Stuttgart. Die grün-rote Landesregierung hat relativ schnell auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts am 4. Mai 2011 zur Sicherungsverwahrung reagiert. Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) brachte am Mittwoch den Gesetzentwurf zum Vollzug der Sicherungsverwahrung in Baden-Württemberg in den Landtag ein. Sprecher aller Fraktionen signalisierten in der ersten Lesung ihre Zustimmung zu dem Gesetz.
"Ich bin überzeugt, dass wir damit die Vorgaben der Verfassungsrichter konsequent und mit Augenmaß umsetzen", sagte der Minister. Das Gericht hatte die bisherige Methode der Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig erklärt und Bund und Länder aufgefordert, diese bis zum 31. Mai 2013 neu zu regeln. Wichtigster Punskt des Gesetzes ist die Trennung der Sicherungsverwahrung vom Vollzug der Straftat.
Stickelberger erklärte, im Gesetzentwurf werde der Anspruch der Sicherungsverwahrten auf "wissenschaftlich fundierte Behandlung" festgeschrieben. Durch intensive und individuelle Therapie und durch Motivation soll den Betroffenen eine realistische Perspektive auf eine Entlassung eröffnet werden. In Baden-Württemberg gibt es 70 Sicherungsverwahrte, die zum größten Teil in Freiburg untergebracht sind. Auf dem Gelände des Gefängnisses steht für diese Gruppe nun ein eigenes zugängliches und vom Strafvollzug abgetrenntes Gebäude zur Verfügung. Dort sollen sollen die Betroffenen in therapeutisch ausgerichteten Wohngruppen intensiv behandelt und betreut werden.
"Im Abstand zum Strafvollzug werden die Einschränkungen im Alltagsleben für die Sicherungsverwahrten auf das Unumgängliche reduziert", erklärte der Minister. Die Regierung habe aber auch den Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Straftätern im Blick. Neu im Gesetz ist außerdem, dass im Gegensatz zum Strafvollzug keine Arbeitspflicht für Sicherungsverwahrte besteht; Arbeit wird jedoch genau wie schulische und berufliche Bildung angeboten. Außerdem besteht für die Untergebrachten die Möglichkeit regelmäßiger Besuche bei einer Gesamtdauer von mindestens zehn Stunden im Monat.
Karl Zimmermann (CDU) dankte dem Ministerium für den Gesetzentwurf. Er schlug aber vor, von Sicherungsbehandlung statt von Sicherungsverwahrung zu sprechen. Der Wert des Einzelnen müsse auch dann geachtet werden, wenn dieser in der Vergangenheit selbst die Werte nicht geachtet habe. Zimmermann sagte, das neue Gesetz erfordere "mehr Geld, mehr Zeit und mehr Personal". Freiburg könne mit dem heutigen Personal die Aufgabe nicht erfüllen. Außerdem ist dem CDU-Abgeordneten die Regelung zur Arbeit ein Dorn im Auge: "Wer sicherungsverwahrt ist, soll arbeiten. Ich plädiere dafür, die Arbeitpflicht nicht abzuschaffen, sondern neu zu gestalten."
Für die Betroffenen seien 16 Therapeuten und Sozialarbeiter bereits eingestellt, sagte Jürgen Filius (Grüne). Dies führt zu Mehrkosten von 740 000 Euro. Das Abstandsgebot zum Strafvollzug sei geboten, es handele sich um keine Gefangene, deshalb sollten Anreize zur Beschäftigung gesetzt, aber keine Arbeitspflicht verordnet werden.
Auch der frühere Justizminister Ulrich Goll (FDP) begrüßte den Gesetzentwurf, bezeichnete es jedoch als "traurige Tatsache", dass er Menschen betreffe, "bei denen auch noch so gute Therapien nichts nützen". Dennoch sei eine Lösung für die 70 Betroffenen, die ein Prozent der Inhaftierten im Südwesten darstellen, notwendig. Die Liberalen seien bereit, das Gesetz mitzutragen. Goll forderte aber die Landesregierung auf, die Opferschutzstiftung nicht aufzulösen.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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