Stuttgart/Ulm. Die Stadtwerke haben deutliche Kritik an der Energiepolitik in Land und Bund geäußert. Sie hatten befürchtet, dass durch die Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke sich ihre eigenen Investitionen in Kraftwerke und Anlagen für erneuerbare Energien nicht mehr rechnen könnten. Nun droht ein neuer Schlag durch die Pläne von EU-Kommissar Günther Oettinger, der die Förderung für erneuerbare Energien EU-weit vereinheitlichen will. Teil 2 des Interviews mit dem Vorsitzenden des Verbands Kommunaler Unternehmen in Baden-Württemberg und Geschäftsführer der Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm, Matthias Berz (Teil 1 des Interviews zum möglichen Einstieg der Stadtwerke bei der EnBW lesen Sie im Staatsanzeiger vom 21. Januar auf Seite 3 unter dem Titel „Als Unternehmer muss man sich immer fragen, welchen Sinn eine solche Beteiligung macht“ ).
staatsanzeiger.de: Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Laufzeitverlängerung hat der VKU immer wieder betont, dass eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke sich auf die Investitionen der Stadtwerke auswirken wird. Ist dies bereits eingetreten?
Matthias Berz: Ja. Momentan legen die Stadtwerke alles auf Eis, was man auf Eis legen kann. Als Ulmer Stadtwerke sind wir beispielsweise in einer Kooperation mit 50 anderen. Wir haben einige Projekte angeschoben. Darunter ein Gaskraftwerk, das gut läuft. Ein Kohlekraftwerk ist derzeit im Bau, aber der Bau eines anderen Kohlekraftwerks wurde zurückgestellt. Da gibt es bereits Überlegungen, es umzuplanen und auf eine andere Basis zu stellen.
Welche Auswirkungen hat dies für die Energiepolitik?
Die Entscheidung wirkt sich in zweierlei Richtung aus. Zum einen kommen wir als Stadtwerke nicht weiter voran, im Wettbewerb Energie beziehungsweise Strom zu erzeugen. Wenn wir nicht mehr eigene Kraftwerke haben, dann sind wir auf dem Erzeugungsmarkt nach wie vor in dieser Zwergenposition. Durch die Laufzeitverlängerung wird damit die Vormachtstellung der vier großen Energieversorger zementiert. Das andere ist, dass auch die Erneuerung des Kraftwerkparks überhaupt nicht vorankommt. Wir bräuchten aber parallel zum Ausbau der erneuerbaren Energien, die nicht immer verlässlich sind, Kapazitäten die schnell zuschaltbar sind, zum Beispiel Gaskraftwerke. Mit denen könnte man wiederum alte Kohlekraftwerke ersetzen.
Und hier wird nun nicht mehr investiert?
Wenn man von Seiten der Großen versucht, die Situation mit den bestehenden, abgeschriebenen Kraftwerken zu meistern, können wir nicht mehr investieren. Und das ist eine teuflische Situation. Denn dann werden wir in ein paar Jahren wirkliche Probleme haben, wenn wir diese steuerbaren Kraftwerkskapazitäten und Speicherkapazitäten nicht haben. Und wenn wir erst in Genehmigungsverfahren für Kraftwerksbauten reingehen, wenn die Probleme schon da sind, ist es zu spät. Wir haben ja enorme Vorlaufzeiten.
Nun möchte EU-Energiekommissar Günther Oettinger auch noch die Förderung für erneuerbare Energien in der EU vereinheitlichen. Bundesumweltminister Norbert Röttgen befürchtet bereits eine Verschlechterung. Wird dies nach der Laufzeitverlängerung der nächste Schlag für die Stadtwerke?
Für mich wird die ganze Politik immer unglaubwürdiger. Wenn man auf der einen Seite Energiekonzepte entwirft, in denen der Ausbau der erneuerbaren Energien eine ganz wichtige Rolle spielt, dann muss man aufpassen, dass man nicht alles der Betrachtung des billigsten Preises opfert. Natürlich kostet der Ausbau der regenerativen Energien Geld. Aber es sind nicht die regenerativen Energien alleine, die Geld kosten. Es muss auch Geld in die Netze gesteckt werden, in den Ausbau von Speicherkapazitäten, in die Forschung. Das soll ja auch gemacht werden. Auf der einen Seite zu bremsen, auf der anderen Seite Gas zu geben, bringt das Auto ins Schleudern. Das kann nicht funktionieren. Deshalb kann ich das was Röttgen sagt, sehr gut nachvollziehen. Die Voraussetzungen innerhalb der EU sind sehr unterschiedlich. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass alle Staaten auf das Niveau in Deutschland hochgehen werden. Röttgen rechnet damit, wenn man vereinheitlich, trifft man sich in der Mitte.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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