Rechtzeitig mit den Schwangeren sprechen

29.10.2010 
Redaktion
 
Mutterschutz
Foto: Pixelio

Stuttgart. Mit 14 Wochen Mutterschutz ist Deutschland nicht gerade ein Vorreiter. Das Gesetz gewährleistet sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt die Einhaltung eines Beschäftigungsverbots der werdenden beziehungsweise jungen Mutter für diesen Zeitraum. Doch immerhin gibt es im Anschluss — falls beantragt — die Elternzeit. Aber was tun, wenn die werdende Mutter bereits einige Wochen vor dem vorgesehenen Mutterschutz aus gesundheitlichen Gründen ausfällt?

Das sogenannte Mutterschutzgesetz (MuSchG) ist eine der wichtigen Errungenschaften unserer Zeit. Die Mutterschutzregeln sind derzeit in der Europäischen Union reichlich unterschiedlich. In Deutschland, Schweden und Malta gilt die Mindestzahl von 14 Wochen, in Österreich 16 Wochen, in 13 der 27 Mitgliedstaaten sind es 18 Wochen oder mehr. Das Mutterschutzgesetz gilt für alle arbeitenden schwangeren Frauen sämtlicher Berufsgruppen, angefangen  von der Putzfrau und Fließbandarbeiterin über Frauen in der Landwirtschaft oder dem öffentlichen Dienst bis hin zu Frauen in Führungspositionen — ob in Vollzeit oder Teilzeit, ob als Aushilfe oder für Auszubildende. Das Gesetz soll die werdende Mutter und das ungeborene Kind vor Gefahren am Arbeitsplatz zu schützen. Es soll aber auch verhindern, dass Frauen aufgrund ihrer Schwangerschaft vom Arbeitgeber gekündigt werden können.

Arbeitsabläufe intern umstrukturieren

Ein wichtiger Schritt zur Gleichberechtigung von Frauen am Arbeitsplatz, auch wenn sich manche Arbeitgeber bei der Einstellung von Frauen im gebärfähigen Alter immer noch schwer tun, aus Angst, dass diese schwanger wird und als Arbeitskraft ausfällt. Und dann dem gleichaltrigen Mann — bewusst oder unbewusst — Vorrang geben. Obwohl der Mutterschutz durch Umlage finanziert wird. Die Umlage U2 ist ein verpflichtendes Ausgleichsverfahren für alle Arbeitgeber und seit 1. Januar 2006 gültig. Hier ist geregelt, dass der Arbeitgeber den vollen Lohn während des Mutterschutzes zahlt, aber von der zuständigen Krankenkasse 13 Euro pro Tag erstattet bekommt. Das heißt konkret: der Arbeitgeber zahlt lediglich die Differenz. Dennoch kann es auch passieren, dass eine schwangere Frau aus gesundheitlichen Gründen bereits vor der Mutterschutzfrist ausfällt. Hier zahlt der Arbeitgeber sechs Wochen. Danach übernimmt die  Krankenkasse. „Aber mit Krankheit eines Arbeitnehmers muss jedes Unternehmen rechnen“, so Sabine Lißner, Juristin bei der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart. Wohl bleibt eine vorzeitige Krankschreibung bei Schwangerschaft eher die Ausnahme. „Zumindest scheinen die Arbeitgeber hier keine Probleme zu haben“, so Lißner. „Ich habe in meiner Funktion bei der IHK dies betreffend jedenfalls keinerlei Anfragen.“ Eher schon gibt es Fälle, wo die schwangere Frau aus Gründen der Sicherheit an ihrem bisherigen Arbeitsplatz nicht arbeiten kann, etwa wenn sie mit Chemikalien arbeitet oder schwere Dinge heben muss. „Aber so etwas ist absehbar und planbar,“ sagt Lißner. „Und manche Unternehmen können dann intern umstrukturieren.“

Portal „Mittelstand und Familie“:
Das Portal ist Bestandteil des Vorstandsprojekts „Balance von Familie und Arbeitswelt“, das die Bertelsmann Stiftung gemeinsam mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend seit 2003 durchführt. Das Leitprojekt ist Bestandteil der von der Bertelsmann Stiftung und dem Bundesministerium initiierten „Allianz für die Familie“. Es wurde in der Entstehungsphase aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert. Seit dem 1. Juli 2008 betreibt es der Entwickler, die pme Familienservice GmbH, mit Unterstützung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Für kleinere, mittelständische Unternehmen mit wenigen Arbeitskräften  ist der Arbeitsausfall dennoch mitunter schwer zu stemmen. Geht die werdende Mutter in Mutterschutz, kann das Unternehmen eine Mutterschaftsvertretung befristet einstellen. Muss sie allerdings bereits vorher aufgrund gesundheitlicher Gründe aufhören zu arbeiten, wird es mitunter schwierig. Stehen die Fehlzeiten früh fest, kann auch hier der Arbeitgeber früh handeln und für befristeten Ersatz sorgen. Deshalb ist bei kleineren Unternehmen vor allem eines wichtig: die Kommunikation zwischen Arbeitnehmerin und Arbeitgeber. Zwar gibt es allerlei Informationsmaterial zum Thema Mutterschutz, konkrete Handlungsleitfäden für Arbeitgeber sind nicht vorhanden. Immerhin bietet die Internetseite www.mittelstand-und-familie.de eines in Berlin ansässigen Dienstleisters im Bereich Kinderbetreuung mit Unterstützung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, ganz praktische Tipps und Links zu wichtigen Seiten und Broschüren für beide Seiten, wie Probleme vermieden werden können.

Im Vorfeld über die eigene Position klar werden

Als erstes steht auf der To-Do-Liste die Kommunikation als Grundlage jeglicher Arbeitsverhältnisse und einer guter Arbeitsatmosphäre. „Die Herausforderung für die Unternehmensleitung besteht darin, zunächst ‘angemessen‘ zu reagieren“, schreiben die Verantwortlichen. „In einem ersten Gespräch gilt es daher herauszufinden, wie eine Schwangere ihre Situation selbst einordnet und ihr zu signalisieren, dass das Unternehmen die Zukunft gemeinsam mit ihr meistern will.“ Zudem muss unmittelbar geprüft werden, ob und welche Schutzbestimmungen, etwa was die besondere Arbeitsplatzsituation der Schwangeren betrifft, einzuhalten sind. Leitfaden ist hier das Mutterschutzgesetz. Gegebenenfalls muss der Arbeitgeber intern umstrukturieren und eventuell für Ersatz in bestimmten Bereichen sorgen. Zusätzlich sollten sich beide Seiten zum Thema Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz informieren, welches den Anspruch auf Elterngeld und die Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Elternzeit und Teilzeiterwerbstätigkeit in der Elternzeit regelt. Je früher das Gespräch zu diesen Fragen sowie auch zu Plänen der Rückkehr zum Arbeitsplatz diskutiert werden, desto hilfreicher für beide Seiten. Wichtig, aber nicht immer einfach sei hier das  „sachliche Diskutieren“, heißt es weiter auf der Internetseite: „Für Klein- oder Kleinstunternehmen oder kleinere Abteilungen eines mittelständischen Betriebes kann die Aussicht auf die längere Nichtverfügbarkeit der einen von insgesamt zwei oder drei Beschäftigten durchaus beängstigend sein. Daher empfehle es sich für Arbeitgeber oder Arbeitgeberin wie Arbeitnehmerin, sich „im Vorfeld über die eigenen Positionen klar zu werden und vielleicht schon im Gespräch in einem Besprechungsbogen festzuhalten, was für möglich gehalten wird.“ Schließlich muss man daran denken, wie umorganisiert und -strukturiert werden kann, welche anderen Mitarbeiter welche Aufgaben übernehmen können. „Dazu müssen alle, die von einer Veränderung betroffen sind, in diesen Gestaltungsprozess  einbezogen werden.“ So kann eigentlich nichts mehr schief gehen.

Und trotzdem: Auch wenn in Deutschland alles geregelt zu sein und das Mutterschutzgesetz dafür zu sorgen scheint, dass Frauen im Falle einer Schwangerschaft nicht benachteiligt werden können und Bund sowie Krankenkassen den Arbeitgebern finanziell unter die Arme greift, bleibt bei manchen Unternehmen ein gewisses Grundunbehagen erhalten. Davon, dass das Europäische Parlament gerade beschlossen hat, den Mutterschutz auf 20 Wochen zu verlängern, halten die Arbeitgeber in Deutschland jedenfalls nichts. Das Argument: Die Pläne würden zu höheren Kosten für die Unternehmen führen und könnten zugleich die Beschäftigungschancen von Frauen verschlechtern, so Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.


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