Stuttgart. Das Kultusministerium wird keine unabhängige Einrichtung mit der wissenschaftlichen Begleitung der Umsetzung der Inklusion an den baden-württembergischen Schulen betrauen. Mit den Stimmen von Grünen und CDU lehnten die Regierungsfraktionen am Mittwoch im Landtag einen entsprechenden Antrag der FDP-Fraktion mehrheitlich ab.
Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) kündigte in der Debatte zur Qualitätssicherung bei der Inklusion jedoch an, dass sie eine dauerhafte qualifizierte Begleitung wolle. Allerdings nicht extern, sondern durch die Regierungspräsidien und die Schulämter, und zwar ab dem Sommer 2017. Evaluierung und Prozessbeteiligung seien ihr wichtig, sagte die Kultusministerin. Inklusion sei ein gesamtgesellschaftliches Thema, deshalb gehe Qualität vor Schnelligkeit, erklärte Eisenmann. Die mit Gesetz vom 1. August 2015 eingeführte Inklusion an den Schulen des Landes sei „auf gutem Weg“, es bestehe aber durchaus Bedarf an „Nachjustierung“. Die CDU-Politikerin kündigte an, im Herbst mit der Weiterqualifizierung von Lehrern zu beginnen, die behinderte und nicht behinderte Schüler im Klassenverbund unterrichten. Haushaltsmittel würden dafür bereit gestellt. „Lehrer müssen in der Lage sein, mit dem Thema umzugehen“, begründete Eisenmann die Initiative, die auch weitere Lehrereinstellungen umfasst.
Timm Kern (FDP) berichtete von Klagen von Eltern behinderter Kinder über Unterrichtsausfall und Lehrermangel. Das Sonderschulwesen sei angesichts von neun Arten existierender Sonderschulen „hoch spezialisiert“. Deshalb dürfe die Landesregierung nicht alles Bisherige umstürzen, sondern müsse das Recht auf Bildung sichern. Der liberale Bildungsexperte warf Grün-Schwarz vor, die Sonderschulen gegenüber den Inklusionsprojekten zu benachteiligen.
Sandra Boser (Grüne) wies dies zurück. Die Wahlfreiheit der Eltern, ihre Kinder an Sonderschulen oder in allgemein bildenden Schulen unterrichten zu lassen, sei „ein hohes Gut“. Sie räumte auch ein, dass das Gesetz zur Inklusion noch nicht in allen Schulen angekommen sei. Auch die Barrierefreiheit müsse noch besser umgesetzt werden. Ziel der Grünen sei es, die Inklusion an jeder baden-württembergischen Schule möglich zu machen. „Behinderte sollen überall willkommen sein.“ Zur Umsetzung soll die Sonderpädagogik auch in die Ausbildung von Haupt- und Werkrealschullehrern aufgenommen werden.
Der Umgang mit Menschen, die Hilfe brauchen, müsse gelernt werden, sagte Raimund Haser (CDU). Er sprach von einem weiten Weg, um die Inklusion zum festen Bestandteil von Regelschulen, Sonderschulen und Außenklassen werden zu lassen. Die Landesregierung plane jedoch bis zum Schuljahr 2022/23 insgesamt 1350 neue Stellen dafür zu schaffen. „Inklusion um jeden Preis darf es nicht geben“, sagte Haser, die Menschen dürften nicht überfordert werden.
Bei der vom früheren Kultusminister Andreas Stoch (SPD) angepackten Einführung der Inklusion habe das „Wohl des Kindes im Mittelpunkt“ gestanden, betonte Gerhard Kleinböck (SPD). Inklusion müsse zur Normalität in allen gesellschaftlichen Bereichen werden. Er forderte, Eltern ein qualitatives Wahlrecht zu geben und Ausnahmen zuzulassen. „Hurtig, hurtig“ – so mahnte Oberstudiendirektor und Schulleiter die Regierungsfraktionen und das Kultusministerin zum Handeln auf. Denn: „Wir haben zu wenig Sonderpädagogik und zu wenig Ausbildungskapazitäten an den Pädagogischen Hochschulen.“ Außerdem forderte er gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit für die in der Inklusion tätigen Lehrer. Die SPD unterstütze den FDP-Antrag.
Kinder dürften nicht sinnlos in einem Klassenzimmer zusammen geführt werden, sagte Stefan Räpple (AfD). Er spielte damit auf „eklatante Lerndifferenzen“ in den heterogenen Klassen hin. „Sonderschulen müssen bleiben“, forderte Räpple, der es als wichtig erachtet, Menschen zu verbinden. Claudia Martin (AfD) zitierte aus einer Umfrage, wonach 47 Prozent der mit Inklusion betroffenen Lehrer fehlende Ausstattungen reklamieren. Außerdem halte es der Großteil der Lehrer für sinnvoll, behinderte Schüler weiter in Sonderschulen zu unterrichten, um eine Benachteiligung von nicht behinderten Schülern zu verhindern. „Die Probleme bei der Umsetzung der Inklusion sind sichtbar“, stellte Martin fest.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
Wissenswertes zu kommunalpolitischen Themen für Sie als Gemeinderat/Gemeinderätin mit einem wöchentlichen Newsletter direkt in Ihr E-Mail-Postfach. Abonnieren Sie jetzt den
Kommunal-Newsletter.