Ministerium: Polizei nimmt psychische Erkrankungen von Beamten ernst

29.12.2016 
Redaktion
 
Foto: dpa

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Stuttgart. Wie viele Polizisten an psychischen Krankheiten leiden oder litten, ist kaum untersucht. Ein Psychologe der Hochschule für Polizei (HfPol) Baden-Württemberg hat nun in einer Analyse Daten aus verschiedenen Untersuchungen zusammengetragen. Er sieht großen Handlungsbedarf. Genauso wie die Junge Polizei. Das Innenministerium teilt auf Anfrage mit, dass das Thema innerhalb der Polizei Baden-Württemberg ernst genommen wird. Für eine umfangreiche Untersuchung fehle allerdings die rechtliche Grundlage.  

Der Psychologe und Professor der HfPol, Knut, Latscha hat – unter anderem auf Datenbasis von zwei Bachelorarbeiten, die an der HfPol entstanden sind – die Fragen analysiert, wie häufig Polizeibeamte an psychischen Erkrankungen leiden oder gelitten haben, wie hoch das Risiko eines Burn-outs ist und wie sich dies auch auf die Suizidalität auswirken könnte. Es zeigte sich, dass jeder fünfte Polizist an einer psychischen Erkrankung leidet oder gelitten hat und jeder dritte einem erhöhten Burn-out-Risiko ausgesetzt ist.  

Die Polizei Baden-Württemberg halte das Thema „Psychische Erkrankungen bei der Polizei“ für wichtig und sei sich bewusst, dass das „bestehende hohe Niveau an Hilfsangeboten aufrechterhalten und ständig den aktuellen Entwicklungen angepasst werden muss“, teilt ein Ministeriumssprecher mit.   Datenerhebungen zu psychischen Erkrankungen seien allerdings aus rechtlichen Gründen lediglich auf freiwilliger Basis möglich, zum Beispiel im Rahmen spezieller Studien, an denen Betroffene freiwillig teilnehmen. Zwar würden die der Heilfürsorge-Abrechnungsstelle zugehenden Mitteilungen über psychische Erkrankungen von Polizeivollzugsbeamten ein vollständiges Bild ergeben. „Eine statistische Auswertung ist jedoch mangels Rechtsgrundlage nicht zulässig“, sagt der Sprecher weiter.  

Innerhalb der Polizei hat laut Ministerium ein Umdenken stattgefunden

Während das Ministerium einräumt, dass „in früheren Zeiten eine psychische Erkrankung von Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten im Kollegenkreis tendenziell eher als Schwäche abgetan wurde“, habe in den vergangenen zehn Jahren bei der Polizei ein deutliches Umdenken stattgefunden. Diesen Prozess führt das Ministerium auf mehr Informationsveranstaltungen, Schulungen und Broschüren rund um das Thema psychische Erkrankungen – insbesondere zu Burnout, Depressionen, Sucht und Suizidprävention zurück.  

Zudem sind die Themen mittlerweile fester Bestandteil der Ausbildung für den mittleren, gehobenen und höheren Polizeivollzugsdienst. Ziel sei, so der Sprecher, die Sensibilisierung aller Polizeibeamten „im Erkennen von und im Umgang mit psychischen Erkrankungen sowohl beim polizeilichen Gegenüber als auch bei den eigenen Kolleginnen und Kollegen und bei einem selbst“. Insbesondere für Führungskräfte und Vorgesetzte gebe es zahlreiche Fortbildungen. So steht zum Beispiel beim Seminar „Führen und Gesundheit“ das Erarbeiten eines gesundheitsorientierten Führungsstils im Mittelpunkt.  

Dienstvereinbarung psychosoziales Gesundheitsministerium wird erarbeitet

Auch wurden Leitfäden und Vorschriften erlassen, um adäquat auf psychische Erkrankungen reagieren zu können und den betroffenen Mitarbeitern Informationen und Hilfestellungen aufzuzeigen. Als Beispiele nennt das Ministerium den Leitfaden für Vorgesetze zum Umgang mit psychisch und suchtauffälligen Mitarbeitern, die Dienstvereinbarung Sucht, der Leitfaden Standards der psychosozialen Unterstützung und der Leitfaden für Vorgesetzte zur Betreuung eingesetzter Kräfte nach Extremereignissen. Außerdem erarbeite man derzeit eine Dienstvereinbarung Psychosoziales Gesundheitsmanagement, die im kommenden Jahr zwischen Innenministerium und Hauptpersonalrat der Polizei abgeschlossen werden soll.  

Auch gibt es laut Ministerium bei der Polizei Anlaufstellen, die Mitarbeitern in Krisensituationen zur Seite stehen. So verfüge die Landespolizei seit Jahren über ein professionelles Konfliktmanagement, dessen Ziel die gezielte Vorbereitung und begleitende Unterstützung von Mitarbeitern bei inneren und äußeren Konflikten ist.  

Konflikthandhabung und Krisenmanagement wird an Hochschule koordiniert

Am Institutsbereich Psychosoziales Gesundheitsmanagement der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg wurde eine Koordinierungsstelle für Konflikthandhabung und Krisenmanagement eingerichtet. Dort wird das in der Konflikthandhabung und dem Krisenmanagement eingesetzte Personal koordiniert und fortgebildet. Zu diesem Personal gehören in erster Linie haupt- und nebenamtliche psychosoziale Berater, aber auch Suchtkrankenhelfer bei jedem Polizeipräsidium sowie Konfliktmediatoren.

Weiter gibt es ein enges Netzwerk mit der Polizeiseelsorge, den Polizeiärzten, den Beauftragten für die Chancengleichheit und den Schwerbehindertenvertretungen. Auch die Ansprechpartner für gleichgeschlechtliche Lebensweisen der Polizeipräsidien und der Verein lesbischer und schwuler Polizeibediensteter sowie die Gewerkschaften und Personalräte stehen für vertrauliche Gespräche bereit. Sei im Einzelfall weitergehende Hilfe notwendig, würde diese entsprechend vermittelt.

Listen mit Ansprechpartnern, Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen und Info-Materialien stehen im Intranet bereit.    


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