Stuttgart. Der Streit um Alkoholverbote im Kampf gegen Saufgelage auf öffentlichen Plätzen spitzt sich wieder zu: SPD-Innenexperte Nikolaos Sakellariou plädiert dafür, solche Verbote nun ernsthaft zu prüfen. Er stützt sich auf Erkenntnisse, die in den Entwurf für einen Abschlussbericht der Arbeitsgruppe „Lebenswerter öffentlicher Raum“eingeflossen sind. In dem Bericht, werden mehrere Maßnahmen vorgeschlagen, darunter zeitlich und örtlich begrenzte Konsumverbote.
Der Landessprecher der Grünen Jugend, Marcel Emmerich, reagierte verärgert auf den Vorschlag. „Beide Regierungsparteien haben eindeutig klargemacht, dass sie gegen solche Verbote sind und diese nicht zur Lösung des Problems beitragen, da sie nur verlagern.“ Die Parteitage von Grünen und SPD hatten sich gegen Alkoholverbote ausgesprochen. Deshalb ist das Thema in der grün-roten Landesregierung und den Regierungsparteien konfliktträchtig.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Uli Sckerl, versuchte zu relativieren. Konsumverbote könnten lediglich letztes Mittel in einem Bündel von Maßnahmen sein. „Und dafür sehen wir keine Basis in den Ergebnissen“, sagte er. „Es kommt entscheidend darauf an, dass eine Vielzahl von aufeinander abgestimmten Maßnahmen ergriffen wird.“ Sckerl nannte auch die Fortsetzung des nächtlichen Alkoholverkaufsverbots, schärfere Kontrollen des Jugendschutzes, mehr kommunale Präventionsangebote und begrenzte Aufenthaltsverbote für polizeibekannte Störer an Brennpunkten. Die Maßnahmen sollten nach zwei Jahren überprüft und gegebenenfalls ergänzt werden.
Für ähnliche Alternativen hatte sich auch eine Mehrheit der Bürger in Heidelberg und Ravensburg bei einer Befragung im Auftrag des Innenministeriums für den Bericht ausgesprochen. Das Ergebnis: Die Anwohner nähmen öffentliche Saufgelage als bedeutsames Problem wahr. CDU-Innenexperte Thomas Blenke sagte: „Ich erwarte jetzt von den Grünen, dass sie nicht am Ergebnis der Befragungen herumtricksen, sondern im Sinne der Politik des Gehörtwerdens dieses Votum umsetzen.“ Gall müsse sich im Kabinett durchsetzen. CDU-Landeschef Thomas Strobl kritisierte: „Grün-Rot lässt die Kommunen und die Polizei bei diesem schwierigen und wichtigen Thema im Regen stehen.“ Aus Sicht des FDP-Fraktionsvorsitzenden Hans-Ulrich Rülke ist die ganze Debatte „überflüssig wie ein Kropf“.
Die Arbeitsgruppe war nach einem Runden Tisch unter Leitung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) im Januar eingerichtet worden. Sie kommt an diesem Montag in Stuttgart zusammen, um über den Abschlussbericht zu beraten. Zu den Mitgliedern der Gruppe unter Federführung des Innenministeriums gehören Vertreter von Parteien, Kommunen und Ministerien sowie Experten, etwa von Polizeihochschulen. Strobl sagte, schon im Januar hätten sich alle dafür ausgesprochen, den Kommunen die Möglichkeiten für Alkoholverbote auf öffentlichen Plätzen an die Hand zu geben.
Sakellariou sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Politik müsse sich entscheiden, ob solche Expertenrunden nur eine «Alibiveranstaltung» seien oder ob man sich ernsthaft mit den Ergebnissen befassen wolle. Die Kommunen fordern seit langem Verbote, um öffentliche Saufgelage und den damit einhergehenden Lärm und Dreck eindämmen zu können. Auch Kretschmann und Innenminister Reinhold Gall (SPD) hatten im Januar für diese Möglichkeit plädiert.
Der Bericht nennt mögliche Voraussetzungen für Konsumverbote: Sie sollten für Orte infrage kommen, an denen es überdurchschnittlich häufig Probleme mit einer hohen Anzahl von Betrunkenen gebe. Die Verbote sollten auf bestimmte Tage und Tageszeiten beschränkt werden. In Baden-Württemberg erfüllten voraussichtlich wenige Orte diese Kriterien: „Es ist davon auszugehen, dass sich die Anzahl betroffener Örtlichkeiten im unteren zweistelligen Bereich bewegt.“
Auch der Dezernent beim Städtetag Baden-Württemberg, Gerhard Mauch, sprach sich für Konsumverbote aus. Er befürwortet auch den im Bericht genannten Vorschlag, die Sperrzeiten für Gaststätten grundsätzlich wieder zu verlängern. Nach der seit 2010 geltenden Regelung beginnt sie um 3.00 Uhr - am Wochenende um 5.00 Uhr - und geht bis 6.00 Uhr. Mauch erklärte, es seien zwar Abweichungen von diesen Sperrzeiten möglich - aber nur mit hohem Aufwand.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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