Mehr Prävention und Aufklärung gegen Rechtsextreme – keine Verfassungsschützer mehr in der Bildungsarbeit

30.03.2014 
Redaktion
 
SPD-Parteitag
Foto: dpa

Wiesloch. Schon in der Begrüßungsrede stimmte der Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Landesvorsitzende Lars Castellucci am Samstag die rund 300 Delegierten auf den zweiten Schwerpunkt des Parteitags: den Kampf gegen den Rechtsextremismus.

Er erwähnte eine beispielhafte Aktion in Wiesloch, dem Ort des Parteitags, dessen Kreisvorsitzender er früher war. Dort sei eine geplante Kundgebung der NPD am gemeinsamen Widerstand der Zivilgesellschaft gescheitert. Immer wenn ein Redner mit Megaphon zu sprechen begann, wurden damals die Kirchenglocken geläutet. Castellucci erinnerte auch die Ermordung des badischen SPD-Parteichefs vor exakt 80 Jahren, schlug den Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart und forderte alle zu einer Schweigeminute für Opfer rechtsextremer Gewalt auf.

In Karlsruhe engagiert sich der Oberbürgermeister gegen rechts und handelt sich damit eine Strafanzeige ein

In der nachmittäglichen Diskussionsrunde zur „Bekämpfung des Rechtsextremismus“ berichtete unter anderem Frank Mentrup von seinen Erfahrungen als Oberbürgermeister in Karlsruhe. Dort sei er selbst vor einem Jahr als Veranstalter einer Kundgebung gegen rechts aufgetreten. Das habe den Vorteil, viele Vertreter gesellschaftlicher Gruppen mit ins Boot holen zu können, die sich sonst vermutlich nicht daran beteiligt hätten – weswegen er dieses Vorgehen auch anderen Rathauschefs empfehlen können. Allerdings habe ihm dieses Engagement auch großen juristischen Ärger eingebracht. So sei deswegen noch immer noch eine Strafanzeige gegen ihn anhängig. Auch deshalb plädierte Mentrup für eine landesweite Koordinierungsstelle im Kampf gegen Rechtsextremismus. Denn gerade Bürgermeister kleiner Kommunen könne diese helfen zu klären, was ihnen rechtlich möglich sei und was nicht, um sich auf ähnliche Weise wie er gegen Demonstrationen und Aufmärsche Rechter in ihren Städten zu wehren.

Innenminister Reinhold Gall zählte in seiner Rede alles auf, was er im Kampf gegen den Rechtsextremismus bereits getan oder auf den Weg gebracht hat: So seien etwa die Vorgaben für die Führung von V-Leuten verschärft worden; ein neu eingerichtetes anonymes Hinweistelefon Rechtsextremismus in Baden-Württemberg, zugleich Anlaufstelle für Ausstiegswillige aus der Szene, sei bereits 200 Mal kontaktiert worden; Präventionsprogramme würden stärker gefördert.

Innenminister Gall zufolge ist in den vergangenen Jahren die Zahl der Polizisten mit Migrationshintergrundk stark gestiegen

Auch eine Antwort auf Macit Karaahmetoglu, Rechtsanwalt und Sprecher von SPD ve biz, der Projektgruppe türkischstämmiger Migranten in der Partei blieb Gall nicht schuldig. Karaahmetoglu hatte zuvor kritisiert, die Pannen bei den Ermittlungen zu den sogenannten NSU-Morden wären nicht passiert, „hätte sich die Vielheit in unserer Gesellschaft auch in den Behörden niedergeschlagen.“ Dies ändere sich bereits, so Gall: Rund ein Viertel der 1200 Polizeianwärter in den vergangenen Jahren hätten einen Migrationshintergrund. Menschen seien inzwischen deutlich mehr Mitarbeiter mit Migrationshintergrund tätig. Außerdem sei nichts unversucht geblieben, das Umfeld der NSU im Südwesten aufzuklären, hunderten von Spuren sei nochmals nachgegangen worden. Noch jetzt würden zur Aufklärung der NSU-Morde in Baden-Württemberg Akten aufbewahrt worden, die eigentlich aus Datenschutzgründen hätten inzwischen gelöscht werden müssen. Dafür habe er eigens die Zustimmung des Datenschutzbeauftragten der Landesregierung eingeholt. Gall warb aber um Verständnis, dass nicht alles möglich sei, was sich engagierte Parteimitglieder wünschten. So lägen vor allem, aufgrund der Prozess gegen Beate Zschäpe in München, inzwischen die Ermittlungshoheit über den Fall der ermordeten Polizistin Michele Kieswetter und alles, was damit zusammenhängt bei der Bundesanwaltschaft. Ihm seien somit die Hände gebunden.

Ausdrücklich begrüßte Gall die Einrichtung einer Enquete-Kommission des Landtags zum Rechtsextremismus. Gegenüber einem Untersuchungsausschuss, wie ihn lange Zeit die Jusos gegen seinen Willen gefordert hatten, habe dieser den Vorteil, dass auch der Sachverstand Externer eingebracht werden könne.

Einstimmig verabschiedeten die Delegierten den von den Jusos eingebrachten Leitantrag „Gemeinsam gegen Rechtsextremismus“. Angenommen wurde zudem ein Antrag, demzufolge Forenbetreiber – konkret der Interneteinzelhändler Amazon - dazu verpflichtet werden sollen, Diskussionsbeiträge mit rechter Propaganda von ihren Seiten zu löschen. Ferner beschloss der Parteitag, das Landesamt für Verfassungsschutz solle künftig keine Bildungsarbeit mehr machen; das sei Sache der Landeszentrale für politische Bildung und von Einrichtungen der Zivilgesellschaft.


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