Stuttgart. „Wir wollen Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren“, sagte die Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Katrin Altpeter (SPD) an diesem Mittwoch bei einer aktuellen Debatte im Landtag zum Thema „Neue Chancen für Langzeitarbeitslose und Benachteiligte durch gute und sichere Arbeit in Baden-Württemberg“. Beantragt wurde die Debatte von der SPD-Fraktion.
Vor rund vier Wochen hatte die Landesregierung ihr Konzept für „gute und sichere Arbeit“ beschlossen. Damit will sie Arbeitslosen bessere Chancen für eine langfristige Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt eröffnen und mehr Personen zu einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz verhelfen. Besonders Alleinerziehende, Menschen mit Migrationshintergrund und Jugendliche ohne Schulabschluss bilden dabei die Zielgruppe. Zehn Millionen Euro, davon fünf Millionen Euro aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds, stünden für die nächsten Jahre bereit, um verschiedene Förderangebote zu finanzieren.
„Die guten Zahlen auf dem Arbeitsmarkt überdecken die Schattenseiten. Gute Zahlen bedeuten noch keine gute Arbeit“, sagte Rainer Hinderer (SPD). Immer noch gebe es landesweit rund 60 000 Langzeitsarbeitslose. Durch die Zeitarbeit und prekäre Beschäftigung hätten viele Personen keine nachhaltige Perspektive für eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt. „Ein-Euro-Jobs helfen kurzfristig, sind aber kein dauerhaftes Instrument für sinnvolle Beschäftigung“, sagte Hinderer, der sich erneut für die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns aussprach.
Herzstück des Konzepts der Landesregierung ist nach Ansicht von Thomas Poreski (GRÜNE) der so genannte Passiv-Aktiv-Transfer, der bei erfolgreicher Umsetzung bundesweit Nachahmer finden soll. Dabei soll die passive Unterstützung in Form des Arbeitslosengelds II in einen Zuschuss für einen Arbeitsplatz im sozialen, ökologischem und nun ebenfalls im gewerblichen Bereich umgewandelt werden, der einen geringen Produktivlohn ausgleicht und damit Personen zu einem sozialversicherungspflichtigen Job verhilft. Das koste das Land Geld, doch bisher zahle das Land ebenfalls für Arbeitslose, die durch das Konzept der Landesregierung aber künftig Steuern zahlten und einen aktiven Beitrag für die Gesellschaft leisteten. 500 Arbeitslose sollen auf diese Weise gefördert werden.
Mit weiteren verschiedenen Instrumenten, wie unterstützte Ausbildung und Teilzeitausbildung, sollen mehr Personen dauerhaft erwerbstätig werden und damit am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Dazu will das Land unter anderem Job-Coaches schaffen, die Arbeitslose, die einen Job gefunden haben, mittelfristig begleiten und beraten, um einen Rückfall in die Arbeitslosigkeit verhindern. Die Fraktionen von CDU und FDP kritisierten bei diesem Vorschlag, dass neben den Landkreisen, Arbeitslosenagenturen und Kommunen nun auch noch das Land als weiterer Akteur und Schnittstelle in Erscheinung trete.
Wilfried Klenk (CDU) und Jochen Haußmann (FDP) äußerten die Sorge, dass mit diesen Instrumenten der soziale Arbeitsmarkt dauerhaft alimentiert werden könnte und sprachen die Gefahr von Mitnahmeeffekten an. Haußmann konstatierte, dass eine Ausweitung der Förderung auf alle Arbeitslosen rund 900 Millionen Euro kosten würde. Außerdem habe das Konzept nicht den Fachkräftemangel im Blick und sei daher kein umfassendes arbeitsmarktpolitisches Programm. Ministerin Altpeter konterte und verwies auf die Allianz für Fachkräfte, das Tariftreuegesetz und weitere Maßnahmen der Landesregierung im Bereich der Kinderbetreuung, die man nicht isoliert betrachten könne. Außerdem könne die Landesregierung nicht die Mittel ausgleichen, die die schwarz-gelbe Koalition in Berlin derzeit streichen würde.
Klenk zeigte sich pessimistisch, dass das Programm bundesweit umgesetzt werde, da es um hohe Summen gehen würde. Zwar habe man grundsätzlich keine Einwände, doch besonders in wirtschaftlich schlechteren Zeiten, könnte das Konzept der Landesregierung neue Probleme aufwerfen. Auch sei die Verteilung der finanziellen Mittel nicht gänzlich sinnvoll. Für wichtige Punkte, beispielsweise die Präventionsprogramme im Bereich der gesundheitlichen Vorsorge, seien im Programm keine Gelder vorgesehen. Klenk stellte die Frage, nach welchen Kriterien die 500 Teilnehmer ausgesucht würden und brachte eine konstruktive Mitarbeit der CDU in Spiel. „Es sind noch viele Frage offen. Daher sollten wir einen gemeinsamen Beirat mit Mitgliedern aus allen Fraktionen gründen und die Inhalte gemeinsam diskutieren.“
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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