Münsingen/Karai. Birgit Zimmermann verteilt Kuchengabeln auf den Tischen mit den Papierdeckchen im alten Lokschuppen in Münsingen. Sonst verteilt die 40-jährige Sozialarbeiterin Ugali, einen Maisbrei. Sie schöpft ihn in kleine Schälchen für rund 160 Waisenkinder in Karai in Kenia.
Doch dieser Samstagnachmittag ist für die kleine Frau mit den vielen Lachfalten ein besonderer - nicht bloß, weil sie ihn in ihrer Heimat Münsingen verbringt. In Kürze wird Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) im Lokschuppen erwartet. Er will über das Thema Entwicklungszusammenarbeit sprechen und sich über die Kenia-Hilfe Schwäbische Alb informieren, für die sich Zimmermann engagiert.
Sie freut sich über den Besuch; Aufmerksamkeit ist für das Hilfsprojekt unabkömmlich, denn es wird durch Spenden finanziert. Im Januar wurde eine Stiftung gegründet. Seit fünf Jahren lebt Zimmermann in Kenia. Dass sie dort landete, war mehr Zufall als geplant. Die gelernte Erzieherin und ehemalige Kindergartenleiterin hatte sich zunächst für eine Auszeit entschieden, ging auf eine Missionarsschule und unternahm eine Reise nach Kenia. „Mit dem Herzen“ ist sie dort hängen geblieben, wie sie sagt.
Im Waisenheim ist sie nun das „Mädchen für alles“. Die Kinder nennen sie „Mama“. Sie sorgt dafür, dass die Jungen und Mädchen morgens aufstehen, sich anziehen und zur Schule gehen. Sie fährt mit ihnen zum Arzt und übernimmt Elterngespräche in der Schule. Zimmermann hat mit den Waisenkindern in den vergangenen Jahren vieles durchgemacht. Im Jahr 2008, während der politischen Unruhen in Kenia, wurde das Heim ausgeraubt und abgebrannt. Zimmermann und ihre Schützlinge mussten fliehen und lebten vorübergehend in einem Flüchtlingslager in Zelten.
Noch im selben Jahr wagte man den Neuanfang im Dorf Karai und übernahm ein bestehendes Waisenheim mit Grundschule. Die achtjährige Grundschule mit Kindergarten steht auch Kindern aus der Umgebung offen. Außerdem gibt es eine Berufsschule. Dort werden Jugendliche handwerklich ausgebildet. Für Mädchen und junge Mütter gibt es einen Grundkurs in Hauswirtschaft, Gesundheitslehre und Nähen. Die Angebote sind Hilfe zur Selbsthilfe. Auch der Umgang mit dem Computer wird gelehrt. „Die Einflüsse des Westens sind spürbar“, erklärt Zimmermann. Zum einen durch den Umgang mit den Helfern aus Deutschland, zum anderen durch den Einfluss der Medien. „Auch die Kinder in Afrika wollen Handys, Computer und Fernseher. Das zieht schnell ein“, sagt sie.
Würde man sich allein auf Unterstützung des Landes Kenia verlassen, wäre das Projekt nicht machbar, stellt die Sozialarbeiterin fest: es sei sehr schwierig, Unterstützung vor Ort zu finden. Hilfe kommt aus Münsingen. Tausende Kilometer entfernt, wie Gerhard Schnitzer betont, der Münsingens Bürgermeister Mike Münzing (SPD) bei der Veranstaltung im Lokschuppen vertritt. Kritiker fragten oft, warum man nicht in nächster Nähe helfe. Die Antwort gibt Schnitzer in Form einer Gegenfrage: „Wer, wenn nicht wir?“ Schließlich verfüge man über die wirtschaftlichen Mittel und auch über Helfer. Die Stadt Münsingen unterstützt das Projekt über die Stiftung.
Auch Bundesmittel fließen nach Kenia, allerdings nicht projektorientiert: Von 2010 bis 2012 seien insgesamt 138 Millionen Euro vorgesehen, sagt Niebel in seiner Rede. Wichtig sei vor allem, den Menschen den Weg zur Selbstständigkeit zu ebnen, bestätigt er die Arbeit der Kenia-Hilfe Schwäbische Alb. Am Ende seines Vortrags dürfen Zuhörer Fragen stellen.
Eine ältere Frau meldet sich zu Wort, und kritisiert, dass in Niebels Rede das Thema „Handel“ gefehlt habe. Sie appelliert an den Minister, subventionierte Exporte von Deutschland nach Afrika zu stoppen. Diese zerstörten die Landwirtschaft in Afrika. „Diese Politik muss aufhören“, sagt sie energisch. Niebel gibt ihr Recht und kündigt an, sich für ein Auslaufen der EU-Agrarexportsubventionen bis zum Jahr 2013 einzusetzen. Die Frau setzt sich, sie wirkt zufrieden; faire Handelsbedingungen würden ihrer Meinung nach vieles einfacher machen.
Die Münsinger engagieren sich für Karai. Nicht bloß vor Ort in Kenia. Der Dank sind lächelnde Kindergesichter, wie sie auf den Fotos in einer Ausstellung zum Projekt zu sehen sind. Und das reicht aus. Zumindest ist das für Birgit Zimmermann so.
Fotos der Bildergalerie: Gerda Knauss
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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