AfD trifft sich zu Landesparteitag, Alfa will die neue AfD werden

23.07.2015 
Redaktion
 
Interview
Foto: Universität Freiburg

Ulrich Eith, Politologe Foto: Universität Freiburg

Stuttgart. Die 2013 gegründete Alternative für Deutschland trifft sich in Pforzheim zum bereits 7. Landesparteitag. Dort soll das Programm für die Landtagswahl verabschiedet werden und  Jörg Meuthen, zweiter Sprecher der Bundespartei, stellt sich zur Wahl als Landesvorsitzender. Unterdessen haben sich viele ehemalige  AfD-Mitglieder, kaum eine Woche nach Austritt, der neu gegründeten Partei Alfa angeschlossen - darunter der Europa-Abgeordnete und frühere Landesvorsitzende Bernd Kölmel. Zu den Turbulenzen bei der AfD und deren Chancen äußert sich der Politologe Ulrich Eith aus Freiburg im Gespräch mit Christoph Müller.

Wie schätzen Sie Lage und Zukunft der AfD im Südwesten und auf Bundesebene ein?

Ulrich Eith: Die Zukunft der AfD im Bund ist eher düster. Bislang konnte zumindest in Westdeutschland noch keine Partei mittelfristig Erfolge erzielen, die sich nicht klar und eindeutig vom äußerst rechten Rand distanziert hat. Dies gilt gerade auch für Baden-Württemberg. Der Durchmarsch des national-konservativen Flügels um Frau Petry und der damit verbundene Rückzug der bürgerlichen Repräsentanten wie Lucke, Starbatty, Henkel oder auch Kölmel hat den Schwerpunkt der Partei verschoben: statt Anti-Euro-Partei nunmehr vor allem Anti Islam- und Anti-Flüchtlingspartei, statt wirtschaftswissenschaftlicher Protest gegen die Gemeinschaftswährung nun der Versuch, zum Sprachrohr der Pegida-Bewegung zu werden. Zudem fehlen für Erfolge in Westdeutschland und Baden-Württemberg nun weithin bekannte, respektable bürgerliche Persönlichkeiten. Die Chancen auf den Einzug in den baden-württembergischen Landtag sind somit äußerst gering.

Welche Konsequenzen hat der Rückzug Luckes und Kölmels und der Aderlass der AfD für die anderen Parteien?

Je weniger kleine Parteien wie Linke, AfD, FDP oder neuerdings auch Alfa letztlich in den Stuttgarter Landtag gelangen, desto einfacher wird die Mehrheitsbildung. Für eine Koalition kämen die Linke und die AfD nicht in Betracht. Vom Niedergang der AfD können am ehesten FDP und Union profitieren, wobei sich beide Parteien inhaltlich allerdings klar vom Anti-Euro-Kurs der „alten“ Lucke-Fraktion distanziert haben.

Ist die AfD noch eine Alternative - für wen und zu wem?

Mehr denn je ist die AfD jetzt ein Sammelbecken für unterschiedliche Proteststimmungen vom rechten bis rechtsextremen Rand, insbesondere für Überfremdungsängste mit den Feindbildern Islam und Flüchtlinge. Zudem ist das Euro-Thema durch die konsequente Haltung von Schäuble und Merkel in der Griechenlandkrise inzwischen weitgehend von der Union besetzt. Die AfD hat es nicht geschafft, sich in der öffentlichen Wahrnehmung zur inhaltlichen Alternative weiterzuentwickeln. Der Erfolg mit Proteststimmen gelingt in der Regel aber nur für eine begrenzte Zeit, dann wollen Wählerinnen und Wähler schon wissen, wohin die politische Reise konkret gehen soll. Genereller Parteienprotest und fremdenfeindliche Ressentiments reichen auf Dauer nicht aus.

Sie verfechten die These, für dauerhaften Erfolg brauche jede Partei einen „lebensweltlichen Bezug“. Fehlt das der AfD?

Genauso ist es. Die Entwicklung der AfD ist ein Lehrstück politischen Unvermögens. Gegründet wurde die Partei im Februar 2013 aus Protest gegen die Euro-Politik der Bundeskanzlerin Merkel. Vor allem Ökonomieprofessoren und bürgerliche, wirtschaftsnahe Persönlichkeiten stützten ihre Kritik an der Gemeinschaftswährung auf ökonomisches Modelldenken, schwer verständlich für breitere Wählerkreise. Sehr schnell öffnete sich die Partei dann für rechte Protestthemen und Gruppen, um politisch erfolgreich zu sein und das Professorenimage zu überwinden.Schon bei der Bundestagswahl 2013 führte die AfD einen zweigeteilten Wahlkampf. Im Westen trat sie als bürgerliche Anti-Euro Partei auf, im Osten wurden offen fremdenfeindliche Stimmungen thematisiert. Bei der Europawahl 2014 gelangen erste Mandatsgewinne und mit den Landtagswahlen 2014 in Ostdeutschland verfestigte sich das Image der AfD als national-konservativ ausgerichtete Protestpartei mit vielen Berührungspunkten zum rechten Graubereich jenseits des demokratischen Spektrums.Zum endgültigen Bruch zwischen den Parteiflügeln führte dann die Haltung zur in Teilen offen rechtsextremen Pegida-Bewegung. Letztlich hat es Lucke nicht verstanden, die Irrlichter am rechten Rand, die seiner Anti-Euro-Partei zunächst einen lebensweltlichen Bezug einbrachten, unter Kontrolle zu halten. 

Welche Chancen geben Sie Alfa, der neu gegründeten Alternative zur AfD?

Grundsätzlich sind die Chancen für eine Protestpartei im bürgerlich-konservativen Milieu gar nicht so schlecht. Der Liberalisierungskurs von Merkel stößt in konservativen Stammwählerkreisen immer wieder auf Ablehnung. Dennoch wird sich Alfa schwer tun, genügend Unterstützung zu bekommen. Es wiederholt sich das Anfangsdilemma der AfD: professoral-theoretische Euro-Kritik ohne nachvollziehbaren lebensweltlichen Bezug. Lucke hat diese Herausforderung schon einmal nicht gemeistert. Zudem sind die Vor- und Nachteile des Euros durch die Griechenlandkrise zwischenzeitlich breit diskutiert worden. Es bleibt abzuwarten, mit welchen weiteren Themen sich Alfa diesmal plausibel positionieren will.


Kontakt

Ihre Ansprechpartnerin in der Redaktion

Redaktionsassistentin Staatsanzeiger
Doris Kugel
Telefon: 07 11.6 66 01-290
E-Mail senden

Unser Team

Ihr Kontakt zu unseren Redakteurinnen und Redakteuren

Zum Team

Praktikums-Tagebuch

Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger. 

Zum aktuellen Tagebuch

Der Kommunal-Newsletter

Wissenswertes zu kommunalpolitischen Themen für Sie als Gemeinderat/Gemeinderätin mit einem wöchentlichen Newsletter direkt in Ihr E-Mail-Postfach. Abonnieren Sie jetzt den 
Kommunal-Newsletter.

Newsletter abonnieren