Stuttgart. In der Debatte zur Errichtung des ersten Nationalparks in Baden-Württemberg im Nordschwarzwald waren sich die Fraktionen an diesem Mittwoch weitgehend darüber einig, dass es bei der Suche nach einem passenden Gebiet wichtig sei, die Bürger bei der Entscheidung aktiv zu beteiligen.
Der Landtag beschloss einen von den Grünen initiierten interfraktionellen Antrag zur Politik der Beteiligung. Grüne, SPD und auch die CDU signalisierten ihre Zustimmung zum Nationalpark. Die FDP sprach sich für die Einrichtung eines Biosphärengebiets aus, wie es bereits auf der Schwäbische Alb besteht.
Alle Fraktionen befürworten es, die Bevölkerung, Landkreise, Kommunen, Verbände und die Wirtschaft bei der Entscheidung für oder gegen einen Nationalpark einzubinden. Ein Gutachten soll die Chancen und Risiken eines Nationalparks aufzeigen und als Grundlage für weitere Entscheidungen dienen. Durch den fraktionsübergreifenden Konsens kann nun ein Gutachten vergeben werden. Entsprechende Bewerber gebe es. Mit Ergebnissen ist Ende 2012 zu rechnen, sagte der Minister für den ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Alexander Bonde (Grüne).
Bonde betonte, dass bereits seit längerer Zeit Gespräche mit allen Interessengruppen in der gesamten Region geführt würden. Eine Fachtagung habe bereits Ende September in Bad Wildbad stattgefunden und die Grundlagen für ein entsprechendes Gutachten festgehalten. Im Rahmen dieses Gutachtens sollen alle Auswirkungen eines Nationalparks geprüft werden sowie eine konkrete Abschätzung von Potenzialen erfolgen. Neben dem Holz produzierenden und verarbeitenden Gewerbe im Nordschwarzwald würden dabei auch weitere Wirtschaftssektoren wie beispielsweise der Tourismus untersucht.
Die Fraktionen von CDU und FDP äußerten die Sorge, dass ein solches Gutachten nicht ergebnisoffen gestaltet werden könnte, da es sich beim Nationalpark um ein grün-rotes Prestigeobjekt handeln würde. Es müsse festgestellt werden, welchen Mehrwert ein Nationalpark in Sachen Natur-, Artenschutz und Tourismus habe. Es sei wichtig die Stimmungen aus den betroffenen Regionen aufzugreifen. Seit einigen Monate hätten sich die kritischen Stimmen gegen einen Nationalpark vermehrt. Diese gelte es ernst zu nehmen. „Ein solches Großprojekt kann aber nur im breiten Konsens mit den Betroffenen auf den Weg gebracht werden und darf die Region nicht spalten“, sagte Patrick Rapp (CDU). Über die Einrichtung eines Nationalparks herrsche jedoch Konsens.
Die Opposition warf der Regierung vor, noch kein zielführendes Gesamtkonzept erstellt zu haben. „Ein stringentes Naturschutzgebietskonzept fehlt bisher“, sagte Rapp. Auch sei die Beteiligung vor Ort bisher hinter den Erwartungen zurückgeblieben sei, so Rapp. Man müsse die Entwicklungsmöglichkeiten für die Menschen und Betriebe vor Ort aufzeigen. FDP und CDU sehen die Gefahr, dass bei der Einrichtung eines Nationalparks, das Kontingent an zu fällenden Bäumen zukünftig nicht mehr ausreichen könnte und negative wirtschaftliche Folgen für die Forstbetriebe der Region zeitigen werde. Touristische Einrichtungen wären ebenfalls eine wirtschaftliche Frage, da diese neben einer Verkehrsinfrastruktur ausgebaut werden müssten.
Friedrich Bullinger (FDP) konstatierte ebenfalls, dass der Protest gegen den Nationalpark zugenommen hätte. „Die Menschen vor Ort wollen ihre Kulturlandschaft schützen“, sagte Bullinger. Gleiches wollten die Unternehmen, die vom Wald lebten und die Touristen. „Die Menschen wollen eine nachhaltige Land- und Waldbewirtschaftung und keine Vorschriften von Parkaufsehern“, so Bullinger. Durch den Umbau des Nordschwarzwalds bestünde neben einer Gefahr für die Forst- und Holzwirtschaft auch die Gefahr, dass am Ende weniger natürliche Vielfalt herrsche als vorher.
Der Plan des Nationalparks sieht vor, dass ein bestimmtes Gebiet vor menschlichen Eingriff geschützt wird. Bullinger sprach sich für die Einrichtung eines Biospährengebiets aus. Diese verbände auf hervorragende Art und Weise Mensch und Natur sowie Ökologie und Ökonomie.
Minister Bonde betonte, dass die „schrägen Töne“ der FDP einer sachlichen Diskussion schadeten, die alle Parteien angekündigt und eingefordert hatten. „Die Kulturlandschaft wird durch den Nationalpark nicht in Frage gestellt, betonte der Minister. „Ein Nationalpark wäre eine Aufwertung für den umgebenden Naturpark.“
Der Landtagsabgeordnete der Grünen, Markus Rösler kritisierte den Vorschlag der FDP. „Es geht nicht um mehr oder weniger Vielfalt und nicht um den Schutz von bestimmten Arten, sondern um den Schutz von natürlichen Prozessen, wenn sich der Mensch zurückhält und einen Teil des Waldes sich selbst überlässt.“ Auch seien entsprechende Wildnispfade ein touristisches Highlight. Rösler betonte, der Nationalpark sei „eine gute Idee für Mensch und Natur“ und kündige eine breite Beteiligung vor Ort vor, wenn die Ergebnisse vorlägen. Bis dahin forderte er eine konstruktive Zusammenarbeit ein.
Rösler sieht es als zentralen Bildungsauftrag des Landes an, sichtbar zu machen, was es bedeutet, wenn Natur sich selber überlassen wird. „Nichts ist lebendiger als sogenanntes Totholz, wo in einer künftigen Naturlandschaft tausende von Arten vorkommen.“ Dieser Aspekt unterscheide einen Nationalpark von Biosphärenreservaten, in denen es vorrangig um Wirtschaftskreisläufe in Kulturlandschaften gehe.
Studierende der Hochschulen für öffentliche Verwaltung Kehl und Ludwigsburg berichten über ihr Praktikum im Rahmen des Praxisjahrs im Vertiefungsschwerpunkt Kommunalpolitik/ Führung im öffentlichen Sektor beim Staatsanzeiger.
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