Fellbach. Die FDP-Spitze hat beim Landesparteitag in Fellbach den Ausstieg ihrer Partei aus dem Jamaika-Sondierungen im Bund gerechtfertigt. Der Landesvorsitzende Michael Theurer sagte, Jamaika wäre nur möglich gewesen, wenn „wir uns aufgegeben hätten“. Er ergänzte: „Wir wurden nicht gewählt, um die große Koalition auf andere Weise fortzusetzen, wir wurden gewählt, das Land zu erneuern.“
Am Sonntag des Sondierungsabbruchs seien noch 100 Punkte offen gewesen und 237 Spiegelstriche gestanden. „Mit einer sozialdemokratisierten Merkel-CDU und den linken Trittin-Grünen“ sei keine Einigung möglich gewesen. Die Grünen hätten auf dem Erneuerbare-Energien-Gesetz bestanden, obwohl dieses europaweit die Emissionen nicht senke. Die CDU sei nicht bereit gewesen, auf den Soli zu verzichten. Außerdem habe sie ebenso wie Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) eine Abschaffung des Kooperationsverbots in der Bildung abgelehnt. Zuletzt hätten die Grünen sich noch gegen das Ceta-Abkommen mit Kanada ausgesprochen. Neben inhaltlichen Differenzen sei es jedoch vor allem das fehlende Vertrauen gewesen, das einer Jamaika-Koalition im Wege gestanden habe.
Anders als in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein habe im Bund nicht die Möglichkeit bestanden, liberale Politik zu verwirklichen, ergänzte der Fraktionschef im Landtag, Hans-Ulrich Rülke. Und als Steigbügelhalter für Schwarz-Grün stehe die FDP nicht zur Verfügung. Rülke erinnerte daran, dass er in einer ähnlichen Koalition 2016 im Land zu einer Ampelkoalition nein gesagt hatte. „Die FDP ist nicht zum Nulltarif zu haben“, sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende.
Für ihn ist die Tatsache, dass die politische Konkurrenz die FDP beschuldigt, vor der Verantwortung davonzulaufen, „nichts anderes als der Beleg, dass man die Liberalen in diesem Land wieder fürchtet“. Ähnlich verhalte es sich der angeblichen „neuen Nähe“ der FDP zur AfD.
„Wir sind der Verantwortungsanker in Deutschland“, resümierte der Landesvorsitzende Theurer. Der Union dürfe nicht gestattet werden, die Verantwortung für ihre Politik bei anderen abzuladen. Theurer erinnerte daran, dass die Union in der vergangenen Legislaturperiode SPD-Projekten wie dem Mindestlohngesetz zugestimmt habe. „Es wird Zeit, dass Frau Merkel wirklich mal sagt, wofür die CDU steht“, sagte der Parteichef unter dem Applaus der Delegierten.
Theurer sieht die Opposition als Chance für die FDP. „Wir können auch aus der Opposition Druck machen“, sagte er und führte als Belege aus der Vergangenheit die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe und die Schuldenbremse im Grundgesetz an. Voraussetzung sei allerdings, man betreibe nicht Fundamentalopposition wie die AfD und die Linke. Theurer kritisierte, dass die Linken-Fraktionschefin im Bundestag, Sahra Wagenknecht, zwar regelmäßig in Talkshows zu sehen sei, nicht aber bereit sei, Regierungsverantwortung zu übernehmen.
„Wir Liberale setzen auf German Mut“, sagte Theurer und setzte sich damit von den Linken ab, denen er vorwarf, auf Staatswirtschaft zu setzen, und den Rechtspopulisten, die die Augen vor der Welt verschlössen. Er forderte ein „Fitness-Programm für Deutschland“ orientiert an der Formel 40/20/40. Die Staatsquote müsse auf 40 Prozent gesenkt werden, die Steuerbelastung auf 20 Prozent und der Sozialversicherungsanteil auf 40 Prozent.
Außerdem müssten die Übertragungsraten im Internet gesteigert werden. „Das Ziel muss die Gigabitgesellschaft sein.“ 50 Megabit pro Sekunde reichten nicht aus. Dann widmete sich Theurer dem Thema Bildung und bat einen jungen Mann zu sich auf die Bühne – den 12-jährigen Felix Bruns. Bruns berichtete von Lehrern, die sich mit der Technik nur bedingt auskennen, da sie beispielsweise kein Handy besäßen. Veraltete Computer und fehlende Whiteboards seien der Alltag in seiner Schule. Er riet der FDP, sich in Zukunft auf Twitter und Youtube zu präsentieren. „Facebook ist ein bisschen in die Jahre gekommen.“ Und Fernsehen schaue er gar nicht mehr – mit Ausnahme der „Heute-Show“. Theurer nahm den Ball auf. Pro Schüler müssten 1000 Euro in die Digitalisierung der Schulen fließen. Für ihn sind „die Freien Demokraten in Baden-Württemberg die Bildungspartei“.
Fraktionschef Rülke ging in seiner Rede auch auf die Landespolitik ein. Er beklagte die „Aufblähung“ des Landeshaushalts, dessen Volumen seit 2011 um 50 Prozent gewachsen sei und zog den Vergleich zu den 15 Jahren zuvor, in deren Verlauf das Volumen lediglich um 10 Prozent gestiegen sei. Angesichts der sprudelnden Steuereinnahmen hätte die Regierung eigentlich 4,2 Milliarden Euro Schulden tilgen müssen – stattdessen habe sie die Landeshaushaltsordnung geändert. „Das muss man den Menschen in diesem Land sagen.“ Stattdessen bediene man die eigene Klientel und schaffe neue Stellen in der Landesverwaltung, sagte Rülke und verwies auf 250 neue Stellen im Umweltbereich.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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