollkommen unterschiedliche Schulsysteme organisieren müssen: „Den Normalbetrieb vor Corona, die Schulschließungen mit der Umstellung auf den Heimunterricht, dann das rollierende System mit dem Wechsel zwischen Präsenz- und Fernlernphasen und schließlich den sogenannten Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen. Für die Schulleitungen bedeutet dies den maximalen Stresslevel.“ Daher sei es „vollkommen unverständlich“, dass das Land das Konzept zur Entlastung der Schulleitungen frühestens im Schuljahr 2022/23 weiter umsetzen wolle.
Der VBE hatte das Meinungsforschungsinstitut forsa beauftragt, die Corona-Krise aus Sicht der Schulen zu untersuchen. Bundesweit haben 785 Schulleiterinnen und Schulleiter daran teilgenommen, 270 und somit mehr als ein Drittel davon aus Baden-Württemberg. Die Ergebnisse seien daher für den Südwesten repräsentativ. Die hier genannten Ergebnisse bezögen sich ohnehin auf die Auswertung für Baden-Württemberg.
Was sind nach Ansicht der befragten Schulleitungen die größten Probleme? Rund die Hälfte benennt die mangelhafte Digitalisierung - fehlende Endgeräte und Probleme mit dem Online-Unterricht -als größte schulische Herausforderung in der Corona-Krise. „Die Politik hat zwar verschiedene Ausstattungsprogramme auf den Weg gebracht, der Quantensprung ist bisher aber ausgeblieben“, kritisiert Brand. „Wenn wir von ‚Hybridunterricht‘ sprechen, ist Teil der Wahrheit, dass die Schulen diesen flächendeckend nach wie vor nicht umsetzen können“, so das ernüchternde Fazit des VBE-Chefs. Am zweithäufigsten wird fehlendes Personal bemängelt, auf Platz drei folgen Corona-bedingte Herausforderungen: so etwa das Umsetzen der Hygienemaßnahmen, die erhöhte Arbeitsbelastung, die Organisation des Schulbetriebs, die Übermittlung von Informationen und - für immerhin 12 Prozent der Schulleitungen - auch fehlende Einsicht bei den Eltern.
Eine Folge davon: „Das ohnehin schon hohe Aufgabenportfolio ist in den letzten Monaten geradezu explodiert und für die Schulen kaum noch zu bewältigen“, sagt Brand. So sinkt die Zahl der Schulleitungen, die ihre beruflichen Aufgaben immer oder häufig erfüllen können, von 84 Prozent im Jahr 2018 auf aktuelle nur noch 61 Prozent. Und die Hälfte der Befragten sagt, dass sie höchstens 60 Prozent der Aufgaben in der Leitungszeit erfüllen können.
Parallel dazu ist Berufszufriedenheit massiv zurückgegangen. In Umfragen zwischen 2018 und März 2020 übten eigenem Bekunden nach jeweils mehr als 90 Prozent der Schulleitungen, ihren Beruf gerne oder sehr gerne aus. Jetzt sind es weniger als zwei Drittel, exakt 62 Prozent.
Von der Politik unterstützt sehen sich nur drei Prozent der Schulleitungen, vom Lehrerkollegium dagegen 87 Prozent. „Die Zahlen könnten deutlicher kaum sein. Sie sind ein klarer Hilfeschrei an die Landesregierung, für Entlastung zu sorgen“, sagt Brand.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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