Stuttgart. Das Land will mit einem neuen Glücksspielgesetz den Wildwuchs bei Spielhallen eindämmen und zugleich dem Jugendschutz und der Prävention stärker Rechnung tragen. Der Landtag verabschiedete am Donnerstag, mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und großenteils auch denen der CDU das eingebrachte Gesetz. Es wird Anfang 2013 in Kraft treten und sieht eine Begrenzung der Zahl der Spielhallen sowie ein Abstandsgebot vor: Zwischen einzelnen Spielhallen müssen mindestens 500 Meter liegen. Um eine Konzession zu erhalten, müssen Spielhallenbetreiber ein Sozialkonzept vorlegen. Dieses legt neben Eingangskontrollen unter anderem fest, dass das Personal von Spielhallen geschult werden soll, um künftig Spielsüchtige gezielt anzusprechen und auf Beratungsangebote hinzuweisen.
Joachim Kößler (CDU) sieht den Gesetzgeber auf schmalem Grat wandeln. Einerseits solle die Gewerbefreiheit nicht weiter eingeschränkt werden als unbedingt nötig, auf der anderen Seite gehe es um eine klare ordnungspolitische Zielsetzung. Seine Fraktion könne das Gesetz als Ganzes mittragen. Allerdings sehe man in manchen Punkten „unbillige Härten“ für Spielhallenbetreiber; außerdem seien in einzelnen Bestimmungen „eine ganze Menge unbestimmter Rechts***“ enthalten, die wohl viele Gerichtsklagen von Spielhallenbetreibern nach sich ziehen dürfen. Insofern glaube seine Fraktion nicht in allen Punkten, „dass wir uns da auf rechtlich sicherem Boden bewegen“.
Es sei in der Tat eine schwierige Aufgabe, den Spagat zwischen Gewerbefreiheit und Jugend- und Spielerschutz zu schaffen, meinte Josef Frey (Grüne). Insgesamt sei das Gesetz aber, allen Klagen von Spielhallenbetreibern zum Trotz, „sehr, sehr gewerbefreundlich“. Er jedenfalls sehe für diese „keine Härten entstehen“. Im Übrigen sei der Entwurf auch „ein Beitrag zum Bürokratieabbau“: Denn das neue Gesetz ersetze nicht bloß das alte, sondern mache auch drei bisherige Verordnungen überflüssig.
Für Florian Wahl (SPD) zielt das neue Glücksspielgesetz vorrangig auf die Suchtprävention, die ein dringendes Anliegen sei. Zehntausende seien in Baden-Württemberg spielsüchtig, schwere Depressionen bis hin zum Suizid seien die Folge. Und zudem gilt laut Wahl: „Keine andere Sucht führt so unmittelbar zum wirtschaftlichen Ruin Einzelner und ganzer Familien“. Angesichts der gesellschaftlichen Folgen sei es richtig, mit dem Gesetz künftig beispielsweise Spielhallenbetreiber auch in die Pflicht zu nehmen, niederschwellige Betreuungsangebote zu machen. Das Gesetz bedeute „keine Prohibition, aber starke und effektive Prävention“.
Dem widersprach für die FDP der frühere Justizminister Ulrich Goll. Seine Fraktion werde das Gesetz nicht mittragen, da es mit einer rechtlich fragwürdigen Begründung beginne und im Übrigen eine tragende Begründung des Gesetzes fehle. Suchtprävention sei ein Anliegen, dass die FDP teile. Doch das Gesetz sei nicht geeignet, dieses Ziel auch zu erreichen, wohl aber „eine ganze Branche faktisch zu vernichten“. Zahlreiche, mitunter rechtlich anfechtbare Restriktionen und der mangelnden Bestandschutz für bereits getätigte Investitionen könnten zwar den Betrieb von Spielhallen erschweren oder verunmöglichen. Damit würde Spielsüchtigen aber nicht geholfen, sondern diese bloß verstärkt ins Internet abwandern. Insofern sei die verkündete präventive Stoßrichtung des Gesetzes „eine klare Form von Selbsttäuschung“, sagte Gall.
Innenminister Reinhold Gall (SPD) zufolge sind sich alle Fraktionen, auch die FDP, darin einig, dass es „eines Ausführungsgesetzes zum Staatsvertrag bedarf“.Rechtsunsichere Regelungen im Gesetz der Landesregierung sehe er nicht; im Übrigen habe sich Baden-Württemberg ja nicht allein auf den Weg gemacht, auf Grundlage des neuen Staatsvertrags das Länderrecht entsprechend anzupassen; vielmehr bewege sich der Entwurf „in Gleichklang mit dem anderer Länder, die das schon gemacht haben“, wobei man „durchaus präziser formuliert habe“ als andere Länder gemacht haben“, so der Minister. „Das Gesetz ist durchaus ambitioniert“: Sich durch ein verfassungsrechtlich einwandfreies Glücksspielgesetz weiterhin das Lotteriemonopol zu erhalten, so der Minister, „das ist unser erklärtes Ziel, das wollen wir.“
Die Regierung habe im Übrigen bewiesen, dass ihr Transparenz in Gesetzgebungsverfahren tatsächlich am Herzen liege: Zuletzt seien mehrere Anregungen aus Ausschussanhörungen noch in das Gesetz eingearbeitet worden. Beispielsweise sei man dem Wunsch der Kirchen gefolgt und schreibe nun auch den Buß- und Bettag als Ruhetag für den Spielhallenbetrieb fest.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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