Stuttgart. Der Landtag hat einen weiteren Untersuchungsausschuss zum umstrittenen Polizeieinsatz am 30. September 2010 im Stuttgarter Schlossgarten gegen Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 beschlossen. Mit den Stimmen von Grünen, SPD und FDP bei der Enthaltung der CDU-Fraktion stimmten die Parlamentarier am Mittwoch für den entsprechenden Antrag der Regierungsfraktionen.
Zum Vorsitzenden des Ausschusses wurde Jürgen Filius (Grüne) gewählt, als Stellvertreter und ebenso einstimmig Andreas Deuschle (CDU). Erstmals in der Geschichte des Landes leitet damit ein Grünen-Politiker einen Untersuchungsausschuss. Der Ausschuss mit dem Titel „Aufklärung einer politischen Einflussnahme der CDU-geführten Landesregierung Mappus auf den Polizeieinsatz vom 30. September 2010 im Stuttgarter Schlossgarten und auf die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses 2010/2011“ soll die Frage klären, ob der damalige Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) politisch Einfluss auf den Polizeieinsatz genommen hat, bei dem 130 Demonstranten und 34 Polizisten verletzt wurden.
Der erste Untersuchungsausschuss hatte sich bis Januar 2011 mit der Aufarbeitung der Vorgänge vom „Schwarzen Donnerstag“ beschäftigt. Nachdem Medien über E-Mail-Verkehr von damaligen Regierungsmitgliedern zum Polizeieinsatz berichtet haben, ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen den Verdacht der Falschaussage gegen damalige Zeugen. Grund sind die öffentlich gewordene Mails aus Sicherungskopien des Staatsministeriums, die die Staatsanwaltschaft im Sommer 2012 sichergestellt hatte. Deshalb soll auch das mögliche Vorenthalten von Akten und anderen Dokumenten untersucht und aufgeklärt werden.
Zu den elf Ausschussmitgliedern gehören für die Grünen neben Filius noch der parlamentarische Geschäftsführer Hans-Ulrich Sckerl und Landtags-Vizepräsidentin Brigitte Lösch. Die CDU stellt neben Andreas Deuschle ihren Obmann Reinhard Löffler sowie Joachim Kößler und Alexander Thom als Mitglieder. Die SPD ist mit Obmann Sascha Binder sowie Nikolaos Sakellariou und Anneke Graner im Gremium vertreten. Für die FDP sitzt Timm Kern im Untersuchungsausschuss.
Der zweite Untersuchungsausschuss sei nach den bekannt gewordenen Sicherungskopien von Mappus' Computer „unumgänglich“ geworden; es bestehe der Verdacht, dass wesentliche Unterlagen dem ersten Gremium vorenthalten wurden. Deren Inhalt und Kenntnis hätten womöglich zu einer anderen Bewertung des Polizeieinsatzes führen können, erklärte Sckerl. „Wir müssen die Fragen aufklären und wollen die Emails sehen.“ Dies sei man den Bürgern, aber auch den beteiligten Polizisten schuldig.
Der Grüne erinnerte die CDU an die Landtagsdebatte vom 2. Februar 2011, in der sie betont habe, die Landesregierung habe alles richtig gemacht und die Fehler seien von einzelnen Polizisten gemacht worden. Der erste Ausschuss sei „im Schweinsgalopp“ unter schlechten Rahmenbedingungen durchgepeitscht worden. „Die Tiefe und Aufklärung hat darunter gelitten.“ Ihm und den Grünen gehe es bei der unumgänglichen Aufklärung um eine mögliche Einflussnahme der Regierung Mappus.
Auch Binder nannte den Grund, weshalb der Landtag „das schärfste Schwert“ in die Hand nehmen und auf seine Rechte pochen muss, Auch den SPD-Obmann beschleicht das Gefühl, dass der erste Ausschuss „nicht alle Unterlagen bekommen hat“. Dieses Gefühl habe er schon 2010 und 2011 gehabt, jetzt aber sei dies belegt durch das Auftauchen der E-Mails. Binder verwies auf die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach Akten nicht zurückgehalten werden. Durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen Falschaussage sei es „gutes Recht“ für den Ausschuss – auch um alle erforderlichen Unterlagen zur Aufklärung zu erhalten.
Die CDU stehe für Transparenz und Aufklärung, erklärte Reinhard Löffler. Deshalb werde sie konstruktiv mitarbeiten und nichts beschönigen. Bei politischen Spielchen der grün-roten Landesregierung werde man jedoch nicht mitspielen. Löffler hegte auch den Verdacht, dass Grün-Rot mit dem Ausschuss die öffentlich schlechte Meinung über die Regierung „aufpäppeln“ will. „Die Einladung zur Schlammschlacht nehmen wir nicht an“, sagte er mit Verweis auf die Titulierung des Ausschusses. Er warnte Grün-Rot davor, den Ausschuss zur Stimmungsmache für die Kommunalwahl 2014 zu missbrauchen. Das Ergebnis dürfe nicht schon bei der Ausschuss-Einsetzung feststehen.
Auch Timm Kern (FDP) befürchtet, dass mit dem Untersuchungsausschuss auch parteipolitische Ziele verknüpft werden. Er begründete die Zustimmung der Liberalen zur Einsetzung. Seine Fraktion wolle wissen, ob und von welchen Seiten auf den Polizeieinsatz eingewirkt wurde und ob dies rechtswidrig gewesen ist. Das Selbstverständnis des Parlaments gebiete es, zu untersuchen, ob seine Rechte rechtswidrig beschnitten worden seien.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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