Stuttgart. An diesem Dienstag fiel in Stuttgart für Deutschland der Startschuss zur Inbetriebnahme des neuen KA-Satelliten (KA-SAT) von Eutelsat. Zeitgleiche Veranstaltungen fanden in Paris, London, Rom Madrid, Dublin und Athen statt. Zugleich startete das Unternehmen eine neue Generation eines satellitenbasierten Breitbanddienstes (Tooway). Der an den neuen Satelliten gekoppelte Breitbanddienst stellt den Nutzern einen Internetzugang mit bis zu zehn Megabit pro Sekunde im Downstream und bis zu vier Megabit pro Sekunde im Upstream zur Verfügung. Das Angebot schließt in Baden-Württemberg Lücken der Breitbandversorgung im Ländlichen Raum.
Alle im Land ziehen in Sachen Lückenschluss an einem Strang – Regierung, Opposition, beteiligte Landesbehörden, und die neue Landesregierung führt in Sachen Breitbandinitiative des Landes den Kurs der alten fort und entwickelt ihn weiter, dieses Signal ging von einer Informationsveranstaltung anlässlich der Inbetriebnahme des KA-SAT im Foyer des Landtags aus. An dem Festakt nahmen sowohl Landtagspräsident Willi Stächele (CDU) als auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Landwirtschaftsminister Alexander Bonde (beide Grüne) teil. „Das schnelle Internet ist der ICE oder die Autobahn des Informationszeitalters, und es sind ganz unumstrittene Autobahnen“, sagte Kretschmann. Stächele hatte in seiner Zeit als Landwirtschaftsminister 2004 die Clearingstelle „Neue Medien im Ländlichen Raum“ eingerichtet, die den flächendeckenden Breitbandausbau in Baden-Württemberg unterstützt.
Stächele stieg in die Feierstunde mit einem Vergleich ein, der die historische Tragweite der neuen Technologie herausstellen sollte. „Erinnern Sie sich, was zu DDR-Zeiten ARD geheißen hat? Außer Rügen und Dresden“, sagte Stächele – Regionen der DDR, die bekanntlich vom Empfang des Westfernsehens abgekoppelt waren. „Dieser bittere Witz ist zwar schon 25 Jahre alt, aber dennoch dazu geeignet, darauf hinzuweisen, was heute hier geschieht.“ Stächele führte den Vergleich fort, gebrauchte aus dem gleichen Kontext den Begriff der „Wende“ und sah in der Inbetriebnahme des KA-SAT „die Vollendung einer Wende für den ländlichen Raum und die Ränder der Ballungsgebiete in Europa.“ Das sei bedeutsam, denn auch bis in Baden-Württemberg hinein habe es bis vor kurzem noch internetfreie Inseln gegeben. „Die innere Einheit Baden-Württembergs, die uns sehr viel bedeutet, war angesichts der digitalen Entwicklung dabei zu erodieren.“ Zugegeben, so Stächele, der neue Breitbanddienst benötige einen „kleinen Umweg“ von 36.000 Kilometern nach oben und wieder zurück, „aber für etwas Gutes“ müsse man auch mal 72.000 Kilometer Umweg in Kauf nehmen.
Der KA-SAT schließt „weiße Flecken“ in der Versorgung des Landes mit Breitbandinternetdiensten im Ländlichen Raum, wo der Ausbau der erdgebundenen Netze aus Kostengründen noch auf sich warten lässt, und er schließt sie sofort. Zudem erreicht der KA-SAT etwa Bergbauern- oder Aussiedlerhöfe in exponierten topographischen Lagen, wenn auch nicht in dem VDSL-Tempo von 50 oder 100 Megabit pro Sekunde. Der neue Satellit erreiche mit seinem Breitbanddienst „eine respektable Kapazität“, sagte Thomas Langheinrich, Präsident der Landesanstalt für Kommunikation (LFK). An dem Bau des Raumflugkörpers waren auch Unternehmen im Land beteiligt: „Ohne Baden-Württemberg gäbe es den KA-SAT nicht“, sagte Volker Steiner, Geschäftsführer von Eutelsat Deutschland. Der KA-SAT sei ein hochkomplexer Satellit, dessen Name auf die internationale Bezeichnung des hohen KA-Frequenzbandes im Gigahertzbereich zurückgehe. Sein Unternehmen habe 360 Millionen Euro in den kommerziellen Kommunikationssatelliten investiert, so Steiner, „weil die weißen Flecken für uns ein sehr guter Markt sind.“ In Europa gebe es mehr als 30 Millionen, in Deutschland 770.000 Haushalte mit einem Internetzugang unter einem Megabit pro Sekunde. Selbst ein weiterer Ausbau der Glasfaser- und LTE-Netze, dem UMTS-Nachfolger als neuer Mobilfunkstandard, könne nicht die weißen Flecken auf null reduzieren. „Die besondere Eigenschaft eines Satelliten ist es, dass er alle Gebiete gleichmäßig ausleuchtet“, sagte Steiner.
Der Auftrag des Grundgesetzes, gleichwertige Lebensbedingungen in der Republik herzustellen, sei nirgendwo so gut erfüllt wie in Baden-Württemberg, sagte Kretschmann: „Um das zu sichern ist es wichtig, dass wir den ländlichen Raum flächendeckend über Breitband am Internet beteiligen können.“ Fast 90 Prozent der befragten Unternehmen einer vom Landwirtschaftsministerium unterstützten Studie schätzten einen leistungsfähigen Breitbandausbau als wichtig ein. Die guten Datenautobahnen gehörten einfach zum wirtschaftlichen Erfolg dazu, sagte Kretschmann, der entsprechende Beschlüsse der Vorgängerregierungen würdigte: „2007 wurde die Breitbandinitiative für den Ländlichen Raum mit einem ganzen Maßnahmenbündel ins Leben gerufen.“ Ein wesentliches Element sei die finanzielle Förderung, die im Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR) umgesetzt wird, so Kretschmann. Da die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Datennetze nicht nur im Ländlichen Raum weiter wachsen werden, brauche Baden-Württemberg auch in den nächsten Jahren ein erhebliches Engagement, vielfach könne hier nur die Versorgung auf der Basis von Hochgeschwindigkeitsnetzen Abhilfe schaffen.
Bislang konnten im Land 480 Breitbandvorhaben in einem Fördervolumen von 36 Millionen Euro bewilligt werden. Der Schwerpunkt des Förderprogramms, so Kretschmann, liege in der Schaffung einer zukunftsfähigen Infrastruktur, der Verlegung von Leerrohren, der Schaffung von Glasfasernetzen. Doch das sei keineswegs die einzige Möglichkeit, eine flächendeckende Breitbandversorgung herzustellen: „Der KA-SAT sorgt dafür, dass vielerorts auf den Aufbau von ortsgebundenen Infrastrukturen verzichtet werden kann.“ Damit ließen sich Kosten und ein unnötiger Ressourcenverbrauch vermeiden, so Kretschmann: „Wir wollen breit und transparent alle technischen Alternativen in der Breitbandversorgung aufzeigen und nutzen.“
Bonde, vor seinem Amtsantritt Stellvertretender Vorsitzender der Parlamentsgruppe Luft- und Raumfahrt im Deutschen Bundestag, ging näher auf die „Breitbandinitiative Baden-Württemberg“ ein. Eine der Säulen der Initiative sei die Förderung der Gemeinden: „Ohne finanzielle Hilfen wird keine flächendeckende Versorgung möglich sein.“ Modellprojekte seien als Anschauungsobjekte für die Gemeinden erforderlich. Im Rahmen der Initiative stünden 2011 15 Millionen Euro Fördermittel zur Verfügung: „Wir sehen im Breitbandausbau einen zentralen Bestandteil von vorausschauender Strukturpolitik“, sagte Bonde. Das Landwirtschaftsministerium werde die Breitbandinitiative daher gemeinsam mit allen Partnern weiterentwickeln.
Langheinrich beleuchtete intensiver die technologischen Aspekte der Breitbandversorgung: „Baden-Württemberg hat bereits heute die nationale und europäische Zielvorgabe übertroffen, indem technisch für mehr als 75 Prozent der Haushalte Internet mit mehr als 100 Megabit pro Sekunde zur Verfügung steht.“ Dafür sei vor allem das Fernsehkabel mit hochmoderner Glasfaserbackbone verantwortlich. Das Land brauche aber auch Satelliten- ebenso wie andere Übertragungstechniken, erforderlich sei ein Wettbewerb der Unternehmen und der Übertragungstechniken. „Der Weg, wie das Internet zum Verbraucher kommt, ist vielfältig“, sagte Langheinrich. Bei dem Thema Breitbandinternet per Funk- und Satellitentechnologie sei die Landesanstalt einer der „Treiber“ gewesen, Funk- und Satellitentechnologie seien „unverzichtbare Bausteine“ in einem Technologiemix.
Der Satellit bringe vor allem eine stationäre Versorgung, so Langheinrich, für mobile Dienste sei das Funknetz unschlagbar. Marktstudien sagten in den nächsten Jahren einen explosionsartigen Anstieg der mobilen Internetnutzung voraus, weit über die Hälfte dieser Nutzung werde mobiles Bewegt-Bild sein. „Bewegt-Bild ist ein richtiger Bandbreitenfresser“, sagte Langheinrich. Die heutigen Mobilfunknetze seien nicht in der Lage, den wachsenden Wünschen der Bevölkerung nach schnellem Mobilfunk-Internetzugang gerecht zu werden. Für die mobile Kommunikation vor allem von Bewegt-Bild-Angeboten setzt der LFK-Präsident auf die neueste Mobilfunktechnik. Hier verspricht er sich vom Ausbau der neuen LTE-Netze im Rahmen der Digitalen Dividende spürbare Fortschritte für den Ländlichen Raum: „Schließlich haben sich die Mobilfunkanbieter bei der Frequenzvergabe konkret in die Pflicht nehmen lassen, den Ländlichen Raum zunächst mit dieser Funktechnik zu versorgen.“ Unter Digitaler Dividende versteht man die durch die Digitalisierung von Rundfunk und Fernsehen freiwerdenden Frequenzbänder.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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